Das bodenlose Fass einer Kriegswirtschaft

USA/ANGOLA Ein Öl-Klient, der aus der Kälte kam

Trotz der Einschüchterungen während des Kalten Krieges, als Henry Kissinger und Ronald Reagan daran gingen, in Angola "nach Feinden zu suchen", standen führende westliche Unternehmen und Geschäftsleute zur damals noch marxistischen MPLA-Regierung(*). David Rockefeller avancierte zu einem der beherztesten Verteidiger Luandas. Und die PR-Maschinerie der GulfOil Corporation gab der Regierung des Präsidenten José Eduardo dos Santos bereitwillig Feuerschutz an der US-Front, wenn die Rollback-Propaganda der Reagan-Administration kein Pardon kannte. Im Schulterschluss mit dem US-Finanzminister gewährten IWF und Weltbank Angola schließlich 1989 bereits die Mitgliedschaft - nur fünf Jahre, nachdem die MPLA erstmals ihr Interesse geäußert hatte, diesen Gremien anzugehören. Die Zivilgesellschaft wollte nicht zurückstehen: 1990 gründeten mehrere Firmen der Öl- und verwandter Branchen die amerikanisch-angolanische Handelskammer, die inzwischen 75 Mitglieder zählt (darunter private US-Hilfsagenturen wie PACT oder Africare).

"Ölbezirk" von Weltklasse

Die größte Sorge der "Händlerfraktion" des US-Establishments war stets, dass ihr westeuropäische - besonders französische - Firmen in Angola zuvorkommen und die profitabelsten Beutestücke kassieren könnten. Je mehr in den neunziger Jahren die französisch-amerikanischen Ölrivalitäten eskalierten, desto fetter fielen die Liechtensteiner Bankauszüge der angolanischen Führung aus. Heute werden Angolas Tiefwasser-Ölfelder zu den "heißesten Bohrstellen der Welt" gerechnet. Und Gulf-Oil-Manager hofieren einen "Ölbezirk von Weltklasse". Bloße Übertreibung, um Aktienkurse hoch zu treiben? Kaum. Ende 1999 kamen Vereinbarungen über rund 18 Milliarden Dollar internationaler Investitionen für den Ölsektor während der kommenden vier Jahre zustande. Betrug 1995 die Tagesrohölproduktion Angolas noch 617.000 Barrel, könnte sie sich schon 2003 verdoppe1t haben. Da ständig neue Offshore-Reserven entdeckt werden, strebt die Förderung der Zwei-Millionen-Barrel-Grenze entgegen, die momentan Afrikas Ölgigant Nigeria vorgelegt hat.

Seit 1973 bereits kaufen die USA den Löwenanteil des angolanischen Rohöls. Da Angolas Staatseinnahmen überwiegend aus diesem Sektor kommen, wird dadurch eines klar: Amerikanische Autofahrer haben über US-Ölmultis die angolanische Regierung und damit den Krieg von Anfang an kräftig finanziert. Gegen die Dutzenden Milliarden US-Öldollar für die MPLA-Regierung in Luanda nehmen sich die geschätzten, bisher 250 Millionen Dollar der CIA für die rivalisierende UNITA (**) wie Peanuts aus. Zusammen bildeten die beiden Geldströme eine extrem destruktive Melange. Außerdem waren die verdeckten Mittel der CIA und eine bis Anfang der neunziger Jahre unverhohlene politische Rückendeckung Washingtons für Savimbi der MPLA stets ein vorzüglicher Vorwand, die Öldollar in das bodenlose Fass der Kriegswirtschaft zu leiten. Die Ölrendite half, viele der "Geschäfte" am Laufen zu halten oder zu tarnen, die Angolas Elite sowie deren ausländische Komplizen im gemeinsamen Streben nach Gewinn und Krieg verbanden.

Frieden war ihnen eher unwillkommen, da er Verlust von Privilegien und Macht bedeutete. So halfen US-Investitionen, eine Triade aus gegenseitiger Feindschaft, politischem Niedergang und blutigem Kriegskapitalismus aufrechtzuerhalten. Ein Vorgang, bei dem bis vor kurzem Wert auf Diskretion und Distanz gelegt wurde. Die Clinton-Administration lehnte jede Verantwortung für den Fluss von Öldollars nach Luanda ab, um sich stattdessen als Friedensstifter zu empfehlen, über Demokratie zu tönen und andere über die Notwendigkeit einer Kürzung ihrer Militärausgaben belehren zu können.

Erziehungsmaßnahmen des IWF

Es besteht keinerlei Veranlassung, die Bedeutung Angolas für die USA zu überschätzen. Konflikte, wie sie derzeit in Kolumbien, Venezuela oder Peru gären, bereiten größere Sorgen. Auch ist die byzantinische Ölpolitik der Amerikaner in Mittelasien ein risikoreicheres Puzzle. Aber da die USA augenblicklich fast die Hälfte ihres Erdöls aus dem Ausland beziehen, wird bei jedem Lieferanten danach gefragt: In welchem Verhältnis stehen interne Konflikte zum Ausstoß der Ölwirtschaft?

Billiges Benzin wird im Westen inzwischen als De-facto-Menschenrecht betrachtet. Gefährdungen dieses Anspruchs führen zu teilweise archaischen Reaktionen der Autofahrer und ihrer Lobby. Politiker sind gehalten, die finanzielle Kraft der Mineralölkonzerne nicht zu vergessen oder zu übersehen, wie die das politische System schmieren - ganz zu schweigen von etlichen Zwergsystemen in Afrika.

Angola könnte in der Lage sein, die damit verbundenen Risiken zu vermindern. Allein die 1999 von dort bezogenen sieben Prozent der US-Rohölimporte ziehen eine größere Abhängigkeit nach sich, als sie während der irakischen Invasion 1990 von kuwaitischem Öl bestand. 2008 werden vermutlich zehn Prozent der US-Öleinfuhren aus Angola kommen. So hat sich eine klassische Patron-Klient-Beziehung aufgebaut, die erst im April durch eine Vereinbarung mit dem IWF besiegelt wurde. Einige ihrer geheim gehaltenen Details wurden bekannt: Angolas erste Pflicht besteht danach in der Rückzahlung seiner Schulden an internationale Kreditgeber, vor allem an Banken. Das heißt, Luanda wird aufhören müssen, viel Geld zu drucken. Allerdings - wer die Inflation drosselt - sprich: Militärausgaben kürzt, Steuern erhöht sowie dieselben rigider eintreibt - geht politische Risiken ein.

Künftig soll außerdem garantiert werden, dass die Zahlungen der Ölabnehmer ordnungsgemäß in Angolas Zentralbank hinterlegt und auf nationalen Konten registriert werden, statt im "Bermuda-Dreieck" zwischen der als Schattenfinanzministerium fungierenden staatlichen Ölgesellschaft, der Zentralbank und der MPLA-Führung zu verschwinden. All dies könnte die Geschäftsmethoden der angolanischen Eliten und ihrer Ölpartner durcheinander bringen. Offenbar aber soll das gesamte Wirtschaftssystem Angolas einem Stabilitätscheck unterzogen werden - im Interesse seiner Öl-Kunden.

Déjà Voodoo

In den Ländern der ehemaligen UdSSR haben die Bretton-Woods-Institutionen und das US-Finanzministerium seit Jahren Reformen gefördert, die an der Voodoo-Ökonomie des Neoliberalismus orientiert sind - monströse Farcen, die alle und alles einschlossen: die Eliten, staatliches Eigentum und dessen Verpachtung, undurchsichtiges Management von öffentlichen Einkünften, Mafia-Strukturen, die von IWF und Weltbank nach außen hin verabscheut werden. Aber im weit entfernten, armen, nichtnuklearen Afrika hat man natürlich andere Freiheiten, Claims abzustecken. Washingtons Haltung, wie sie sich nicht zuletzt im beschriebenen IWF-Deal mit Angola manifestiert, könnte Ausdruck eines fundamentalen Interesses sein, den Wildwuchs eines deregulierten, privatisierten Wirtschaftslebens zurückzuschneiden. Die Dinge könnten schließlich aus dem Ruder laufen, wenn der Staat nicht für Recht und Ordnung sorgt, um beispielsweise Wirtschaftsverträge oder ein fiskalisches Management durchzusetzen (Wie sollen sonst Schulden fristgemäß zurückgezahlt werden?). Solange also Angola nicht bald zur Normalität zurückkehrt, werden Zweifel am Nutzen und der Legitimität von Schlüsselinstitutionen wie IWF und Weltbank aufkommen, vor allem die USA werden angesichts ihrer "angolanischen Interessen" bohrende Fragen stellen.

Aber sind "Reformen" in Angola nur eine Sache der Rückkehr zur "Normalität"? In den vergangenen 30 Jahren hat sich das Zentrum der politischer Ökonomie des Landes immer mehr unter die Oberfläche begeben - im übertragenen wie im tatsächlichen Sinn. Neue Ölquellen liegen mehr als 100 Kilometer vor der Küste, oft in einer Tiefe von mehr als 1.000 Metern. Kreisläufe von Geld und Macht fließen gleichfalls offshore, meist zwischen den ausländischen Ölgesellschaften, Angolas nationalen Unternehmen und dem Establishment in Luanda. Private Sicherheitsdienste, importierte Lebensmittel und einige neue Abwassersysteme sorgen dafür, dass in den Städten Unruhen und Krankheiten kanalisierbar bleiben. Die angolanischen Arbeitskräfte, die Versorgung der Menschen, Branchen außerhalb des Öl- und Diamanten-Business sind bestenfalls von marginaler Bedeutung. In der Tat - das Leben des Staates Angola - dessen "Normalität" - ist für das gegenwärtige System weitgehend irrelevant.

(*) Movimento Popular de Libertaçao de Angola /Volksbewegung für die Befreiung Angolas, Unabhängigkeitsbewegung, seit der staatlichen Selbstständigkeit 1975 alleinige Regierungspartei.

(**) Uniao Nacional Para a Independência Total de Angola / Nationalunion für die vollständige Unabhängigkeit Angolas/ seit der Unabhängigkeit mit der MPLA in einen Bürgerkrieg verwickelt.

Übersetzung aus dem Englischen: Katharina Stephan

Angolas Bürgerkrieg

Mai 1991 Der Lissaboner Vertrag zwischen den Bürgerkriegsparteien - abgeschlossen unter der Schirmherrschaft der USA und der UdSSR - zielt auf einen unbefristeten Waffenstillstand und allgemeine Wahlen.

September/Oktober 1992 Die MPLA gewinnt die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen (MPLA: 53,7 Prozent / UNITA 34,1 Prozent - dos Santos 49,6 / Savimbi 40,1); die UNITA erhebt den Vorwurf des Wahlbetrugs und beendet die vereinbarte Waffenruhe.

Oktober/November 1994 Mit dem Vertrag von Lusaka wird ein erneuter Anlauf zu einer unbefristeten Feuerpause und einer "Regierung der Nationalen Einheit und Versöhnung" unternommen.

Februar 1995 Der UN-Sicherheitsrat entscheidet, erstmals Blauhelme in das südwestafrikanische Land zu entsenden - anfangs liegt die Stärke der Beobachtungsmission UNAVEM bei 7.000 Soldaten.

Januar - April 1997 Gemäß Lusaka-Vertrag konstituiert sich eine Allparteien-Regierung - bald jedoch zieht die UNITA ihre Minister wieder zurück.

Mai 1997 Nach dem Fall des Mobutu-Regimes in Zaire (Kongo-Kinshasa) beginnt in Angola eine landesweite Offensive der Regierungsarmee gegen UNITA-Stellungen - der Bürgerkrieg tritt in eine neue Phase, da sich die MPLA-Regierung ein Jahr später auf Seiten von Präsident Kabila im Kongo militärisch engagiert.

Januar 1998 Agreement zwischen MPLA und UNITA über die Nutzung der Diamantenfelder in der Provinz Luanda Norte durch die Zentralregierung, dennoch bleibt für Savimbi die Ausbeutung von Diamantenminen in anderen Regionen wichtigste Finanzierungsquelle.

Februar/März 1999 Die UNAVEM-Mission wird beendet, nachdem von den Vereinten Nationen gecharterte Transportflugzeuge über dem angolanischen Hochland von der UNITA abgeschossen wurden und die Bürgerkriegsparteien keinen Friedenswillen erkennen lassen.

März 2000 Nach UN-Angaben stehen sich im andauernden angolanischen Krieg 100.000 Soldaten auf MPLA-Seite und 30.000 im Bestand der UNITA gegenüber - seit 1975 sind durch die militärische Auseinandersetzungen 1,1 Millionen Menschen ums Leben gekommen.

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