Dan Brown, übernehmen Sie!

Vatileaks Der Kammerdiener des Papstes soll’s gewesen sein? Oder ist er der klassische Sündenbock? So recht will keiner der angebotenen Plots überzeugen. Da muss ein Experte ran
Da schien zwischen dem Papst und seinem Kammerdiener noch alles in Ordnung: Benedikt XVI. mit Paolo Gabriele (l.)
Da schien zwischen dem Papst und seinem Kammerdiener noch alles in Ordnung: Benedikt XVI. mit Paolo Gabriele (l.)

Foto: Paolo Garbiele

Der Vatileaks-Prozess ist der vorläufige Höhepunkt eines massiven Skandals, der den notorisch geheimniskrämerischen Papst-Staat seit 2011 aufs kräftigste blamiert. Auf einmal liegen die sorgsam verborgenen Mechanismen der katholisch-politischen Hierarchie offen, denn jede Menge geheimer Dokumente sind von sogenannten verräterischen Raben an Journalisten verscherbelt worden oder erschienen auf der Website Vatileaks.com. Neben viel Belanglosem kam auch Brisantes ans Tageslicht. So soll die Vatikanbank Mafiagelder gewaschen haben, zudem herrschen offenkundig auch beim Papst Vetternwirtschaft und Korruption.

Lange konnte man das Leck nicht finden. Dann wurde der Kammerdiener des Papstes als Schuldiger präsentiert, der im Alleingang die Geheimnisse des Vatikans enthüllt haben soll. Zumindest in Italien glauben aber nur wenige, dass der biedere Diener Paolo Gabriele, auf den der Papst ursprünglich große Stücke gehalten haben soll, der alleinige Schuldige ist, zumal die Lecks nach dessen Festnahme nicht sofort gestopft waren. Viele sehen ihn als Sündenbock, als Bauernopfer, das ausgewählt wurde, um die wahren Zusammenhänge zu verschleiern.

Die Vatileaks-Story ist eine Geschichte mit vielen Facetten, die unsere Einbildungskraft befeuern: Von der Homestory, die Monsignore Gänswein und den Papst in trauter Harmonie zeigt, bis zum Plot für einen Vatikankrimi reichen die Möglichkeiten. Letzteres ist ein eigenes Genre, hierzuande haben Johanna Alba und Jan Chorin Papstkrimis vorgelegt. Auch im Vatileaks-Fall riecht es nach großer Verschwörung. Von den angebotenen Plots überzeugt allerdings keiner vollkommen, auch die Experten haben sich bisher nicht festlegen wollen. Die ersten, die in Verdacht gerieten, waren natürlich die versprengten Progressiven. Sie stört die absolute Monarchie im Vatikan, ebenso viele der enthüllten Transaktionen. Als Tatverdächtige taugen sie aber nur bedingt, denn sowohl Papst Benedikt wie sein Vorgänger haben dafür gesorgt, dass kein Progressiver in die Nähe geheimer Dokumente kommt. Die Traditionalisten haben da viel eher Zugang, und sie sind auch zahlreicher am Hofe Benedikts vertreten. Allerdings fehlt es ihnen an einem Tatmotiv, denn der Papst ist ihnen ausgesprochen freundlich gesonnen.

Bleiben die reinen Machtkämpfe ohne politischen oder theologischen Hintersinn: Da heißt es einerseits, das Ziel sei, Tarcisio Bertone, den Premierminister des Vatikans abzuschießen, der sich viele Feinde beim Missbrauchsskandal machte. Andere sagen, es gehe gegen die zahlreichen Deutschen, die Benedikt installiert habe. Hier sei vor allem sein engster Vertrauter, eben jener Monsignore Georg Gänswein Zielscheibe. Der immer noch recht ansehnliche Privatsekretär entlastet den greisen Papst zunehmend von Tagesaufgaben und entscheidet selber. Das sei dem italienischen Apparat des Vatikans ein Ärgernis.

Seit neustem hält der Vatikan wieder dicht. Ob die Wahrheit jemals ans Licht kommen wird, ist unklar. Umso gespannter darf man sein, ob Vatileaks tatsächlich einen Krimi insprieren wird. Müsste es nicht mit dem Teufel zugehen, wenn nicht der Verschwörungsspezialist Dan Brown himself längst Lunte gerochen hätte? Seit der Papst 2005 seinen Bestseller Sakrileg (The Da Vinci Code) verbieten wollte, hat er mit dem Vatikan zumindest eine Rechnung offen.

Christina Ujma ist Literaturwissenschaftlerin und schreibt im Freitag regelmäßig über italienische Zustände

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