"Crimaries" statt Primaries

Zweifel an Sharons Durchmarsch Dem Regierungschef verhageln Korruptionsverdacht und Stimmenkäufe bei den Vorwahlen zur Likud-Liste das Wahlmenü

"Jeder, der uns nicht wählt, stimmt damit für Sharon", sagt der Spitzenkandidat der Arbeitspartei Amram Mitzna mit Blick auf den 28. Januar, den Tag der Neuwahlen in Israel. Mitzna schließt eine Große Koalition mit dem Likud aus, doch in den eigenen Reihen wird anders gedacht: Ex-Minister Ben-Eliezer will den Schulterschluss mit Sharon, wenn der einen 700-Kilometer-Sicherheitszaun an der Grenze zum Westjordanland errichtet und danach mit den Palästinensern verhandelt. Ob Große Koalition oder nicht - entscheidend für Israels nächste Regierung wird vor allem das Resultat der vehement anti-religiösen Shinui-Partei unter Tommy Lapid sein.

Israel befindet sich vor diesen Wahlen in einer paradoxen Situation: Noch niemals zuvor lebten seine Bürger so unsicher wie unter dem Premier Ariel Sharon. Seit Oktober 2000 starben über 700 im Konflikt mit den Palästinensern. Die Regierung der Großen Koalition aus Likud und Arbeitspartei hat der Autonomiebehörde von Yassir Arafat den Garaus gemacht; sie führt einen Feldzug, um die palästinensische Infrastruktur zu zerstören und den Unabhängigkeitskampf der Palästinenser zu ersticken - von den Osloer Verträgen ist man so weit entfernt wie nie zuvor. Schließlich wird die Ökonomie von hoher Arbeitslosigkeit und Inflation geplagt, der Tourismus liegt am Boden. Trotz dieser desolaten Lage sind fast zwei Drittel der Bevölkerung mit Sharon zufrieden - zugleich plädiert ein etwa gleich großer Anteil für einen Palästinenserstaat, der abgegrenzt und abgeschottet auf dem Territorium der heutigen Autonomiegebiete liegen sollte.

    "Friedensprozess"


    1991

    30. Oktober - Die "Madrider Konferenz" ist Auftakt zu ersten bilateralen israelisch-palästinensischen Verhandlungen.


    1993

    9./10. September - Wechselseitige Anerkennung zwischen Israel und der PLO.


    13. September

    - In Washington wird die in Oslo ausgehandelte Grundsatzerklärung zur palästinensischen Autonomie unterzeichnet.

1994

25. Februar - Der Siedler Baruch Goldstein erschießt in einer Moschee 29 Palästinenser.


4. Mai

26. Oktober - Jordan.-israelischer Vertrag.


1995

26. September - Unterzeichnung des Interimsabkommens über die palästinensische Autonomie im Westjordanland ("Oslo II").


4. November - Ermordung von Premier Rabin durch einen rechtsextremen Studenten.


1996

5. Mai - Verhandlungen über den "endgültigen Status" der besetzten Gebieten werden eröffnet und sofort wieder vertagt.


29. Mai - Wahlsieg von Benjamin Netanjahu (Likud).


1997
15. Januar

25. Februar - Die Entscheidung Netanjahus, im arabischen Teil Jerusalems eine jüdische Siedlung zu errichten, legt den Friedensprozess auf Eis.


1998

23. Oktober - Unterzeichnung des "Wye-River-Abkommens". Israel verpflichtet sich zum Rückzug aus weiteren 13 Prozent des Westjordanlandes und zur Öffnung einer sicheren Transitroute zwischen Westjordanland und Gazastreifen.


1999

17. Mai - Ehud Barak gewinnt für die Arbeitspartei die Wahl und wird Premier.


2000

11. - 25. Juli - Das Treffen von Camp David zwischen Clinton, Arafat und Barak bringt keinen Durchbruch.


28. September - Ariel Sharon besucht den Tempelberg in Jerusalem und löst damit die zweite Intifada aus.


4. Oktober - In Ramallah werden zwei Israelis gelyncht, erstmals werden danach Gebäude der Autonomiebehörde bombardiert.


12. Oktober - Der Gipfel von Scharm al Scheich zwischen Arafat und Barak führt zu keinem Ende der Gewalteskalation.


2001

6. Februar - Ariel Sharon (Likud) wird zum neuen israelischen Premier gewählt.


15./16. Mai
2002

April - Nach mehreren palästinensischen Selbstmordanschlägen besetzt die israelische Armee nahezu das gesamt Westjordangebiet. Auch Arafats Hauptquartier in Ramallah wird belagert, teilweise zerstört.


23. Juli - Scheich Salah Schahada, Kommandeur der Kassam-Brigaden, wird bei einem israelischen Angriff auf Gaza getötet, der Militärschlag fordert 15 Todessopfer, darunter neun Kinder, sowie 155 Verletzte.


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