Manche meinen, die bevorstehende Bundestagswahl sei langweilig. Ich halte das für kurzsichtig. Denn der Wahlkampf tobt nicht nur in den Leitmedien, sondern auch in digitalen Parallelwelten. In den sozialen Netzwerken hat sich die AfD ihr eigenes Wahlvolk gezüchtet. Dieses Wahlvolk ist das Ergebnis einer gezielten Spaltung der Öffentlichkeit. Seine Mitglieder werden den Wahlausgang – in manchen Fällen zum ersten Mal – erheblich mit beeinflussen.
Entscheidend für den Erfolg in sozialen Netzwerken sind nicht nur die reinen Fan- und Follower-Zahlen. Wichtiger ist, wer genau einem dort folgt – und ob er reagiert. Nur wenn eine Partei Menschen erreicht, die für die eigenen Botschaften empfänglich sind, stellt sich langfristiger Erfolg ein. Besonders clever stellt sich in diesem Feld moderner Kommunikation die ansonsten so rückwärtsgewandte AfD an. Ihr gelingt es, aus ausgewählten Zielgruppen ein „digitales Volk“ zu bilden. Über Vernetzung bildet sie dort ein Gemeinschaftsgefühl aus – dessen Kitt im Wesentlichen aus gemeinsamen Feindbildern besteht.
Damit Unternehmen, Parteien oder Popstars in sozialen Netzwerken ihre Zielgruppen möglichst effektiv erreichen können, bieten die Plattformen Hilfsmittel an. Gegen Geld platzieren sie Beiträge auf den Bildschirmen spezifischer Nutzergruppen. Dieses Prinzip heißt Microtargeting. Micro, weil die Zielgruppe so passgenau wie in keinem anderen Medium definiert wird. Anders als bei TV-Werbespots oder Zeitungsanzeigen kann der Werber genau bestimmen, was die Menschen ausmacht, die seine Anzeige gezeigt bekommen: Postleitzahl, Alter, Geschlecht sowieso, aber auch Gehalt, Hobbys, Beziehungsstatus oder Lieblingsessen. Selbst kurze, für Werber hochattraktive Lebensphasen wie „frischgebackene Eltern“ sind nun identifizierbar. Was man nicht selbst preisgegeben hat, erschließt sich Facebook durch das Klickverhalten, das man an den Tag legt.
Auch die AfD nutzt diese Werbemethode. Wie genau, das ist natürlich ihr Geheimnis. Aber es lassen sich Gedankenexperimente anstellen, wen die AfD wie ansprechen könnte: Die Partei sorgt sich etwa um die Sicherheit deutscher Frauen. Durch die Migration von „einer Million junger arabischer Männer“ (Guido Reil) seien „die Angsträume für blonde Frauen größer geworden“ (Björn Höcke). Junge Frauen, die an Selbstverteidigung interessiert sind, kann man über Facebook leicht erreichen. Oder solche, die im Großraum Köln leben (Stichwort: Silvesternacht 2015). Nach diesem Prinzip könnte die AfD in den verschiedensten Mikrogruppen der Gesellschaft nach Unterstützern fischen: Arbeitssuchende aus deindustrialisierten Regionen, das Publikum von RT Deutsch, Sympathisanten der NPD oder Identitären Bewegung. Für Parteien ist das Werbeinstrument von Facebook wie ein Selbstbedienungsladen für Wählergruppen, nur billiger. Wer seine Anzeige gut durchdenkt und an die richtige Zielgruppe ausspielt, kann schon mit rund 200 Euro knapp tausend hochrelevanteFans dazugewinnen.
Der Algorithmus liefert nach
Eine interessierte Fangemeinde auf Facebook zu haben ist wichtig. Denn die zentrale Währung ist nicht die Fan-Zahl einer Seite, sondern die „Interaktionen“ des Publikums. Je mehr Reaktionen auf die Beiträge, die Tag für Tag über die Seite gehen, desto höher werden diese von Facebooks Algorithmus eingestuft. Der AfD gelingt es, dass besonders viele Menschen mit ihren Beiträgen interagieren. Es ist die Kombination eines aktuellen Themas („328 Euro Asylkosten pro Bürger im Jahr“) mit einer zugespitzten, ideologischen Interpretation („Das sind: vier Tankfüllungen, drei Monate Stromrechnung oder 1.405 Windeln fürs Baby“) und einem emotionalen Bild (hier: Baby-Motiv). Das Publikum interagiert. Daraus schließt der Algorithmus, dass der Beitrag auch für andere Nutzer interessant sein könnte – und liefert ihn an noch mehr Menschen. Die Interaktionsrate, auf das ganze Jahr 2016 gemessen, lag bei der AfD bei 8,5 Prozent. Das heißt, dass im Durchschnitt jeder Fan etwa mit jedem zehnten Beitrag interagiert. Bei drei Beiträgen pro Tag und über 300.000 Fans ist das enorm. Der Algorithmus wird befriedigt. Für alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien lag diese Rate bei 2,6 Prozent oder weniger. Durch die Weiterverbreitung der Inhalte erreicht ein populärer Facebook-Beitrag der AfD bis zu vier Millionen Menschen – das entspricht der Zuschauerzahl der Tagesschau und übertrumpft die der heute-Nachrichten an manchen Tagen. Mit einem Post. Die Facebook-Seite der AfD ist also zu einem alternativen Massenmedium geworden. Genau genommen: zu einem Massenspaltungsmedium.
Denn die AfD aktiviert mit ihren Beiträgen Emotionen, in erster Linie Angst und Wut. Das „Wut“-Symbol wählt das Facebook-Publikum der AfD am häufigsten als Reaktion auf die Beiträge der Partei. Das liegt auf der Hand: Egal ob beim Thema Islam, Kriminalität oder Europa – die AfD kümmert sich nicht um die Sorgen der Bürger, sondern verstärkt sie. Für die AfD entsteht so eine digitale Aufmerksamkeitsspirale: Wer emotionalisiert und polarisiert, der mobilisiert auch. Schlechte Voraussetzungen für die politische Meinungsbildung – aber gute Voraussetzungen für Rechtspopulisten.
Die Soundbites von AfD-Politikern eignen sich obendrein besonders gut für die virale Verbreitung durch die eigenen Anhänger, am besten in Form von Bildern oder Videos. Facebook ist eine Plattform für Redeschnipsel, nicht für abwägende Argumentationen. Wenn Björn Höcke rassistisch über den „afrikanischen Ausbreitungstyp“ sinniert, verbreitet sich das auf Facebook wellenartig. Populisten wie Höcke wissen, wie man mit Ton und Bild Aufmerksamkeit erregt. Ihr Auftreten und ihre Statements, je absurder, desto besser, provozieren Emotionen, egal ob Abscheu oder Zustimmung. Aus diesen Zutaten entstehen die kurzen Clips, die von Tausenden, manchmal Millionen Menschen durch die sozialen Netzwerke katapultiert werden. So wurden Rechtspopulisten zu den Spitzenverdienern der digitalen Aufmerksamkeitsökonomie.
Bei der Betrachtung der politischen Landschaft auf Facebook drängt sich eine Frage auf: Warum können die anderen Parteien mit der AfD auf Facebook, dem wichtigsten sozialen Netzwerk für die Deutschen, nicht mithalten? Die Parteien haben lange Zeit die sozialen Netzwerke nicht ernst genommen. Vermutlich war es für viele Politiker ein lästiger zusätzlicher Kanal. Wie eine Veranstaltung, auf der man sich sehen lassen muss, aber eigentlich keine Lust auf die Gäste hat. Im Jahr 2011 nutzten nur acht Prozent der Bundestagsabgeordneten aktiv die sozialen Medien zur Kommunikation mit Bürgern. Eine eigene Ansprache finden sie auch heute oft nicht. Sie benutzen Facebook wie ein Faxgerät zum Zustellen von Meldungen. Feedback, der Clou von Facebook, den die AfD intensiv nutzt, gibt es kaum. Das lang anhaltende Desinteresse der etablierten Parteien hat auch strukturelle Gründe. Die in Parlamenten sitzenden Parteien haben einen institutionell verankerten Zugang zur Öffentlichkeit. Journalisten und Politiker halten sich berufsbedingt ständig am selben Ort auf, kennen sich mitunter schon jahrelang. Warum sollte ein Politiker etwas auf Facebook posten, wenn ihm auf dem Weg aus dem Sitzungssaal die Mikrofone und Kameras nur so zufliegen? Die AfD machte das von Anfang an anders. Sie erschloss sich die sozialen Medien, den längst etablierten Raum der menschlichen Kommunikation, der von anderen politischen Kräften rechts liegen gelassen wurden. Was für andere Parteien lange Neuland blieb, ist für die AfD rasch zur Heimat geworden.
Ihr digitales Volk, das sie dort beheimatet, zeichnet sich weniger durch die sogenannte Filterblase aus, die der Algorithmus angeblich erzeuge. In erster Linie existiert die Blase, also der Fokus auf einer bestimmten Meinung, in unserem eigenen Kopf. Der Algorithmus von Facebook verstärkt den Effekt allerdings erheblich, indem er ihn automatisiert und kollektiviert. Der Konsum von Informationen wird auf Facebook zum sozialen Happening. Selbst wenn mein Nachrichtenmenü auf Facebook einigermaßen ausgewogen ist, werde ich mich in meinem Weltbild nicht so schnell erschüttern lassen, wenn ich für die Ablehnung unbequemer Positionen permanent Bestätigung durch mein Umfeld erfahre.
Hass schafft Gemeinschaft
In Facebook-Gruppen mit 23.000 „AfD-Sympathisanten“, die pausenlos die Nachrichten der Tagesschau als Fake News brandmarken, für gemeinsame Feindbilder eine Sprache wie „rot-grün versifft“ oder „Kanzlerdiktatorin“ pflegen, entsteht ein Gefühl der Stärke und der Gemeinschaft – die anderen sind Fake News, wir sind True News. Diese Potenziale nutzt die AfD. Die Partei hat aus einer zerstreuten Menge von politisch Unzufriedenen eine vernetzte Gemeinschaft gemacht. Das ist das digitale Volk der AfD.
Die AfD verlässt sich aber nicht allein auf diese große, halb künstlich, halb sozial erzeugte öffentliche Bestätigungskammer. Viele AfD-Spitzenpolitiker haben sich auch eigene Meinungsmedien geschaffen. Frauke Petry etwa verantwortet den Blauen Kanal. „In diesem alternativen Medium findet der Leser Zeitgeiststörungen aller Art (...) und wahrscheinlich kein einziges Gendersternchen“, so die Selbstbeschreibung. Petrys Mann, Marcus Pretzell, darf hier erläutern, warum „freie Bürger ein Recht auf freie Waffen“ hätten. Zugleich ist die Seite Bindeglied in das parteiunabhängige Medienuniversum der Neuen Rechten. So erschien auf dem Blauen Kanal im Mai 2017 ein mehrteiliges Interview mit Felix Menzel, Herausgeber des Magazins Blaue Narzisse, das rechtes Gedankengut für junge Menschen aufbereitet.
Zum neurechten Mediensystem gehört auch die Wochenzeitung Junge Freiheit. Die Sezession, Zeitschrift und Online-Blog der rechten Denkfabrik „Institut für Staatspolitik“, rühmt sich damit, Vordenker der AfD und „anderer Widerstandsprojekte“ zu sein. Martin Sellner, der Kopf der Identitären Bewegung in Österreich, sieht auch Blogs wie den von Roland Tichy (Tichy’s Einblick) als Einfallstore neurechten Denkens. Es finde „ein reger Ideenschmuggel ins Zentrum der Meinungsmacht statt“, meint Sellner.
Götz Kubitschek, Herausgeber der Sezession, sieht die Funktion der rechten Alternativmedien darin, „Metapolitik“ zu machen. Über die Veränderung von Kommunikationsmustern im vorpolitischen Raum soll ein kultureller Wandel eintreten, der völkischen Nationalismus und ethnische Homogenität zur Norm macht. Das Ziel ist also eine rechte Kulturrevolution. AfD-Politiker wie Björn Höcke oder André Poggenburg sind politische Agenten einer rechten Revolution. Im AfD-Internet sind die Verbindungen zwischen Partei und neurechter Bewegung klar zu sehen. Und sie werden aus strategischen Gründen weit in eher bürgerlich-konservative Kreise gezogen, die mit rechtsextremer Ideologie wenig am Hut haben. So gehen die Verbindungen des digitalen AfD-Netzwerks bis in Facebook-Gruppen von „Bürgerwehren“ hinein, die sich in den letzten Jahren gründeten und mitunter ebenfalls Vernetzungsgruppen mit bis zu 20.000 Mitgliedern aufgebaut haben.
In den parteigebundenen Alternativmedien und den sozialen Medien hat sich eine neue Wählerklientel gebildet, das digitale Volk. Es wird getrieben durch die Logik des Netzes – und seine Einflüsterer. Als solchen hat die AfD nun für den Schlussspurt des Wahlkampfs die US-amerikanische Digitalagentur Harris Media angeheuert – früher für Trump und UKIP tätig. Die AfD hat verstanden: Für sie entscheidet sich die Wahl auch im Netz.
Kommentare 6
Der Eingangsbeitrag ist das typische Beispiel dafür, wie ein im Virtuellen Verhafteter das Politische nur mit dem virtuellen Auge sieht. Es ist scheizzegal wie und warum wer was wie macht um Aufmerksamkeit zu erregen.
Aufmerksamkeit wollen alle erregen und tun das auch mit Wahrheiten, Halbwahrheiten, Verschleierungen und Fake-News. Warum sprechen die Erklärbären des nach rechst Driften nur mit solchen banalen Auusagen, wie die AfD hat sich eine paralelle Welt der Nachrichten etc. geschaffen. Gibt es Sputnik News, RT nicht ? Gibt es Fox News uvm nicht ?.
Hallo , meint der Erklärbär der Bürger wäre doof und könnte da die Dinge nicht einordnen. Der Erklärbär kann die Dinge nicht eiordnen. Es gibt eine "Wut", es gibt ein Unbehagen, es gibt eine Zukunftsangst. Diese abzubauen fällt den politsch Agierenden heute sehr schwer.
Die Angst vor Altersarmut z.B. bekämpf man nicht mit dem Geschwafel seitens der etablierten Parteien, sondern mit der Zusage den Bundeszuschuß in die Rentenkasse um 50 % des Rentensockels schlucksesive aufgestockt wird, so nur als Beipiel.
Kasperle-Theater sind diese ständige Erklärungsversuche die da Rechstdraußen zu virtuellen Riesen aufzupusten .
Immer dran denken, falsche Antworten, fehlgeleitete Klicks zeigen nicht, dass die Fragen, die im politischen Raum auftreten, falsch sind.
Alternativmedien/soziale Medien vs. Hofjournaille
»Die Partei [AfD] hat aus einer zerstreuten Menge von politisch Unzufriedenen eine vernetzte Gemeinschaft gemacht. Das ist das digitale Volk der AfD.«
Na, das ist doch mal ne Aussage! Und vermutlich ist sie auch noch richtig. Doch stellt sich die Frage, warum z. B. der Partei DIE LINKE nicht ähnliches gelungen ist. Ist die nur zu dämlich? Der Autor tut so, als stünden Facebook & Co und der Algorithmus nicht auch den anderen Parteien zur Verfügung.
Was »das digitale Volk der AfD« verbindet, ist offensichtlich ein gemeinsames Medium mit dem Namen Hass.
Wenn es richtig ist, dass die AfD das Hasspotenzial der Bevölkerung aufgreift und manipuliert, stellt sich folgerichtig doch zusätzlich die Frage nach der Genese dieses Hasspotenzials.
Und die hat ganz viel mit der ignoranten, der systemdevoten Haltung der There Is No Aternative-Politiker wie Angela Merkel, Martin Schulz, Cem Özdemir und neuerdings auch wieder Christian Wolfgang Lindner zu tun.
Spätestens seit der AGEND 2010 betreiben sie bekanntlich systematischen Besitzstandsklau und Prekarisierung der Bevölkerung, während es Finanzwirtschaft und multinationalen Konzernen gleichzeitig devot die Wege für deren Beutezüge ebnet. Das erzeugt Kollateralschäden, die AfD-Gesinnung zum Beispiel.
Und noch etwas: Das hier bemühte »digitale Volk der AfD« bezeichnet in Wahrheit eine real existierende Population von Bürgerinnen und Bürgern – ist also keine abstrakte Größe.
Wenn uns der Autor ferner mitteilt,
»in den parteigebundenen Alternativmedien und den sozialen Medien hat sich eine neue Wählerklientel gebildet, das digitale Volk. Es wird getrieben durch die Logik des Netzes – und seine Einflüsterer«,
so kann ich angesichts der ansonsten vorherrschenden und uns alle überflutenden Hofjournaille nur sagen – gut so! Bravo!
Donald Trump hat uns im Interview mit „Bild“-Zeitung und „Times“ wissen lassen:
»Ich habe im Moment 46 Millionen Follower – das ist viel, das ist wirklich viel –, aber 46 Millionen, inklusive Facebook, Twitter und Instagram. Also wenn man sich überlegt, dass da deine 46 Millionen sind, lasse ich das lieber anwachsen und behalte @RealDonaldTrump bei, das funktioniert. Und das Twittern? Ich dachte, ich würde es zurückschrauben, aber die Presse berichtet so unehrlich über mich – so unehrlich –, dass ich mich über Twitter äußere. Und es sind nicht 140 Zeichen, es sind jetzt 280 – ich kann bing, bing machen und mache einfach weiter und sie veröffentlichen es, sobald ich es twittere.«
Alternativmedien/soziale Medien vs. Hofjournaille – auch hier besteht ein signifikanter Zusammenhang.
Das mag alles zutreffen, und ich stelle auch keinen der beschriebenen Mechanismen in Zweifel. Umgekehrt ist die »Schuldverteilung« im Artikel auch ebenso simpel – indem sie die Ursache der aktuellen rechtspopulistischen Malaise allein in deren perfider Ausnutzung der Social Media-Möglichkeiten verortet.
Dazu nur eine kleine Beobachtung: Im BTW 2013 waren alle wahlwesentlichen Parteien mit Wahlständen in ihren jeweiligen Vierteln präsent. Im aktuellen Wahlkampf ist mir, Innenstadt abgesehen, keinerlei (!!) Wahlkampf-Präsenz vor Ort aufgefallen. Was lässt sich daraus schließen? Ein Schluss meinerseits ist der, dass alle – Grüne, Linkspartei und FDP ebenso wie CDU und die angeblich besonders volksnahe Schulz-Partei – der Ansicht sind, dass wohlplatzierte Will-Talks, Plakate sowie ein wohlgepflegter Twitter- bzw. Facebook-Account ausreichen, die Parteibotschaft unters Wahlvolk zu bringen. Anders gesagt: Reinen Internet-Wahlkampf betreibt nicht nur die AfD, sondern ebenso alle anderen. Anführen zu ihrer Entlastung kann man allenfalls den Umstand, dass die Etablierten weniger auf »Fake News« setzen als vielmehr die altbekannte Waschmittel-Werbung mit Wohlfühl-Slogans und gephotoshoppten Kandidatenbildern.
Ein weiterer Punkt ist die medienseitig beklagte Ununterscheidbarkeit der zur Wahl stehenden Alternativen. Ein Zustand, der andererseits von sämtlichen Akteuren auf das Alleraktivste mitbefördert wird. Zusätzlich befördert wird die Infantilisierung des Wahlkampfs durch die allseits präsente »Umfrageritis« – fortgesetzt im großen TV-Finale am Sonntag, bei dem auch dieses Mal der eigentliche Wahlakt lediglich den Zweck erfüllen wird, die große Show der aktuellen Umfragen mit ein paar zweitrangigen Zahlen zu unterfüttern. Inwieweit diese mediale Abwertung des eigentlichen Abstimmungs-Vorgangs zu Demokratieverdrossenheit führt oder gar zur AfD, kann ich schlecht beurteilen. Allerdings wage ich die Prognose, dass auch die »Cloud« der professionellen Vorherseher™ am Sonntag die ein oder andere Nachhilfestunde in Lebensnähe erhält.
Social Media-Nutzer als digitales Volk zu titulieren, ist irreführend. Die bezeichnete Gruppe besitzt nicht die semantischen Merkmale des Volksbegriffs. Es handelt sich lediglich um Communities, die eine spezifische Art der Kommunikation eint. Social Media stellen einen wichtigen Distributionskanal für Messages dar, verleihen aber nicht einer Gruppe von Personen den Status eines digitalen Leviathans. Die Trennung von digitalen und realen Personen ist nicht haltbar, suggeriert jedoch, dass man das aufgeführte Problem nur im virtuellen Raum in den Griff bekommen kann. Was Strategie betrifft:
1) Fokus auf Social Media-und Real Life-Kommunikation - Koppelung
2) Entwicklung einer schlagkräftigen Konterkommunikationsstrategie
»Entwicklung einer schlagkräftigen Konterkommunikationsstrategie«
Wow – ein wahrlich imponierender Vorschlag.
Können Sie uns den an einem praktischen Beispiel der jüngeren Geschichte verdeutlichen, an einem Beispiel im Übrigen, das die erwünschte Wirkung erzielte? Mir fällt dazu nur die Trumpstrategie mit 46 Millionen Followern ein. Oder sollte etwa das gemeint sein, was man altmodisch Revolution nennt?
Außerdem halte ich es für verwegen, zwischen Social Media- und Real Life-Kommunikation zu unterscheiden: Social Media sind Bestandteil der Real Life-Kommunikation und werden von Real Humans gestaltet.
Social Media sind lediglich eine der aktuellen Varianten in der Massenkommunikation und ermöglichen es der ansonsten eher ausgelieferten Klientel, der indoktrinierenden und allgegenwärtigen Hofjournaille etwas entgegenzusetzen.
Herrje, Herr Hillje. Ich fasse zusammen: 1.) Die AfD hat die größte digitale Kompetenz aller politischen Parteien, und gehört schon alleine deswegen vor der FDP in den Bundestag gewählt. 2.) Was beim Freitag ganz harmlos unter "Aufbau" einer "digitalen Community" betrieben wird, ist bei der AfD die "Zucht" eines "digitalen Volkes". 3.) Tagesschau und heute-Nachrichten dienen der Massenspaltung.