Das Kürzel CoP12 klingt nach Polizeiruf 110, nach Agent 007 oder einer ähnlichen amerikanischen Krimiserie. Tatsächlich ist es die Abkürzung für eine internationale Konferenz, die am Freitag in Chile zuende geht. Und sie handelt nicht von der Jagd auf Verbrecher, sondern es wird verhandelt, was ein Verbrechen ist. Die Opfer sind dabei Tiere und Pflanzen. Die Täter: Tierhändler, Touristen, Tropenholzimporteure, Fischer oder jemand, der eine beliebte chinesische Hochzeitssuppe löffelt: Haifischflossensuppe.
20.000 Haie für Gourmets
Irgendwo im pazifischen Ozean, zum Beispiel auf den Kokosinseln, trocknen die Haifischflossen in langen Reihen in der Sonne. Der Rest des Hais wird häufig gleich wieder über Bord geworfen. Wenn er Glück hat
. Wenn er Glück hat, ist er dann schon tot. Wenn nicht, erstickt er, während er langsam zu Boden sinkt, denn nur das schnelle Schwimmen mit kräftigen Flossen treibt genügend Sauerstoff in seine Atemkiemen. Tonnenweise werden die Flossen exportiert, Milliarden Dollar damit umgesetzt. Randall Arauz von der Naturschutzorganisation WildAid berechnet, dass 20.000 Haie pro Monat sterben, wenn nur 150 Tonnen Flossen "produziert" werden: "Dabei handelt es sich vermutlich überwiegend um Haie, die noch nicht geschlechtsreif sind." Wenn den Haien keine Zeit bleibt, sich zu vermehren, sterben nicht einzelne Tiere, sondern dann gehen ganze Arten zu Grunde.Sollen also weiter Haie durch den Ozean schwimmen, muss der Verkauf von Flossen durch ein Handelsverbot reduziert werden. Bekannte Güter, die nach Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) nicht auf den freien Markt gelangen dürfen, sind Großpapageien, Krokotaschen, Schildkrötenpanzer, Elfenbein und Walfleisch.CITES:Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, auf deutsch als Washingtoner Artenschutzabkommen (WA) bezeichnet. 1973 unterzeichnet mit inzwischen 160 Mitgliedstaaten. Alle zweieinhalb Jahre findet eine Konferenz der Mitgliedstaaten Conference of the Parties CoP statt, die über die Anträge einzelner Mitgliedsstaaten entscheidet. Die Anträge befassen sich mit der Neuaufnahme einzelner Arten oder Artengruppen oder mit der Statusänderung für schon eingestufte Arten. Es gibt drei Klassen von Handelsbeschränkungen: Arten in Anhang I sind vom Aussterben bedroht und dürfen international gar nicht gehandelt werden. Anhang II ermöglicht einen begrenzten Handel, wenn die Populationen wissenschaftlich überwacht werden. Anhang III umfasst Arten für die einzelne Mitglieder eine Handelsbeschränkung eingerichtet haben, ob ein Individuum oder ein Produkt daraus bewegt werden darf, hängt also rein von der Herkunft ab. IUCN: International Convention for the Conservation of Nature, Weltnaturschutzorganisation, führt die rote Liste für vom Aussterben bedrohte Tierarten und beteiligt sich mit dem WWF (World Wildlife Fund) an TRAFFIC (Trade Records Analysis of Wild Flora and Fauna in commerce), einer Organisation zur Beobachtung und Kontrolle des internationalen Handels mit wild lebenden Tieren und Pflanzen. IWC: International Whaling Comission, Gremium mit derzeit 49 Mitgliedstaaten, das die Regulierung des Walfangs überwacht. Internetadressen: www.cites.orgwww.iucn.orgwww.traffic.orgwww.iwcoffice.orgElefanten und Meeressäuger sind die Lieblingskinder der Berichterstatter, wenn es um Artenschutz geht. Beliebt ist auch der mystifizierte Delfin. Nicht erst seit Flipper, obwohl die Kinderserie ganze Generationen geprägt hat. Auch Bernhard Grzimeks Serengeti darf nicht sterben wühlte die Fernsehnation auf. So erwarb sich der Artenschutz eine Öffentlichkeit, wurde gefordert und gefördert. Dabei gilt bis heute: Meeressäuger und große Steppentiere sind nicht nur bildfüllend, sondern auch possierlich und haben ein reizendes Sozialverhalten. Wer das nicht aufweisen kann, hat es schwer, in der Öffentlichkeit als bedrohte Art wahrgenommen zu werden.Im Schatten großer TiereEin solches Schattendasein führten beispielsweise die Tillandsien. Tillandsien sind mittel- und südamerikanische Pflanzen, grau-grün, mit langen dünnen, sehr festen Blättchen, manche nur ein paar Zentimeter groß und sie wachsen epiphytisch, das heißt sie sitzen auf anderen Pflanzen. Dort sind sie im dichten Wald dem Licht näher. Wasser und Nährstoffe gewinnen sie statt über Wurzeln aus der tropisch feuchten Luft. In den achtziger Jahren wurden sie in Europa als bizarr anmutender Zimmerschmuck modern. Prinzipiell klappt das Überleben auch hier, wenn die Unterlage ein Stein ist, die Pflanze regelmäßig mit Wasser eingesprüht wird und die Luftfeuchtigkeit stimmt. Doch spätestens vor trockener Heizungsluft kapituliert das tropische Pflänzchen. Der Eigentümer bemerkt erst spät den Unterschied, denn grau sehen Tillandsien immer aus, egal ob tot oder lebendig. In ihren südamerikanischen Heimatwäldern sind einige Arten inzwischen selten geworden. Daher beschränkt CITES seit 1992 den Handel mit Tillandsien. Obwohl nicht die ganze Gattung, sondern nur einige Arten im Anhang II (vgl. Kasten) des Abkommens aufgenommen wurden, hat sich der Handel insgesamt auf einen Bruchteil der achtziger Jahre reduziert.Die Zuordnung einzelner Arten wurde in den letzten zwei Wochen neu verhandelt. Fast 160 Staaten beteiligen sich an CITES und klären die aktuellen Handelsbeschränkungen, die von einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden müssen. Ein nicht immer einfaches Verfahren: Ein Streitfall in diesem Jahr war der großblättrige Mahagoni. Bisher beschränkten nur Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Costa Rica, Mexiko und Peru die Ausfuhr nach eigenem Gutdünken. Dieser Baum liefert hochwertiges Holz für Möbel, allerdings wird er dafür im besten Alter gefällt, mit etwa hundert Jahren, wenn er gerade mit großer Samenproduktion für ausreichend Nachwuchs sorgen könnte. Das Fällen der alten Bäume verhindert die Verjüngung des Bestandes. Außerdem gibt es die beim Raubbau an Tropenholz üblichen Probleme: Ein Viertel des Holzes bleibt ungenutzt im Wald liegen, und mehr als ein Drittel geht bei Transport und Verarbeitung verloren. Weltweit kommen 150.000 Kubikmeter Holz des großblättrigen Mahagoni in den Handel, davon nimmt Europa etwa 10.000 Kubikmeter ab. Die Behörden Costa Ricas schätzen, dass der illegale Einschlag etwa doppelt so hoch ist. Nicaragua und Guatemala haben nun zum wiederholten Mal den Antrag gestellt, den großblättrigen Mahagoni in eine höhere Schutzstufe, den Anhang II, einzuordnen, während Brasilien alles beim Alten lassen will.Teures ElfenbeinIn Südafrika lagern derzeit an die 5.000 Elefantenstoßzähne, die seit dem Verbot des Elfenbeinhandels 1989 ihrem Schicksal harren. Als "weißes Gold" war Elfenbein bis dahin vor allem von afrikanischen Staaten in alle Welt exportiert worden. Der Gewinn war so gigantisch, dass in den achtziger Jahren rund 700.000 Dickhäuter legalen Jägern und illegalen Wilderern zum Opfer fielen und sich der Bestand auf dem schwarzen Kontinent dramatisch verringerte. Das Handelsverbot für Elfenbein war dann so erfolgreich, dass sich die Populationen heute bei etwa einer halben Million stabilisiert haben. Dies ist für fünf afrikanische Staaten - Südafrika, Sambia, Namibia, Botswana und Simbabwe - Anlass, in Chile auf eine Lockerung des Verbots zu dringen. Sie argumentieren damit, dass die Dickhäuter mittlerweile mancherorts eine Bedrohung für die Vegetation darstellten und der Erlös aus dem kontrollierten Handel den Naturschutzbehörden zu Gute kommen könnte. Doch nicht überall auf dem Kontinent stößt dieser Vorstoß auf Unterstützung. Kritiker befürchten, dass sich im Schatten des legalen Handels ein blühender Schwarzmarkt für Elfenbein entwickelt. Auch Indien, wo Hunderttausende von Elefanten dem Elfenbeinhandel zum Opfer fielen, gehört zu den Gegnern der Liberalisierung. Quelle: dpa/FRCITES besteht seit 1973. Erste länderübergreifende Abkommen und Handelsbeschränkungen gab es schon Anfang des 20. Jahrhunderts. 1911 schlossen Russland, Japan, die USA und Großbritannien den Beringsee-Vertrag ab, mit dem Seebären und Seeotter vor der Ausrottung durch Pelzjäger geschützt werden sollten. Bald reichten die Einzelabkommen nicht mehr aus, da der Welthandel anstieg und damit die Nachfrage nach exotischen Produkten. Einzelne landesinterne Gesetze hatten keine Wirkung, sobald ein Interesse am Außenhandel bestand.Schon 1825 hatte Simon de Bolivar ein Gesetz zum Schutz des Vikunja erlassen, das eine besonders dichte warme Wolle liefert. Trotzdem musste Südamerikas kleinste Lamaart, die zwischen Baum- und Schneegrenze in den Anden lebt, 1975 als vom Aussterben bedroht eingestuft werden, weil die Tiere von Wilderern getötet wurden. Inzwischen haben alle Populationen in Peru und nun auch Bolivien und Argentiniens den Sprung in Anhang II geschafft. Der Schutz konnte gelockert werden, weil sich die Tiere erfolgreich wieder ausbreiten konnten. Wildtiermanagementpläne und die Rückkehr zur Wollgewinnung, bei der das Tier gefangen, geschoren und wieder frei gelassen wird, haben die Bestände wieder wachsen lassen."In 30 Jahren haben wir erreicht, dass die Population des Vikunjas von wenigen Exemplaren auf fast 20.000 Tiere angestiegen ist, was fast dem Maximum entspricht, das dieses natürliche Habitat in der Region Tarapacá tragen kann", schildert Carlos Weber, Direktor der Corporación Nacional Forestal, einer chilenischen Naturschutzbehörde, den Fortschritt einer einzelnen Population. In Peru gibt es mittlerweile sogar wieder über 200.000 Tiere. Die langsame Öffnung des Handels ermöglicht den Menschen im Andenhochland, das Vikunja nachhaltig zu nutzen, statt es als Nahrungskonkurrenten für Weidetiere und billige Fleischlieferanten zu betrachten.m Bauch des WalesNachhaltige Nutzung - ein nachgerade haltlos benutzter Begriff, der alles bezeichnet, was mit bestandserhaltender Bewirtschaftung zu tun hat. "Ressourcenschonend" ist das andere Modewort auf diesem Gebiet. Und besonders in Sachen Fischerei gibt es darum alle Jahre wieder Streit bei den CITES-Konferenzen.Fische und Wale lassen sich unter Wasser schlecht zählen - wie groß sind also die Ressourcen? Gerade der in Santiago diskutierte Minkwal erschwert die Bestandserfassung dadurch, dass er wandert. Japans Antrag, das generelle Handelsverbot aufzuheben, musste wieder einmal abgelehnt werden. Die internationale Walfangkommission IWC verbietet den Fang, und wenn schon der Fang illegal ist, können die CITES-Länder dem Handel nicht zustimmen, auch nicht nach strengstem Reglement.Norwegen und Japan, die sich dem Fangverbot mit den Begründungen Eigenbedarf und Forschung widersetzen, sind jeweils an ganz unterschiedlichen Walprodukten interessiert: Die Norweger nutzen das Fleisch, die Japaner mögen auch den Walspeck. Der Walspeck auf norwegischen Schiffen darf nicht exportiert werden, was die Jagd auf die Tiere eigentlich unwirtschaftlich macht. Norwegen und Japan möchten nun ein DNA-Register für die gefangenen Wale einrichten, damit ein Nachweis möglich ist, wann und wo legal ein Tier, das in den Handel kommt, erlegt wurde.Von Elefantenkötteln und ähnlichem MistRelativ junge Methoden wie die leichte und schnelle Bestimmung und Vermehrung von DNA-Fragmenten machen bei CITES ständige Neuregelungen nötig. DNA ist ein Bestandteil des Tiers, und ist der Handel mit Tierteilen einer Gattung verboten, gilt das, spitzfindig betrachtet, auch für alles, was DNA enthalten kann. Selbst Fossilien, die unbestreitbar nicht zu retten sind, aber einer geschützten Gattung angehören, dürfen dann nicht ohne Sondergenehmigung über eine Grenze gebracht werden. Das betrifft auch Kot, denn ein Klumpen Elefantendung enthält genetisches Material, weil die breiige Masse, während sie sich durch meterlanges Elefantengedärm wälzt, hier und da Elefantenzellen mitnimmt. Solange der Dung im Elefanten steckt, kein Problem. Aber das Stoffwechselendprodukt zu schützen, wenn es schon am Boden liegt, wäre doch etwas zu viel verlangt. Daher ist die Produktgruppe Kot vom Artenschutz freigestellt - per Ausnahmeregelung. Es gibt auch so genug zu verwalten.Circa 5.000 Tier und 20.000 Pflanzenarten sind in den Anhängen von CITES aufgeführt. Diese Masse ist ein Problem, denn an den Kontrollstellen sitzen nicht Zoologen und Botaniker, sondern Zöllner und Grenzschützer. Die können im Allgemeinen nicht die Artenkenntnis haben, um zu erkennen, ob ein Produkt legal oder illegal ist. Das halbtote Papageienküken in der Kiste ist verdächtig. Aber ob ein ungewöhnlich aussehendes Musikinstrument nun aus einem schnellwüchsigen Eukalyptusbaum von einer Plantage oder aus einem seltenen Kaktusholz gefertigt ist, wer kann das spontan entscheiden? Dennoch beschlagnahmten allein deutsche Zollstellen im letzten Jahr 1.987 Mal Importgut. Die meisten Fälle hat dabei der Zoll am Flughafen Frankfurt am Main aufgespürt - lauter kleine und große Krimis in Serie. CoP12 hat gerade das Drehbuch aktualisiert.
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