Das Gebrüll der Bodenwertbesitzervertreter

Wohnen Eine kleine Steuer-Idee der SPD erzeugt großes Tamtam. Dabei wäre ihre Umsetzung durchaus sozial
Ausgabe 02/2020
Der Vorschlag von Norbert Walter-Borjans lässt hoffen, dass sich die SPD wieder um sozialen Ausgleich und Umverteilung in die richtige Richtung bemüht
Der Vorschlag von Norbert Walter-Borjans lässt hoffen, dass sich die SPD wieder um sozialen Ausgleich und Umverteilung in die richtige Richtung bemüht

Foto: Odd Andersen/AFP/Getty Images

Kinder sind in der Lage, sich vorzustellen, dass jetzt, in diesem Moment, ihre kleine Welt untergeht. Ihr Gebrüll im Sandkasten angesichts eines Backförmchen klauenden Konkurrenten erreicht in solchen Momenten infernalische Qualität. Da fällt man gern drauf rein. Politiker (mehr -er als -erinnen) sind oft Menschen, die sich diese Fähigkeit bewahrt haben. Und unsere Reflexe ähneln dann denen der Eltern am Rande des Spielplatzes, darauf hoffend, dass die Kleinen ihre Konflikte irgendwie selbst regeln.

Die SPD, namentlich deren Co-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans, hat einen kleinen, aber vernünftigen Vorschlag unterbreitet, der mit dem Wortungetüm „Bodenwertzuwachssteuer“ beschrieben ist. Mit ihr wäre intendiert, den leistungslosen Wertzuwachs von Grund und Boden (zum Beispiel, wenn sich eine alte Brache plötzlich zum Filetstück mausert) ein wenig abzuschöpfen. Die Einnahmen sollen an die Kommunen gehen. Die wiederum könnten sie dann für den Bau von bezahlbaren Wohnungen verwenden. Zu zahlen hätten die Steuer jene, die ein Grundstück verkaufen, dessen Wert ohne eigenes Zutun massiv gesteigert wurde.

Es wäre falsch, diejenigen, die das tun, Spekulanten zu nennen. Aber sagen wir mal so: Von den 0,001 Prozent der Bevölkerung, die von der vorgeschlagenen Steuer, die einmalig zu entrichten ist, betroffen wären, könnte der eine oder die andere genau auf diesen Wertzuwachs spekuliert haben. Das ist im Kapitalismus nicht verwerflich, sondern entspricht seinem Wesen und Sein.

Die CDU hat die Steuer sofort als „Investitionshemmnis“ bebrüllt und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf ihr infernalisches Protestgeheule. So muss sie uns auch gar nicht erst erklären, warum es denn in all den Jahrzehnten ohne diese Steuer nicht zu ausreichenden Investitionen gekommen ist. Unionsfraktionsvize Ulrich Lange sagt, die Steuer werde Neubau unattraktiv machen. Komme sie, würden die Mieten steigen. Vielleicht, weil er es selbst so handhabte – Kosten auf die abzuwälzen, die es sich zwar nicht leisten können, aber auch keine Wahl haben.

Die FDP, deren Backförmchen immer größer und schöner ist als das der anderen, schreit, nun würden Grundstückseigentümer pauschal als Spekulanten diffamiert und mit einer Steuer bedroht. Steuern, Bedrohung, Diffamierung – dieser Dreiklang wiederum sagt einiges über die Denkhaltung der Freien Demokraten und nichts über den vernünftigen Kern des SPD-Vorschlags. Sie alle verschweigen, dass die Bodenwertzuwachssteuer tatsächlich nur jene Eigentümerinnen und -er beträfe, die verkaufen.

Die SPD hat sich auf einen Vorschlag besonnen, den sie bereits in den 1970er Jahren unterbreitet hatte. Und mit der 2019 beschlossenen Neuregelung der Grundsteuer C, die 2025 in Kraft tritt – ein erhöhter Hebesatz der Kommunen auf baureife Grundstücke als Druckmittel für den Neubau –, hat Olaf Scholz diesen Vorschlag zum Teil umgesetzt. Für die SPD gilt sowieso, dass ein Blick in die alten Papiere guttäte, weil er zum Vorschein brächte, was sie mal war und vielleicht wieder sein könnte. Eine Partei, die sich um sozialen Ausgleich und Umverteilung in die richtige Richtung bemüht. Die Abschöpfung planungsbedingter Wertzuwächse, für die man keinen Finger gerührt hat, wäre ein winziger, aber schöner Schritt. Bislang sind alle parlamentarischen Vorstöße in diese Richtung gescheitert. Die Große Koalition ist ein Garant dafür, dass es so bleibt. Was folgt daraus?

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