Noch winkt Andreas Kalbitz ab. Sein Name fällt in diesen Wochen immer wieder, wenn es um höhere Aufgaben in der AfD geht. Dabei kennen ihn außerhalb Brandenburgs nur wenige. Er gilt als Kronprinz von Alexander Gauland. Den hat der 46-jährige Kalbitz nämlich bereits zweimal beerbt, als Landeschef der Brandenburger AfD und als Fraktionsvorsitzender im Landtag in Potsdam. Bei der Landtagswahl am 1. September tritt Kalbitz als Spitzenkandidat der AfD an. Löst er Gauland nun beim nächsten Bundesparteitag auch als Parteivorsitzenden ab? Dass Kalbitz überhaupt für diesen Posten gehandelt wird, zeigt einmal mehr, wie weit rechts die AfD inzwischen steht.
Kalbitz ist fest verankert in der extremen Rechten, und das seit Jahrzehnten. Er war Mitglied der Republikaner, Vorsitzender des Kulturvereins „Archiv der Zeit“, der von einem SS-Hauptsturmbandführer gegründet wurde, und Autor in extrem rechten Publikationen. Dass Kalbitz bereits vor mehr als 20 Jahren in der rechten Szene jemand war, den man kannte, zeigen Einträge im Thule-Netz, eine Art frühes Internetforum der extremen Rechten. Dort tauschten sich Kameraden im Oktober 1995 darüber aus, ob Kalbitz ein V-Mann sein könnte. Markige Sprüche, „extremes Gehabe“ und ein Hang zum Absingen verbotener Lieder hatten einen User stutzig gemacht. Ein anderer sprang Kalbitz bei. Er riskiere zwar eine kesse Lippe und singe auch mal ein „unkoscheres Lied“, aber nur, wenn er sich sicher wähne. Und weiter: „Ich traue ihm jedoch zu, zu wissen, wo das geht und wo nicht!“
Ein komplettes Bild von Kalbitz’ Vergangenheit gebe es bisher noch nicht, sagt Christoph Schulze, der am Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam zu Rechtsextremismus forscht. Aber die bekannten Puzzlestücke sind aussagekräftig: „Kalbitz kommt aus einem Kernmilieu des deutschen Rechtsextremismus.“ Einem Milieu, das bis ins neonazistische Spektrum reicht.
Im März letzten Jahres kam ein Video an die Öffentlichkeit, das Kalbitz auf einem Camp der inzwischen verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ zeigt. Ihm sei die Teilnahme nicht mehr erinnerlich, antwortete Kalbitz dem RBB auf die erste Anfrage. Als ihm Fotos präsentiert wurden, fiel ihm dann doch ein, dass er beim Pfingstcamp im Jahr 2007 zu Gast war, „mutmaßlich, um mir das mal anzuschauen“, wie er sagte. Und auch publizistisch schaute er sich gerne mal um, etwa beim Fritz, der Mitgliederzeitung der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO). Dort klagte er 2003, zu einer Zeit, als die JLO bereits wesentlich neonazistisch geprägt war, gewisse zwölf Jahre würden als 99 Prozent deutscher Geschichte begriffen, ein „Bewusstseinsethnozid in den Köpfen der bundesrepublikanischen Jugend“. Heute würde er das wohl nicht mehr so sagen. Klare Distanzierungen sucht man bei Kalbitz allerdings vergebens.
Christoph Schulze findet das konsequent, denn von einem ideologischen Bruch kann bei Kalbitz nicht die Rede sein. Der Rechtsextreme der 1990er Jahre stehe nun einem Landesverband der AfD vor, der unter dessen Führung klar rechtsextrem ausgerichtet sei, so Schulze. Ähnlich wie bei Björn Höcke in Thüringen. Gemeinsam mit Höcke führt Kalbitz auch den völkisch-nationalistischen „Flügel“ und möchte die AfD weiter in Richtung „Bewegungspartei“ ausrichten, die eng mit der außerparlamentarischen extremen Rechten zusammenarbeitet. Er propagiert den Schulterschluss mit Pegida und Co., ruft für das Kampagnennetzwerk „Ein Prozent“ zur Wahlbeobachtung auf; zum neurechten Institut für Staatspolitik um Götz Kubitschek pflegt er einen guten Kontakt.
Im Gegensatz zu seinem engen Mitstreiter Höcke hat er aber nicht das Format zum Seelenstreichler der „Flügel“-Anhänger. Das wurde einmal mehr beim Kyffhäusertreffen im Juli deutlich. Er hielt seine Rede frei, frei von Skript und jeglicher Struktur. Er wirkte fahrig. Die richtigen Schlagworte fand er dennoch: Heimat, Identität, Grenzen. „Das ist mein Land – da steh ich drauf oder ich liege drunter.“ Und er, der in München Geborene, bekommt es auch mit halber Aufmerksamkeit hin, an ostdeutsches Kollektivwissen anzuknüpfen: „Wir werden im Osten die Sonne aufgehen lassen, damit sie am Schluss über ganz Deutschland scheint“, so Kalbitz’ Reminiszenz an die DDR-Hymne, das alles unter dem Banner „Der Osten steht auf“.
Kalbitz ist zwar weniger bekannt als Höcke , fällt weniger mit markigen Reden auf, gemäßigter ist er aber gewiss nicht. Höcke und Kalbitz funktionieren als Duo so gut, weil sie sich die Aufgabenbereiche aufteilen. Höcke gibt den Volkstribun, verantwortlich für Propaganda und auch mal fürs Konzeptionelle. Kalbitz wirkt vor allem nach innen, hemdsärmelig und wenn es sein muss auch mit harter Hand. Von Facebook, Twitter und WhatsApp hält Kalbitz sich weitgehend fern. In seiner Partei ist er dennoch äußerst gut vernetzt.
In Brandenburg hat Kalbitz gezeigt, dass er nach innen für Ruhe und Ordnung sorgen kann. Er suche sich Leute, die er im Griff habe, sagt Steffen Königer, noch Mitglied des Landtages, mittlerweile aber fraktionslos, nachdem er voriges Jahr aus der AfD ausgetreten ist. „Im Landesvorstand und in der kommenden Fraktion fressen ihm alle aus der Hand, weil sie ihm mehr oder weniger ihr Mandat verdanken“, so Königer. In den Fraktionsräumen verhalte sich Kalbitz, der frühere Zeitsoldat, wie ein Feldwebel, behandele Menschen wie Rekruten. „Wer nicht 110 Prozent gibt, wird auch mal angebrüllt.“
Solch Führungsstärke ist auch außerhalb Brandenburgs gefragt. Kalbitz, der Stratege und Strippenzieher, agiert je nach Umfeld. Und er plant langfristig. Kalbitz weiß, wann er was sagen kann und wann nicht.
Kommentare 6
Heinrich! Mir graut's vor dir.
Ach du Sch.... Der sieht ja wirklich aus wie Heinrich Himmlers Enkel.
Naja, ohne Merkelismus und wachsende Unwählbarkeit der Union für viele frühere Stammwähler wäre derselbe Kalbitz noch in der CSU (der jüngster Delegierter er einmal war) und derselbe Höcke noch in der CDU. Und das politische System würde noch funktionieren...
Jetzt steht es in mindestens zwei ostdeutschen Bundesländern kurz vor dem Kollaps.
Es ist schon ulkig: Man will aus der Geschichte lernen und macht es sehenden Auges schlechter als Weimar. Dieses scheiterte wesentlich daran, dass es trotz aller Bemühungen mißlang, die Rechte politisch einzubinden, worauf diese schließlich durchzog. Die Spätphase der goldenen Zwanziger versuchte durch die Mitte-Rechts-Regierung unter Einbeziehung der DNVP möglichst viele Bürger hinter die Republik zu bringen. Das war der richtige Ansatz und es scheiterte erst, als diese Partei mit Hugenberg einen Vorsitzenden wählte, der die Partei auf eine Art bürgerlichen NS-Kurs trimmte.
Aber man hatte es wenigstens probiert und das Scheitern lag nicht an denen, die es versucht hatten.
In der Bundesrepublik hingegen versucht man es ausdrücklich und sehenden Auges nicht, sondern grenzt möglichst breite Schichten zur bösen Rechten (die längst hinein in SPD-Milieus bis zu Sarrazin und Buschkowsky reicht, also riesengroß ist, auch der Helmut Schmidt wäre heute persona non grata) aktiv und sehenden Auges aus. Und der einzige politische Vertreter dieser Leute ist die AfD.
Das ist der Wille und vor allem die Wirkung des Tun aller anderen Parteien.
Am Ende wird es dann keine große Mitte-Rechts-Partei mehr geben, die eine Riesensogwirkung hat und aus Einbindungsgründen auch ein paar politisch bedeutungslose Mitglieder, die an komischen Zeltlagern teilnehmen.
Sondern es wird eine große Rechtspartei, die kaum eine Mitte mehr hat und gegen die irgendwann nicht mehr regiert werden kann, weil man ihr permanent die Wähler zutreibt, worauf schließlich alle anderen Parteien ins Schwimmen geraten, weil sie immer breitere und immer brüchigere Notkoalitionen gegen das selbstgeschaffene Problem eingehen müssen. Die Koalitionsgespräche zwischen der Sachsen-CDU und der Linkspartei werden bestimmt ganz wunderbar...
Der Zug ist vermutlich abgefahren, aber anstatt sich in selbstgerechter Bräsigkeit an irgendetwas zu gruseln, kann man einfach konstatieren, dass ein Kalbitz besser noch - dort politisch eingerahmt - in der CSU wäre und ein Höcke, ebenso eingerahmt, in der CDU.
Dass die Rechten dort zu personae non gratae wurden, kann man ihnen eigentlich nicht vorwerfen. Jedenfalls nicht intelligenterweise. Und schon gar nicht, wenn man funktionierenderweise eine Republik betreiben will (und keinen Sowjetstaat mit marxistischem Demokratiebegriff und Einheitsmenschenkonzept).
Die Unregierbarkeit wird in wenigen Wochen einsetzen.
Gute Nacht, Bundesrepublik!
ach was, trotz drohender rezession(wg. globalem wirtschafts-krieg),
hat weder eine anti-parlamentarische linke,
noch eine strenge rechte(mit anti-establishment-ideologie)
einen zugang zur regierung.
diese wird aus koalitions-bereiten/-genötigten parteien
bestehen, die frauen- und jugend-stimmen
in diversen schattierungen versammeln.
nächtlicher spuk tobt woanders.
»Es ist schon ulkig: Man will aus der Geschichte lernen und macht es sehenden Auges schlechter als Weimar. Dieses scheiterte wesentlich daran, dass es trotz aller Bemühungen mißlang, die Rechte politisch einzubinden, (…)
Die Unregierbarkeit wird in wenigen Wochen einsetzen. Gute Nacht, Bundesrepublik!«
Mal abgesehen von dem famosen Geschichts-Altomortale, dass die Nazis aufgrund der Blockade-Haltung der Rechtsbürgerlichen an die Macht gekommen seien: Dass Sie sich mit Ihrer Pro-AfD-Stimmungsmache (derzufolge AfD-Rechtaußen Kalbitz so etwas wie ein verirrter CDUler ist, den die Christlich-Konservativen nur nicht richtig eingerahmt hätten) mal nicht verkalkulieren. Ich sehe hier Ihre AfD kielunter gen Ostsee-Grund sinken und eher eine RRG-Regierung als wahrscheinlich denn eine irgendwo nach rechtsaußen ausschlagende Koalition. Wobei sich auch die brandenburgische CDU sicher nicht auf ein Bündnis einlassen würde mit einer Partei, deren Landeschef auf NPD-nahen Treffen am Lagerfeuer gesessen hat.
Abgesehen davon ist mir Ihr hämischer Kommentar zur NS-erzwungenen Emigration Sigmund Freuds nach GB ebenfalls äußerst unangenehm aufgestoßen. Von einer Meldung bei der On-Red hatte ich nach kurzem Abwägen zwar Abstand genommen. Zu sicher fühlen würde ich mich an Ihrer Stelle allerdings nicht. Eher prophezeie ich Ihnen als grundsätzlich recht meinungsoffener Forist, dass nach einem weiteren »(m)ausrutscher« dieses oder vergleichbaren Kalibers Schluss ist mit Ihrer dFC-Karriere. Whataboutism über Nazis & Co. brauchen wir hier nicht – was übrigens auch in den Netiquette entsprechend erläutert ist.
mfG Richard Zietz
"On-Red"
Der war gut!