Das "ausländische Internet"

Internetzensur Vorbild Nordkorea: Iran will seine Bürger vom Internet abkoppeln. Halal total?
Für "normale" Bürger sind die Dienste des Internetkonzerns Google bereits blockiert
Für "normale" Bürger sind die Dienste des Internetkonzerns Google bereits blockiert

Foto: Atta Kenare/AFP/Getty Images

Der Iran hat damit begonnen, Dienste des Internetkonzerns Google zu blockieren. Betroffen sind die Suchmaschine selbst, der Maildienst Gmail, das soziale Netzwerk Google+ und Youtube. Teile des dort gezeigten antiislamischen Schmähvideos sollen der Auslöser für diese Aktion sein. Die Sperre könnte Plänen der iranischen Zensurbehörde Vorschub geben, ein eigenes Rechnernetz aufzubauen. Es soll „halal“ sein und nur Inhalte transportieren, die nach islamischer Ansicht erlaubt sind. Ist das Netz realisiert, könnte der Zugang zum Internet abgeschaltet werden. Nur Banken, Ministerien und großen internationalen Konzernen soll auch in Zukunft der Zugriff auf das „ausländische Internet“ erlaubt sein.

Vorbild der iranischen Bestrebungen ist offenbar Nordkorea. Dort wurde ein eigenes, auf Linux basierendes Betriebssystem namens „Roter Stern“ entwickelt, in dem die Staatsideologie des Regimes eingebettet ist. Als Startmelodie ertönt Volksmusik, als Datumsystem läuft ein Kalender, der mit dem Geburtsjahr des Staatsgründers Kim Il-sung (1912) einsetzt. Die Office-Anwendungen des Betriebssystems stammen von Open Office ab. Der Webbrowser ist eine modifizierte Version von Mozillas Firefox, die nicht abschaltbare Homepage des Browsers die Webseite der Regierung im „Bürgernetz“. In Nordkorea gibt es drei Telefon- und Rechnernetze, die strikt abgeschottet sind, nur den Ausländern ist der Zugang zum Web beschränkt erlaubt. So ist keine Kommunikation zwischen Bürgernetz und Regierungsnetz möglich.

Ob ein derartiges System auch im Iran durchsetzbar ist, wird von Experten indes stark bezweifelt. Anders als in Nordkorea sind Rechner wie Mobiltelefone weit verbreitet. Nach Angaben der Genfer ITU (UN-Behörde für Telekommunikation) haben dank Internet-Cafes rund 30 Millionen Iraner Zugang zum Internet. Aber auch wenn sich die totale Abschottung vom Internet als nicht machbar herausstellen sollte: Das Telefon- und Datennetz des Iran gehört zu den bestüberwachten der Welt. Der Staat Iran ist von der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ wie China und Nordkorea als „Feind des Internet“ eingestuft worden, da es keinen unzensierten Zugriff auf das Internet gibt und der Einsatz von Software zur Umgehung der Kommunikationsbarrieren drastisch bestraft wird. Ende 2010 wurden zwei Systemadministratoren zum Tode verurteilt, weil sie versucht hatten, einen nicht zensierten Kommunikationskanal zum Internet zu öffnen.

Die Hoffnung der Iraner auf einen freien Zugang zum Netz ruht insbesondere auf Anonymisierungs- und Verschleierungs-Software, die vom Global Internet Freedom Consortium mit finanzkräftiger Unterstützung der US-Regierung entwickelt wird. Ziel ist es, die Demokratie-Bewegungen im Nahen Osten mit lokalisierten Varianten der vom Consortium angebotenen Umgehungswerkzeuge Ultrasurf, Freegate und Gtunnel zu versorgen. Auf der Berliner Konferenz „Internet and Human Rights“ erklärte Clintons Internet-Beauftragter Scott Busby, dass die Unterstützung inzwischen bei 100 Millionen Dollar liegt.

Vorsicht ist allerdings angebracht: Haystick, die erste vom Consortium speziell für den Iran entwickelte Software, enthielt nach einer Analyse von Verschlüsselungsexperten derart viele Fehler, dass sie ihre Nutzer verraten und nicht geschützt hätte. Die Entwicklung wurde nach der vernichtenden Kritik eingestellt.

Detlef Borchers ist freier Journalist und Experte für Internetthemen

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