Wie konnte das geschehen? Und: Hätte es verhindert werden können? In der politischen Debatte werden nach dem Brüsseler Doppelanschlag mehr Daten und mehr europäische Kooperation gefordert. Ist das vielleicht sogar richtig?
Bürgerinnen und Bürger erleben seit vielen Jahren immer wieder, dass sie von Akteuren, die keinen Staat vertreten, zu Freiwild erklärt werden. Diese Schock-Strategie der Terroristen soll dazu führen, dass die Wähler ihre Staaten zu Änderungen in der Politik bringen – in mehrerlei Hinsicht. Jeder einzelne Tote und Verwundete, jedes Fernsehbild und jeder Tweet vom Anschlagsort, jede Law-and-Order-Reaktion ist von den Terroristen bereits einkalkuliert. Es ist ein doppeltes Dilemma: Mit Anschlägen auf zivile Ziele wollen Terroristen politische Ziele erreichen, an deren Durchführung man sie nur durch Einschränkungen von Freiheiten hindern kann, die die Terroristen ihrerseits ebenfalls abschaffen wollen.
Tatsächlich waren die meisten Attentäter in Belgien den Behörden bereits gut bekannt. Es lagen Daten über sie vor. Polizeien, Nachrichtendienste, alle konnten nach den Brüsseler Anschlägen schnell etwas sagen. Dass die Täter es trotz dieser vielen Informationen bis zur Ausführung geschafft haben, ist ein Beleg staatlicher Hilf- und Ratlosigkeit.
Ein Angriff auf Europa erfordere Antworten durch alle EU-Staaten, lautet die einhellige Meinung. Bundesinnenminister Thomas de Maizière äußerte, dass Datenschutz zwar schön sei, aber in Zeiten wie diesen Sicherheit vorgehe. Man brauche bessere Instrumente, so lautet das Credo der Innenminister, um das Risiko zu minimieren. Und ja, das kann sogar sein. Nur wäre es an der Zeit, dass Innenminister, die mehr Daten wollen, dazu auch sagen, welche anderen Überwachungsinstrumente sie im Gegenzug aufzugeben bereit sind, damit die Gesamtrechnung am Ende gesellschaftlich erträglich bleibt. Also, Herr de Maizière: Auf welches Instrument wären Sie bereit zu verzichten, um eine europäische Anti-Terror-Datei zu bekommen?
Diese Gesellschaft darf es eben nicht zulassen, dass sie sich aus Angst vor weiteren Anschlägen in eine Präventionsgesellschaft flüchtet, die mögliche Terroristen algorithmisch identifiziert und in der drei Datenbankmerkmale das Leben eines Einzelnen zur Hölle machen können. Es kann sein, dass an einzelnen Stellen mehr Daten für Polizei und Sicherheitsbehörden notwendig sind, vielleicht auch mehr Kompetenzen. Doch während Fragen des Datenschutzes entschlossenen Terroristen weiterhin egal sein werden, darf ein entfesselter Sicherheitsapparat hingegen niemandem egal sein – denn der wäre unser ganz eigenes Versagen als Bürger Europas. Und das gilt auch für die zweite Forderung: Europas Sicherheitsbehörden müssten enger zusammenarbeiten.
Ja, möchte man rufen, genauso wie nach den Pariser Attentaten, nach dem Attentat auf das jüdische Museum in Brüssel 2014 und, und ... Eigentlich gilt das auch für die mehr als 50 Nachrichtendienste der EU-Staaten. Doch in der Praxis funktioniert das alles selbst mit gutem Willen kaum: Jede Polizei, jeder Geheimdienst Europas arbeitet so, wie es sein Land oder seine Organisation für richtig hält. Wer europäische Zusammenarbeit fordert, muss mit den Konsequenzen leben: Ohne gemeinsame Standards, Werte und eine Integration von Innen-, Justiz- und Sicherheitspolitik kann das nicht funktionieren.
Kommentare 6
So, so - das ist also das ganze geheimnis der anti-terror-hysterie; eine art balance zwischen geben und nehmen: "...welche anderen Überwachungsinstrumente sie im Gegenzug aufzugeben bereit sind, damit die Gesamtrechnung am Ende gesellschaftlich erträglich bleibt."
Der autor hat offebar eine ziemlich weltfremde vorstellung von sinn und ziel der sogenannten anti-terror-massnahmen, die sich NICHT in einem magischen dreieck (dessen flächeninhalt immer derselbe bleibt) zwischen Polizei, Geheimdiensten und Politik verorten lassen.
In wahrheit sind den politischen anti-terror-akteuren die "bürgerlichen freiheiten" völlig egal. Den überwachungsstaat gab es bereits lange vor den neuerlichen terrorbedrohungen. Das argumnt, es gehe um den ("unseren"!?) "freiheitlichen" lebensstil, dient allein dem schein und dem herauslocken von "breiter zustimmung", zu massnahmen, die allein auf die aufrechterhaltung eines business-modells; und damit verwertungsmodells; und damit profitmodells zielen.
Wo kämen wir auch hin, wenn die business-elite selbst in ihren tempeln, wie flughäfen und flugzeugen, teuren restaurants und bordellen, world-trade-centern etc., nicht mehr "sicher" ihren geschäften nachgehen könnte.
Das sind Α und Ω der gegenwärtigen anti-terror-hystrie - das "magische dreieck bürgerlicher freiheiten" ist eine propagandafiktion.
Unlängst kam nachts eine Reportage.
Dabei ging es um den Kapf gegen Terror in Pakistan.
Das sollte keinem egal sein.
Ja Muslime kämpfen dort gegen IS/Tailban Terror. gegen ihre Hirnwaschung (zum Teil von 8- 10 Jährigen Jungs...) in ihren Koranschulen usw.
Warum kämpft hier praktisch jeder einzeln?
Waruim verbünden sich nicht weltweit alle, die etwas dagegen haben, dass "der Islam" per se zur "Terror-Religion", samt der Religionsanghöriger in ihrer Gesamtheit als potentielle Terroristen goutiert?
In der Reportage wurde ebenfalls ein "Aussteigerprogramm" für IS-/Taliban-Kämpfer vorgestellt. Beeindruckend! Einfachste Mittel und sie sprechen von max. 10 Prozent Rückfallquote.
Warum unterstützen wir das nicht, etablieren es...so als Kampf gegen den Terrorismus?
Die Reportage lief im ARD und hieß glaube ich "Was von Kriegen übrig bleibt".
Sie haben ein recht ausgeprägtes Staats- und Politikverständnis: Die da oben.
"In wahrheit sind den politischen anti-terror-akteuren die "bürgerlichen freiheiten" völlig egal."
Möglicherweise haben Sie ja Ihr (Arbeits-)Leben so weit entfernt von Politik und Behörden verbracht und/oder Erfahrungen gamcht, dass Sie diese nicht als bestehend aus normalen Menschen und Bürgern sehen (können). Das könnte eine Erklärung sein.
Aus meiner Sicht sind Politiker von uns Wählern beauftragte Bürger, und ich habe viele kennengelernt, die ihre Tätigkeiten auch so verstehen.
War an Heinz Lambarth gerichtet.
Der Kampf gegen den Terror ist wichtig, aber man muss wissen, von wem der Terror letztenendes ausgeht! “Von Nine Eleven zur Sprengung Europas?” https://wipokuli.wordpress.com/2015/09/30/von-nine-eleven-zur-sprengung-europas/
Und eine Patin des Terrors wird wahrscheinlich die nächste US Präsidentin!
“USA: Sanders wäre bitter nötig, aber es bleibt wohl nur die Wahl zwischen HIV und Ebola! https://wipokuli.wordpress.com/2016/02/28/usa-sanders-waere-bitter-noetig-aber-es-bleibt-wohl-nur-die-wahl-zwischen-hiv-und-ebola/
Andreas Schlüter
Soziologe
Berlin
die leben in einer anderen welt und haben uns nicht auf dem zettel