Das High-Tech-Flaggschiff braucht Wasser unterm Kiel
Marktsättigung in der PC-Branche Der rasante Wechsel von einer Geräte-Generation zur nächsten gehört der Vergangenheit an - alles wartet auf den nächsten Technologiesprung
Im Herbst 2000 begannen die Hiobsbotschaften, die sich bis heute fortsetzen: Hewlett Packard (HP) meldete für den November 62 Prozent Wachstum bei PCs und sogar 164 Prozent bei Notebooks (jeweils im Vergleich zum Vorjahr), aber die Gewinnmarge halbierte sich auf 3,7 Prozent. Die US-Firma Gateway machte im Weihnachtsgeschäft 2000 zehn Prozent weniger Umsatz als im Vorjahr. Und der US-Marktführer und Direktvertreiber Dell geht künftig nur noch von einstelligem Wachstum aus. Compaq schließlich buchte für das erste Quartal 2001 reduzierte Gewinne und einen PC-Lagerbestand von über zehn Wochen. Apple meldete erstmals wieder Verluste, nachdem die Runderneuerung der eigenen Fertigung die Firma vor drei Jahren vor dem Aus bewahrt hatte.
Doch der Einbruch auf dem P
ahrt hatte.Doch der Einbruch auf dem PC-Markt kam alles andere als überraschend. Zwar gab es noch im Sommer 2000 Erwartungen, der Absatz werde sich von 115 auf 200 Millionen Geräte im Jahr 2003 verdoppeln und damit weiter hohe zweistellige Wachstumsraten sichern. Aber schon 1998 gab es Warnungen, nach der Welle von PC-Anschaffungen für das so genannte "Jahr-2000-Problem" sei die große Party erst einmal vorbei. Genau das ist eingetreten: Der PC-Markt für Firmenkunden, der in Europa nahezu zwei Drittel des gesamten Umsatzes bringt, ist gesättigt. Das gilt auch für private Haushalte: Die haben in den USA inzwischen zu 51 und in Europa immerhin zu 35 Prozent einen PC (s. Übersicht). In Stückzahlen wuchs der PC-Absatz im vergangenen Jahr noch um 15 Prozent weltweit. Für andere Branchen - etwa die Automobilindustrie - wären das stolze Zahlen, aber nicht für die erfolgsgewohnte PC-Branche, die zehn Jahre lang mit Wachstumsraten von 20 Prozent und mehr protzte. Für die Jahresbilanz 2001 verharren sämtliche Prognosen für den PC-Absatz 2001 im einstelligen Bereich.Finale eines lukrativen GeschäftsmodellsBis vor wenigen Jahren galt: Jede neue Microsoft-Windows-Version verlangte mehr Computerleistung, also mussten Privat- und Firmenkunden alle paar Jahre den PC-Bestand komplett erneuern. In ziemlich konstanten Abständen wurden Speicherkapazität und Rechenleistung größer; nach einer kurzen Phase pendelten sich die Preise für die jeweils aktuelle PC-Konfiguration wieder auf das Ausgangsniveau ein. Die US-Konzerne Compaq und Dell profilierten sich als Vorreiter in den PC-Preiskriegen. Die künstliche Entwertung kaum zwei Jahre alter PCs sorgte zusammen mit den niedrigen Preisen des jeweils neuesten Modells für hohe Wachstumsraten und stabile Gewinne, solange die Produktionskosten niedrig, die Stückzahlen hoch und die Distribution effizient blieben. Weil alle PC-Hersteller Bauteile und Software von denselben Zulieferern bezogen, unterschieden sich die Produkte nur über den Preis (Ausnahme: Apple).Dieses Erfolgsrezept jedoch ist zugleich das Dilemma der PC-Hersteller, die weit unten in der Wertschöpfungskette der High-Tech-Industrien rangieren. Sie sind letztlich nur die Montagefirmen des High-Tech-Sektors, während Forschung und Entwicklung und damit die eigentliche Wertschöpfung bei Intel, AMD und Microsoft erfolgt. Ergebnis: Es gibt seit Jahren nur noch marginale Differenzen im Gebrauchswert zwischen einem PC von X oder Y (Ausnahme: Apple). So konkurrieren Hersteller um niedrigste Kosten - hohe Einkaufsmacht, effiziente Logistik und geringste Lagerhaltung, billige Fertigung sind die Erfolgsfaktoren. Direktvertrieb oder Vertrieb per Internet, Fertigung erst nach Bestellung und am besten ausgelagert an so genannte "Contract Manufacturer" - nach diesem Rezeptbuch verfahren alle PC-Hersteller. Allerdings funktioniert das Geschäftsmodell eben nur, wenn immer neue Kundenschichten jenseits von Kindergarten und Altersheim erschlossen werden und die PC-Besitzer regelmäßig die neue Microsoft-Software haben wollen, die das Leistungsvermögen ihres alten PCs übersteigt.Dennoch hat der Siegeszug des PC-Geschäftsmodells einen ganzen Geschäftszweig revolutioniert. Wie sehr die PC-Hersteller die Computer-Branche dominieren, zeigte sich am Verschwinden solcher Groß- und Minirechner-Hersteller wie Wang, Bull, Unisys, Nixdorf, Honeywell, Philips während der vergangenen 15 Jahre. Oder 1998, als PC-Marktführer Compaq den Computerbauer Digital (DEC) schluckte.Inzwischen erscheinen die Sieger als Opfer ihres Erfolgs. PCs sind so billig und flexibel, dass alle Herausforderer den Markt räumen mussten. Aber die Leistungsfähigkeit eines PCs als Kombi-Bürowerkzeug übertrifft die Anforderungen in Firmen und Haushalten. Und die sehen immer weniger Grund, alle paar Jahre ihr Gerät auszutauschen, zumal derzeit keine neue Software in Sicht ist, die jenseits von Windows, Textverarbeitung, E-Mail und Internet wirkliche Arbeitserleichterung bringt - beispielsweise funktionierende und bequem zu steuernde Texteingaben über Sprache.Der PC ist etabliert als Word- und Excel-Maschine, und allein die Ersatzbeschaffung beherrscht künftig die Gewinnung neuer PC-Kunden. Gute Verkaufszahlen und Gewinnmargen bringen derzeit nur noch Notebooks. Alle Hersteller - von Compaq und Dell über HP bis zu Fujitsu-Siemens - haben daher als neue Wachstumsfelder mobile Geräte - vom Notebook bis zur mobilen Kommunikation, vom Multimedia-Rechner bis zu Spielgeräten - entdeckt.Das vernetzte Privathaus als ZukunftsidyllFolglich ging die Branche daran, eine "Post-PC-Ära" auszurufen. PCs haben keine zentrale Rolle mehr für die technologische Entwicklung, dennoch bleiben sie wichtig und halten ihren Platz im Alltagsleben und Büro, aber die Kombifunktionen des PCs für Texten, Rechnen, Surfen, Musikhören etc. dürfte zusehends auf kleinere, auf einen Zweck spezialisierte Geräte übergehen.Das heißt, nach den Szenarien der Technologie-Gurus von Intel hat der PC künftig als "Extended PC" einen zentralen Platz als Server im Haushalt, umgeben von zahlreichen spezialisierten Geräten wie Surf-Stationen oder Musik-Playern, die er mit Daten, Speicherplatz und Internet-Zugang versorgt. Ähnlich sieht es Microsoft, und auch Apple verfolgt trotz der Konkurrenz zum "Wintel"-Duopol ähnliche Konzepte. Ganz anders dagegen die Bosse der Unterhaltungselektronik wie Panasonic oder Sony, die um ihre angestammten Märkte fürchten, auf denen sich die PC-Konzerne etablieren wollen. Sie betrachten natürlich den per Kabel ans Internet angeschlossenen Fernsehapparat als den Server, der künftig andere digitale Geräte im Haushalt versorgt.Aber diese neuen Produkte der Post-PC-Ära sind im Augenblick eher Technologie-Studien als Produkte für den Massenmarkt - sie funktionieren noch isoliert, kaum vernetzt. Mängel sind in vielerlei Hinsicht unübersehbar: Die Benutzerfreundlichkeit der entsprechenden Geräte lässt viel zu wünschen übrig. Wer damit im Internet surft, vermisst Komfort und Einfachheit. Die Apparaturen kommunizieren noch nicht miteinander wegen inkompatibler Standards, die Daten werden nicht automatisch untereinander ausgetauscht, so dass zum Beispiel Terminvereinbarungen doppelt und dreifach elektronisch erfasst werden müssen. Die drahtlose Vernetzung untereinander ist noch kein Standard.Bislang erfordert das "vernetzte Privathaus" der Zukunft noch einen Administrator, der das Funktionieren des Netzes sicherstellt. Die Spracheingabe und die Bedienung der Geräte per Sprache sind weiter Zukunftsmusik. Und schließlich: Ohne wirksame Datenschutz-Technologie dürfte es bei der vernetzten Benutzung der neuen Geräte keine Privatsphäre mehr geben.
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