Andreas Baader, Ralf Bönt, James Dean, Gräfin Dönhoff, Bill Gates, Heinz „Cookie“ Gianullis, Jörg Haider, Steve Jobs, Boris Johnson, Herbert von Karajan, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Niki Lauda, Udo Lindenberg, Christian Lindner von der FDP, Anne-Sophie Mutter, Martina Navratilova, Paul Newman, Albert Ostermeier, Steve McQueen, Rapper Rick Ross, Jil Sander, Baby Schimmerlos, Jerry Seinfeld, Mark Webber und Erwin Wurm – was haben sie gemeinsam? Nun, anders als Heinrich Böll und Bodo Kirchhoff liebten und fuhren sie einen Porsche 911, in welcher Variante auch immer.
Und da dieser gerade 50 wurde, hat Ulf Poschardt ihm ein gediegenes Büchlein gewidmet, voll von Wissen, klugen Einfällen – und geradezu ehrfürchtiger Bewunde
er Bewunderung. Gar nicht einmal nebenbei ist es ein Buch über die BRD, ehe die Ossis über sie kamen. Und da kann man schon eine einfache Differenz an den jeweiligen Schwachköpfen erkennen: Die präpotent breitbeinig auftretende RAF war exzessiv autovernarrt, die vermuckt klandestine NSU hingegen nahm die engstmögliche Umfahrung des Trabi: Wohnwagen und Fahrrad.Neid vitalisiertWomit das Auto, dieser seit Beginn des 20. Jahrhunderts globalisierte Götze, auch eine habituelle West-Ost-Achse hätte, zusätzlich zur realen Verschiebestrecke. Im Zentrum des Autobashings steht zwar gemeinhin die Ökologie, aber die ist ohne das Amalgam gendristischer Bedenklichkeiten fast gar nicht zu haben. So salviert Poschardt sich denn auch gleich eingangs durch eine psychiatrische Absolution: Die Liebe zum Auto sei eigentlich ganz normal, zumal – hier empörungsausbremsend verkürzt – bei solchen Rundungen. Und gleich noch dazu: Die Erzeugung von Neid sei nicht zerstörerisch, sondern durchaus vitalisierend für die Umwelt. Außerdem – so die Kette der apportierten und hausgemachten Zusätze des Patienten Poschardt – sei der Porsche lediglich ein Käfer mit Sportschuhen, ein sozialverträgliches Luxus-Gefährt von muskulöser Grazilität und unfeudalem Adel, laut Auto-Bild ohnehin von gestern, von biomorpher Optimalgestalt, kurz: „eine muskulöse Frau und voller Leben“, wofür denn die Damen Sander, Dönhoff und Navratilova mit ihren Partnerinnenpräferenzen bürgten.Deren historisches Vorgängertrio in Sachen Automobilismus, Ruth Landshoff-Yorck, Erika Mann und Annemarie Schwarzenbach, war mindestens so eigenaktiv wie jene, aber einer feministischen Literaturwissenschaft ist das wohl zu banal, und vor allem brächte es sie um ihre Kuschelopfer. So besteht denn die Dissertation von Anke Hertling über deren Eroberung der Männerdomäne Automobil zu einem Gutteil aus Klagen über die allfälligen historischen Behinderungen der Damen im Fond und am Rad. Allerdings nicht nur. Wer noch einmal kompakt und in defensiver Rundumabsicherung verschärfter Dissertationssprachlichkeit lesen will, was über die Kultur- und Mentalitätsgeschichte des Autos je geschrieben wurde – hier sind er und sie richtig. Los geht’s mit Bertha Benz. In den Morgenstunden eines Augusttages 1888 verlässt sie – in Begleitung zweier Söhne! – auf einem motorgetriebenen Dreirad die Werkstätten des Gatten, den sie anschließend zum Einbau eines dritten Gangs bewegt. Andere Damen versuchten sich folgend als Selbstfahrerinnen, aber auch Chauffeusen und Mechanikerinnen. Und immer wieder ernteten sie Spott, Misstrauen und Ablehnung der Herren, ihrer Fahrer und Monteure. Und nach 140 Seiten folgt der unschlagbar schöne Satz: „Auf den Umstand, dass sich die Autorinnen aufgrund ihres großbürgerlichen Familienhintergrundes ein Automobil leisten und Reisen ohne finanzielle Sorgen durchführen können, muss zweifellos hingewiesen werden.“ So ist es wohl. Nachdrücklich nachzutragen ist, dass diese Dissertation zugleich ein beachtliches Kompendium zu Leben und Werk von Ruth Landshoff-Yorck, Erika Mann und Annemarie Schwarzenbach liefert.Geht man in die Pionierzeit des Automobilismus zurück und über die Grenze, stößt man auf Octave Mirbeau, Autor von Tagebuch einer Kammerzofe. 1909 hat er ein Roman tituliertes Buch über Autoreisen veröffentlicht. Es trägt das Nummernschild seines Wagens im Titel: 628-E8 und ist endlich auf Deutsch zu haben. Eigentlich handelt es sich um Reiseskizzen und kulturelle Reflexionen zu Frankreich und seinen automobil erschlossenen Nachbarstaaten, anekdotenprall und sottisensatt.Herrenfahrer, FahrerknechtBeim Autofahren, so erfährt man, ging es ähnlich wie beim Kino zu: Seriöse Eroberung einer zunächst mehr als halbseidenen Domäne. Und bei Mirbeau lernt man denn auch andere als die so sorgfältig gepflegten Geschlechterspannungen kennen, etwa die von Stadt und Land, natürlich ohnehin die von Herr und Knecht – in Anekdoten zeigt er genüsslich, wie der Herrenfahrer dem Fahrknecht ausgeliefert ist, der etwa, um vor der Mutter zu protzen, gegen alle Anweisungen einen riesigen Umweg fährt oder aber Reparaturen vorschützt, um 100 Kilometer nach Paris zurückzufahren, nachzusehen, ob am Steuer der Ehefrau ein Geliebter sitzt. Vor allem geht es Mirbeau um nationalkulturelle Differenzen. Dabei reibt er seinem nationalistischen Frankreich ziemlichen Pfeffer unter die Nase, indem er etwa den Erzfeind Deutschland herausstreicht. „Überall duftete es nach Arbeit, nach Sicherheit, nach Reichtum“, schreibt er, um uns dann den Stachel zu geben, „ich sage nicht nach Glück, denn Glück ist etwas anderes.“ Vor Berlin wird er gewarnt: „Alles Päderasten!“, bis in die höchsten Kreise von Politik und Kunst. Und was findet er? „Die Deutschen sind Pedanten: „Es genügte ihnen nicht, Päderasten zu sein … wie alle Welt … nein, sie mussten die sogenannte Homosexualität erfinden … Mein Gott, wo wird sich die Wissenschaft noch überall einnisten?“ Man sieht, vom erhöhten Sehepunkt des Herrenfahrers aus gibt es mehr als eine Konfliktlinie in der Welt!