Das Aufblühen der Atomwaffenindustrie

Atomwaffen Mit der Modernisierung der Atomwaffen werden Milliarden verdient und ein neuer Rüstungswettlauf entfacht. Warum eine Abschaffung dringend notwendig ist. Ein Kommentar

Es ist nun 71 Jahre her, dass Atombomben Hiroshima und Nagasaki zerstört haben. Während die Mehrheit der Staaten Verhandlungen über ein Abkommen zur Abschaffung von Atomwaffen beginnen möchte, entwickeln die neun Atomwaffenstaaten blindlings neue Atomwaffenprogramme, die sehr wohl „eine neue Eskalation des Wettrüstens entfachen könnten“, sagte Präsident Obama letzten April.

Mit einem Ein-Billion-Dollar-Plan für die nächsten 30 Jahre, führen die USA diesen Trend an. Doch Russland, China und die anderen verfolgen genau die gleiche Linie. Diese Programme kosten uns etwas und stehen ganz im Gegensatz zu dem, was die Welt wirklich braucht, und zwar eine nachhaltige und irreversible Umsetzung der 2030 UN Agenda für Nachhaltige Entwicklung (2030-UN-Agenda for Sustainable Development). Und es würde uns alle noch viel mehr kosten, wenn die Atomwaffen jemals in Gebrauch kämen.

Hypersonische Waffen, automatisierte Drohnen und Tarnkappen-Cruise-Missiles mit mehreren Sprengköpfen – die blühende Atomwaffenindustrie entwickelt immer weiter neue Systeme. Im Jahr 2016 wird das globale Nukleararsenal auf 15.395 Atomwaffen geschätzt, 4.000 davon könnten sogar in wenigen Minuten gestartet werden.

Obwohl Präsident Obama sein Amt mit einem historischen Engagement begann, und zwar eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen, plant die heutige US-Administration eine ganz neue Atomwaffengenera­tion, so auch die Entwicklung von Atomwaffenanlagen. Für den Zeitraum von 2015 bis 2024 wird das Atomwaffenbudget von 348 Milliarden Dollar auf eine Billion Dollar erhöht. Dies hat auch Auswirkungen auf die 180 in Europa stationierten Atomwaffen der USA, inklusive einer neuen Generation der B 61.

Vor Kurzem hat der Versuch eines Militärputsches in der Türkei gezeigt, wie gefährlich die weitere Existenz von Atomwaffen in einer sich stetig verändernden Welt ist. Was wäre, wenn der Putsch funktioniert hätte und das türkische Militär sich entschieden hätte, die Waffen zu nutzen?

Zu gefährlich und zu teuer

Als Nächstes muss Russland erwähnt werden. Das Land ist dabei, alle seine Systeme bis 2024 zu erneuern. Doch obwohl die wirtschaftliche Situation die massiv geplante Aufstockung des Militärbudgets gedrosselt hat, liegt das Budget für 2016 bei rund 70 Milliarden Dollar – ein Anstieg von 0,8 Prozent gegenüber 2015. China hat ebenfalls ein langfristiges Modernisierungsprogramm in Angriff genommen, obwohl es vor Kurzem sein Engagement für eine „No-First-Use-Politik“ bekräftigte. China bemüht sich um eine „qualitative Verbesserung“; die Militärausgaben stiegen von 7 auf 8 Prozent und reichen bis zu 135,39 Milliarden Dollar.

In Großbritannien ist die Debatte über den Ersatz der Trident-Systeme angeheizt. Obwohl Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Briten gegen eine Atomwaffenerneuerung ist, stimmte das Parlament am 18. Juli dafür. Großbritannien nimmt somit mit einem Beitrag von 270 Milliarden Dollar daran teil. Doch in Schottland hat der Brexit einen neuen Impuls eingeleitet, die britischen Nuklearanlagen rauszuwerfen. Wie werden die Schotten und die Briten nun weitermachen?

In Frankreich wiederum ist die Modernisierung bereits in vollem Gang. Die ganze U-Boot-Flotte der Triumphant Klasse wird mit neuen ballistischen Raketen erneuert. Das sollte 2019 abgeschlossen sein. Bis 2020 soll das aktuelle Jahresbudget von 4 Milliarden Dollar auf das Doppelte ansteigen.

„Heute ist die Gefahr einer nuklearen Katastrophe größer, als sie während des Kalten Krieges war, und die meisten Menschen sind völlig ahnungslos“, sagte kürzlich William J. Perry, ehemaliger Sekretär des US-Verteidigungsministeriums. Um dieses Spiel zu ändern, ist es nun äußerst wichtig, die Augen vor dieser Herausforderung zu öffnen. Die neun Atomwaffenbesitzer versuchen, die mittlerweile sechsjährige Bewegung für ein Atomwaffenverbot durch die „Humanitäre Initiative“ zu überschatten.

Die Mehrheit der Staaten hat sich nun aber darauf geeinigt, Massenvernichtungswaffen allgemein zu verbieten – unter internationalem Recht gibt es dieses Verbot noch nicht ausdrücklich. Die Zivilgesellschaft und internationale Organisationen fordern ein klares Mandat, um bei der nächsten Sitzung der UN-Generalversammlung im Oktober 2016 diesbezügliche Verhandlungen zu beginnen. Das könnte drastisch das gesamte Paradigma der Atomwaffen ändern.

Dieser Beitrag ist Teil des Freitag-Extra: Disarm! For a Climate of Peace, einer Verlagsbeilage in Zusammenarbeit mit dem International Peace Bureau

Arielle Denis, Antiatomwaffenaktivistin, langjährige Mitarbeiterin von ICAN, einer zentralen Organisation im Ringen um eine atomwaffenfreie Welt

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