Er lebt zusammen mit einer Spitzenpolitikerin seiner Partei das Leben einer modernen Familie. In der Neuauflage der grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg ist er der Einzige unter 40, der Einzige mit deutsch-türkischen Wurzeln – und der Einzige mit bundesweitem Glamour-Faktor. Danyal Bayaz, der sich selber als „Kind der Globalisierung“ beschreibt, brachte vom ersten Tag an frischen Wind ins Kabinett Kretschmann III. Sogar in heiklen Fragen: Nicht erst seit Russlands Krieg problematisiert der Grüne die Schuldenbremse und die damit verbundenen Investitionshemmnisse.
Seine Berufung vor einem Jahr war einigermaßen überraschend. Und wenn ein 73-jähriger Regierungschef einen landespolitischen Neuling an seine Seite holt, ist die Frage nach dem Warum erstens unausweichlich und zweitens ziemlich schnell beantwortet. Natürlich, so die Leseart zwischen Bodensee und Main, könnte der gebürtige Heidelberger Kretschmanns Erbe antreten, wenn sich der Ministerpräsident irgendwann in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode aufs Altenteil zurückzieht. Dass es so weit noch lange nicht ist, liegt unter anderem daran, dass sich der Doppelstaatler von Geburt an seine Meriten überhaupt erst verdienen muss. Und an Katharina Schulze, seiner Lebensgefährtin. Beide sind seit zehn Monaten Eltern. Sie ist dazu Chefin der 38 Köpfe zählenden Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag und könnte nach den dortigen Wahlen im übernächsten Herbst womöglich Markus Söders Vize werden, falls der dann mit den Grünen koalieren sollte. Die herkömmliche Rollenverteilung in Polit-Ehen wäre erst einmal auf den Kopf gestellt und der gleichberechtigte Mann an der Reihe, einen größeren Teil der Care-Arbeit zu schultern und eigene Karriere-Ambitionen zu vertagen.
Zukunftsmusik in einer Gegenwart voller Herausforderungen. Zurzeit sitzt der Finanzwissenschaftler mit Doktortitel und Erfahrungen als Fulbright-Fellow in New York und Strategieberater bei der Boston Consulting Group am nächsten Doppelhaushalt des drittgrößten Bundeslandes. In den Beratungen des Etats 2022 genoss er noch „Welpenschutz“, wie Kretschmann einmal in einem eher unbedachten Moment formulierte. Inzwischen geht es um die Quadratur des Kreises: die Abfederung der Corona- und der Kriegsfolgen, um mehr Tempo hin zur Energiewende und zugleich um den Verzicht auf neue Schulden. Da kennt Bayaz keine Scheu vor bundesweiten Schlagzeilen, etwa mit der Prognose, der von der FDP erzwungene Verzicht auf Steuererhöhungen im Laufe der Legislaturperiode werde nicht zu halten sein: „Wer eine Debatte darüber, wie die Lasten verteilt werden sollen, kategorisch ablehnt, lebt verantwortungslos auf Kosten zukünftiger Generationen.“ Oder wenn er, wiederum die Liberalen fest im Blick, das gerade beschlossene Entlastungspaket der Bundesregierung medientauglich kritisiert mit dem Argument, dass sie „besser Lebensmittel subventioniert hätte statt Benzin“.
Danyal Bayaz machte er sich einen Namen im Wirecard-Untersuchungsausschuss
Unter Schwaben gilt der 38-Jährige, der über „‚Heuschrecken‘ zwischen Rendite, Reportage und Regulierung“ promovierte, als „Käpsele“ und unter Nicht-Schwaben als „besonders heller Kopf“, wie einer der grünen Altvorderen lobt. In die Partei eingetreten ist der Hip-Hop-Fan 2005. Der frühere Landtags- und Bundestagsfraktionschef Fritz Kuhn, später Stuttgarts Oberbürgermeister, hatte ihn „geflasht“ mit der Devise, dank grüner Ideen schwarze Zahlen zu schreiben. Als seine wichtigste Eigenschaft nennt der Realo übrigens Optimismus. Ein Kommilitone aus der Zeit an der Uni in Stuttgart-Hohenheim denkt da noch eher ans solide Selbstbewusstsein: „Er traut sich was zu. Sogar Fehler einzugestehen.“
Kein Fehler war es, den ohnehin vorhandenen Möglichkeiten, als Steuersünder verdächtigte Personen anonym anzuzeigen, eine digitale Variante hinzuzufügen. „Steuer-Stasi“, wütete die Bild, und im Netz hagelte es – wie schon nach der Geburt des ersten Sohns im vergangenen Sommer – rassistische Pöbeleien. Die übelsten würden zur Anzeige gebracht, teilt ein Ministeriumssprecher mit. Falsch liegt sowieso, wer aus dem Familiennamen auf eine Gastarbeiter-Familiengeschichte oder ein oft mit migrantischen Wurzeln einhergehendes Aufsteiger-Gen schließt. Vater Ahmet war Journalist beim Süddeutschen Rundfunk, der Großvater Diplomat. Es sei ihm klar, „wie schwer der Alltag sein kann, wenn man Mehmet heißt, zu meiner persönlichen Lebenserfahrung hat das aber nicht gehört“, erzählt Bayaz. Als er 2017 in den Bundestag kam, sollte er sogleich als Migrationspolitiker einsortiert werden. Bayaz legte sich erfolgreich quer. Dann machte er sich einen Namen im Wirecard-Untersuchungsausschuss.
Seine Mutter stammt aus einer CDU-Familie. „Ich kenne die Partei gut“, sagt er, „sie hat für Deutschland viel erreicht, aber sie steckt in einer Identitätskrise.“ Eben deshalb beäugt der Koalitionspartner CDU den Newcomer ganz genau. Denn auf Druck der Grünen musste die Union nach der Landtagswahl im vergangenen Frühjahr zusichern, dass sie bei einem vorzeitigen Abgang Kretschmanns dessen Nachfolgeaspiranten mitwählen und so die grün-schwarze Koalition fortsetzen würde bis zum nächsten Urnengang 2026.
Schon 2011 hatte Baden-Württemberg Geschichte geschrieben, als der erste Grüne neunter Regierungschef wurde, nach sieben Schwarzen in Folge. Auf diese erste Zeitenwende könnte demnächst eine zweite, ähnlich bedeutsame folgen, wenn Bayaz als neuer Hausherr in die Villa Reitzenstein hoch über Stuttgart einzöge. Oder doch ein anderer, der auch türkische Wurzeln, dasselbe Parteibuch und – jedenfalls noch – einen höheren Bekanntheitsgrad besitzt: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Aber das ist eine andere Geschichte.
Kommentare 10
Herr Bayaz scheint wirklich der perfekte Ziehsohn von Kretschmann zu sein: Nie ein kritisches Wort über die imperiale Politik der USA, nie auch nur ein Hauch von Protest gegen die rechtswidrige Inhaftierung von Julian Assange (dafür Solidaritätsbekundungen en masse für Tichanowskaja und Selenskij). Kein Abrücken von nachweislichen jahrelangen Falschbehauptungen der BW-Grünen beim Thema Corona. Dafür kräftige Mitwirkung beim Nachtreten gegen Kritiker der Coronapolitik und beim Faktenchecker-Unwesen. Bei der Boston Consulting Group hat Herr Bayaz sicher gelernt, die Erwartungen der internationalen Finanzoligarchie nicht zu enttäuschen. Von der CDU sind die baden-württembergischen Grünen heute eigentlich kaum mehr zu unterscheiden, allenfalls noch darin, dass es an der Parteibasis der CDU ab und zu mal rumort, während die Grünen-Mitglieder zufrieden und glücklich scheinen, sich als Fanclub von Annalena, Robert und Winfried zu betätigen. War da mal was mit "Friedenspartei"?
Erholsame Lektüre in all dem sonstigen (anti-)Kriegsgeschrei. Kaum zu glauben, aber offenbar gibt es noch den ganz banalen politischen Alltag! Und Personen, auf die man noch setzen kann.
Wer transatlantisch denkt und durchaus den Neokons zugerechnet werden kann, ist heute ein perfekter Grüner. Besonders im sehr konservativen Ländle. Wer soll die Grünen denn da noch übertreffen?
"KIEW (dpa-AFX) - Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat bei ihrem Besuch in Kiew erklärt, dass Deutschland künftig komplett ohne Energie des "Aggressors" Russland auskommen wolle. "Deshalb reduzieren wir mit aller Konsequenz unsere Abhängigkeit von russischer Energie auf Null - und zwar für immer", sagte die Ministerin am Dienstag in Kiew bei einer Pressekonferenz mit ihrem Kollegen Dmytro Kuleba. Deutschland ist bisher vor allem von russischem Gas abhängig. Russland sei ein "Aggressor", der keine Regeln achte und Kriegsverbrechen begehe, sagte Baerbock. Es könnte künftig keine Verständigung mit dem Land mehr geben über die Köpfe der Ukraine hinweg."
Es ist der Wahnsinn, mit welcher Wucht diese Panzergrünen ohne jegliche Rücksicht auf die Bevölkerung, der sie eigentlich verpflichtet sind, dieses Land an den wirtschaftlichen Abgrund bringen.
Und was hat das mit dem Beitrag zu tun?
"Grünenpolitiker Hermann kritisiert Lieferung schwerer Waffen Der Grünenpolitiker Winfried Hermann lehnt die Regierungsentscheidung ab, schwere Waffen in die Ukraine zu liefern – und unterstützt den offenen Brief an Scholz. Ein Argument: Panzer seien keine »Verteidigungsfahrzeuge«. "
Kein Grüner aus und in BW?
Baerbocks Ausflug war doch ein reiner PR Besuch in eigener Sache.
Zitat: "... und Erfahrungen als ... Strategieberater bei der Boston Consulting Group ..."
Es ist ist unbestritten von Vorteil, wenn man auch als "grüner" Politiker praktische Erfahrungen in der Wirtschaft sammelt bevor man ein größeres politisches Amt anstrebt. Aber warum ausgerechnet in einer internationalen Unternehmensberatung, die die Interessen von Spekulanten, Großkonzernen, Oligarchen aka "Superreichen" und den Inhabern von Briefkastenfirmen in Steueroasen vertritt?
Zitat: "Schon 2011 hatte Baden-Württemberg Geschichte geschrieben, als der erste Grüne neunter Regierungschef wurde, nach sieben Schwarzen in Folge."
Um die "Geschichte" historisch zu vervollständigen, muss man hinzufügen, dass das niemals passiert und auch der neunte Regierungschef in BW ein Tiefschwarzer geworden wäre, wenn es kurz vorher in Fukushima (Japan) nicht krachbumm gemacht hätte, obwohl die Konservativen immer sagen: Es macht niemals krachbumm, denn unsere Atomkraftwerke sind sicher. Jedenfalls so sicher wie das Amen in der Kirche am Heiligen Abend, wenn der Pastor vorher keinen Herzinfarkt bekommt. Das soll durchaus vorkommen oder bekommen schwarze Pfaffen keinen Herzkasper?
Es gibt schließlich junge Leute, die noch nie etwas von Fukushima gehört haben und auf die absurde Idee kommen könnten, das hätte irgendwas mit der Person von Herrn Kretschmann und seinen "stylischen" schwarz-grünen Ringelsocken zu tun.
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Zitat: "Oder wenn er, wiederum die Liberalen fest im Blick, das gerade beschlossene Entlastungspaket der Bundesregierung medientauglich kritisiert mit dem Argument, dass sie 'besser Lebensmittel subventioniert hätte statt Benzin'."
Schimmert da etwa ein Hauch von "sozialer" Politik durch den real existierenden schwarz-grünen Kapitalismus? Vielleicht kritisiert Herr Bayaz demnächst noch, dass Multimillionäre und Multimilliardäre in diesem unserem "christlichen" Lande einen Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuer bekommen, der im Ergebnis höher ist als das Kindergeld für Normal- und Geringverdiener.
Vielleicht plädiert Herr Bayaz dann auch noch dafür, den Regelbedarf bei Hartz wieder danach zu bemessen, was die unterste Gruppe der viel gepriesenen wertewestlichen "Solidargemeinschaft" für die Teilnahme am Leben in unserer Gesellschaft braucht und nicht nach dem, was sich die Geringverdiener in diesem unserem "chrstlichen" Lande alles nicht leisten können, wie dies derzeit beim sogenannten "Statistikmodell" der Fall ist.
Daran habe ich allerdings begründete Zweifel. Denn das wäre dann linke Sozialpolitik und was haben die "modernen" Grünen mit linker Sozialpolitik zu tun? Linke Sozialpolitik passt einfach nicht mehr zu den maßgeschneiderten teuren Designerklamotten made by Calvin Greenhouse & Pierre Gabbana.
Man sollte in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, dass es die Grünen zusammen mit SPD-Basta-Schröder waren, die Hartz IV und den größten "Niedriglohnsektor" Europas geschaffen haben. Basta-Schröder und die SPD sind immer noch stolz darauf. Und wie stolz darauf sind die grünen Opportunisten?