Das Diplom soll wieder her

Rückrufaktion Protektionismus gegen „Micky-Maus-Abschlüsse“: Mit starken Worten und deutschen Gefühlen wird für die Wiederkehr des im Bologna-Prozess abgeschafften Titels gekämpft

Der vermeintliche Etappensieg auf dem Weg zur Abschaffung der ungeliebten Bachelor- und Master-Studiengänge, der kürzlich auf den Bildungsseiten der Tageszeitungen annonciert worden war, hat sich als Luftnummer erwiesen: Die angekündigte Rückkehr des Diploms an die Technischen Universitäten soll, darin bekunden mittlerweile alle Protagonisten Einigkeit, keine Abkehr vom Bologna-Prozess einleiten.

Im Gegenteil dient sie einzig und allein dem Zweck, Deutschland im Rahmen der durch Bologna geschaffenen „europäischen Bildungslandschaft“ eine Sonderstellung zu sichern und es gegen ausländische Konkurrenz, ins­besondere aus den USA, aber auch aus den technologisch fortgeschrittenen asiatischen Ländern, zu schützen. Mit dem Diplom, dessen Renommee von studentischen Bildungsstreikkomitees ebenso euphorisch gepriesen wird wie von Bildungsministerin Annette Schavan, soll innerhalb der neuen, modularisierten Studienstruktur eine Bildungsmarke kreiert werden, für die Deutschland das Monopol reklamiert. Nicht um die Sicherung der Freiheit von Forschung und Lehre oder um Wahrung von Bildungsstandards geht es, sondern um bildungspolitischen Protektionismus.

„Deutsches Markenzeichen“

Das Bündnis TU9, das die Rehabilitierung des Diplomabschlusses forciert hat, ist schon früher durch nationalistische und protektionistische Töne aufgefallen. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von neun Technischen Universitäten – unter anderem aus Aachen, Berlin, Darmstadt, München und Karlsruhe –, der sich die Verteidigung des Grades „Dipl.-Ing.“ als „deutsches Markenzeichen“ und „Alleinstellungsmerkmal“ auf die Fahnen geschrieben hat. Obwohl es sich als Interessen­vertretung einer bedrohten Minderheit geriert, wird das Bündnis von fast allen Seiten unterstützt. Zu seinen Fürsprechern gehören Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP), der den Diplomgrad in seinem Bundesland schon länger als Äquivalent zum Master zugelassen hat, sein baden-württembergischer Kollege Peter Frankenberg (CDU), aber auch Frau Schavan, für die der „Diplom-Ingenieur“ ein „Qualitätsbegriff“ ist. Allen geht es nicht um die Ersetzung der BA- und MA-Studiengänge durch den Diplomabschluss, sondern um die konkurrierende ­Einführung des Diploms als deutscher ­Alternative zu Bachelor und Master.

Die Rede vom „Alleinstellungsmerkmal“ macht deutlich, welche Ambitionen hinter dem Projekt stehen. Horst Hippler, Präsident der Karlsruher Technischen Universität und Mitinitiator von TU9, proklamiert, auf das Diplom zu verzichten, „wäre, als ob Mercedes den Stern abschaffen würde“, und ­bezeichnet den „Dipl.-Ing.“ ebenso ­euphemistisch wie überheblich als ­„unsere Übersetzung von Master of ­Science“: „Und gegen eine Übersetzung ins Deutsche wird ja wohl niemand ­etwas einwenden können.“

Der Dekan der Fakultät für Statistik an der TU Dortmund, Walter Krämer, kritisiert BA und MA als „Micky-Maus-Abschlüsse“, die „gesichtslos und nicht zu unterscheiden“ seien. Deutsche Qualitätssicherung statt amerikanische Gesichtslosigkeit: Auf solchem Ressentiment, nicht auf sachlichen Argumenten, fußt die Apologie des Diploms. Kein Wunder, dass der Bund Deutscher Industrie bislang eher Sympathien für den „Master of Science“ bekundet hat. Dessen Vertreter orientieren sich nämlich, so unsympathisch sie sein mögen, eher am ökonomischen Kalkül als an den Leitlinien deutscher Ideologie.

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