Es sollte eigentlich ganz einfach werden: Ein paar gezielte Bomben auf wichtige militärische Einrichtungen, und Belgrad würde bei der Kosovo-Frage schon einlenken. So kalkulierte wohl die italienische Regierung, als sie ihre Militärbasen für die Angriffe zur Verfügung stellte. Mit der Fortdauer der Bombardements gerät das vom Linksdemokraten Massimo D'Alema geführte Kabinett zunehmend unter politischen Druck. Die linke Komponente in der Mitte-Links-Regierung beginnt langsam, aber hörbar zu rebellieren. Grüne, die Partei der Italienischen Kommunisten (PdCI) und der linke Flügel der Linksdemokraten (DS) verlangen das Ende der Luftangriffe und eine politische Lösung. Aber nur die Kommunisten gehen so weit, mit dem Auszug ihrer zwei Minist
Minister und dreier Staatssekretäre aus dem Kabinett zu drohen.Italien liegt als überdimensionaler Flugzeugträger, von dem aus die tödliche Bombenlast nach Serbien und Montenegro getragen wird - nur durch die Adria getrennt - direkt vor der Küste Jugoslawiens. Und die Regierung D'Alema besaß die Kühnheit, die Luftbasen ohne vorherige parlamentarische Aussprache zur Verfügung zu stellen. »Mit einem simplen Verwaltungsakt trat Italien in den Krieg ein. Eine beispiellose Verletzung der Demokratie und des Parlaments«, erregte sich Fausto Bertinotti, Sekretär der Partei Rifondazione Comunista (PRC). Die Parlamentsdebatte fand schließlich nach Beginn der Bombenangriffe statt, also auf dem Boden vollendeter Tatsachen. Die Kommunisten des PdCI rotierten und wollten zuerst einen eigenen Antrag zur Einstellung der Luftschläge vorlegen, schlossen sich dann aber dem eilig zusammengeschusterten Antrag der Regierungsmehrheit an, der für Verhandlungen plädiert.Die ansonsten so konfrontationsfreudigen Kommunisten des PdCI gaben sich damit zufrieden, auch wenn die NATO völlig unbeeindruckt blieb. Die böse Überraschung folgte auf den Fuß, als der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Massimo Brutti (DS), zugab, daß italienische Flugzeuge im Rahmen ihrer »eigentlich nur defensiven Aufgaben« Stellungen der Serben angegriffen, also Vorwärtsverteidigung praktiziert hätten. Die Bestätigung dieser »Enthüllung« folgte prompt im Fernsehen durch Verteidigungsminister Carlo Scognamiglio selbst: »Unsere Flugzeuge haben bei zwei Gelegenheiten mit Raketen Stellungen der Serben getroffen.« Und er präzisierte die Mission der Italiener beim Krieg im Kosovo: »Wenn es in einer Verteidigungsaktion notwendig sein sollte, eine Raketenstellung anzugreifen, würden das unsere Piloten nochmals tun.«Damit geriet Italiens Kriegsbeteiligung in ihr zweites Stadium: Aus der passiven Rolle als Flugzeugträger avancierte man zum Angreifer. PdCI-Chef Armando Cossuta tobte ob der Erklärungen des Verteidigungsministers, hatte er doch einige Tage zuvor noch den Antrag der Regierungsmehrheit im Parlament mitgetragen (318 zu 188 Stimmen). »Die Erläuterungen von Scognamiglio sind überraschend. Dazu muß er im Parlament Stellung nehmen, weil das eine Entschließung verabschiedet hat, die von einer ausschließlich defensiven Aktion spricht«, so Cossuta. Der PdCI-Chef mußte sich düpiert fühlen. Seine Partei war als erste in der Regierungskoalition mit deutlichen Worten gegen die NATO-Intervention auf die Barrikaden und damit auf Konfrontationskurs mit der Regierung gegangen. Nach langer Debatte hatte sie öffentlich die »sofortige Beendigung der NATO-Operationen« gefordert. Andernfalls, so der kommunistische Justizminister Oliviero Diliberto, komme es zur Regierungskrise: »Ich bin bereit, in jedem Moment zurückzutreten, wenn die Partei das von mir verlangt.«Doch bissen die bellenden Hunde auch am Osterwochenende nicht, als die Parlamentsfraktion des PdCI darüber beriet, ob sie die Regierung verlassen sollte. Es blieb bei einer Drohung, nachdem Regierungschef D'Alema »Friedenssignale« in Richtung Cossuta ausgesandt hatte. Dieser wartete genau darauf, um die Regierung retten und das »verantwortungsvolle Handeln« seiner Partei herausstellen zu können. Regierungsstabilität und Machtbeteiligung sind für Armando Cossuta fundamental. Dabei hatte D'Alema lediglich die Forderung Boris Jelzins nach Einberufung eines G-8-Gipfels öffentlich unterstützt und die Friedensbotschaft des Vatikans ausdrücklich gelobt. Doch das reichte Cossuta, um einzulenken.Die politische Rechnung der italienischen Kommunisten mag sich vielleicht kurzfristig für die Partei auszahlen, auf lange Sicht jedoch dürfte sie eher schaden. Die österliche Großdemonstration in Rom, als etwa 100.000 Menschen gegen den Krieg auf dem Balkan demonstrierten, war Beweis genug. Cossuta wurde in Parolen mit einem Mörder verglichen, ebenso der Grünen-Chef Luigi Manconi, dessen Partei zwar gegen die NATO-Bomben ist, daraus aber keine politischen Konsequenzen ziehen will. Die kommunistische Basis und auch ein Teil der links-demokratischen Wähler sind mit ihren Par teispitzen unzufrieden. Die Unterstützung eines Krieges ist das letzte, was sie sich von ihnen erwartet hätten. Und an dieser Tatsache ändern auch die massiven Bemühungen der Regierung nichts, den Luftkrieg als »humanitäre Operation« zu verkaufen und eine Luft- und Seebrücke nach Albanien einzurichten, um dort Flüchtlings-Camps aufzubauen.Italien wird vom schlechten Gewissen geplagt, und Massimo D'Alema, der sich vom offenen Kriegsunterstützer (»eine schmerzliche, aber unausweichliche Entscheidung«) über den Friedensengel (»der Politik das Wort zurückgeben«) zum Retter der albanischen Kosovo-Flüchtlinge gewandelt hat, sieht sich zum Handeln getrieben. Die groß angelegte Flüchtlings-Rettungsaktion mit dem bezeichnenden Namen »Regenbogen« soll nicht zuletzt davon ablenken, daß unter den Bomben Menschen sterben und Italiener aktiv daran beteiligt sind.Man lügt sich in diesem Krieg selbst an. Als Startpunkt für die NATO-Bomber und erstes westeuropäisches Ziel der Kosovo-Flüchtlinge wird auf der Apenninen-Halbinsel dennoch weiter an der Illusion festgehalten, daß man mit dem, was jenseits der Adria passiert, nur indirekt zu tun habe. Der über 80jährige Altkommunist Pietro Ingrao ist einer der wenigen, die darauf aufmerksam gemacht haben, daß Artikel 11 der italienischen Verfassung den Angriffskrieg verbietet. Die Reaktionen darauf waren spärlich. Eine parlamentarische Diskussion bleibt aus, selbst der Staatspräsident, eigentlich Garant der Verfassung, schweigt in dieser Frage.