FREITAG: Wie deutet der Klimaforscher den extrem heißen und extrem trockenen europäischen Sommer?
Manfred Stock: Ein Sommer wie dieser kann zwar auch ohne Klimaänderung vorkommen. Aber die extremen Verhältnisse, die wir jetzt auf der ganzen Nordhalbkugel beobachten, und die Häufung von extremen Wetterereignissen über die vergangenen Jahre sind deutliche Zeichen der Klimaveränderung, die auf uns zukommt.
Gibt es aus Ihrer Sicht noch irgend einen begründeten Zweifel, dass es sich um einen menschengemachten Klimawandel handelt?
Kaum. Wir wissen zwar, dass immer auch natürliche Faktoren eine Rolle spielen, aber inzwischen können wir das, was wir beobachten, nicht mehr allein mit natürlichen Faktoren erklären. Der statistische Zusammenhang zwischen Treibhausgasen und Temperaturanstieg ist zwar nicht über den gesamten Zeitraum der Erwärmung, aber seit den siebziger Jahren signifikant.
Wir haben innerhalb eines Jahres zwei Extreme erlebt: die Jahrhundertflut und nun die extreme Hitze und Trockenheit. Wann kommt der Jahrhundertsturm?
Mit dem Jahrhundert wird gern argumentiert. Aber das ist kein brauchbarer Terminus. Denn wir beobachten generell eine Veränderung in der Extremwetterstatistik. Wir sollten uns darauf einrichten, dass wir auch bei Stürmen, genau so wie bei Hitzeperioden, auch unter Umständen bei Kälteperioden, Überraschungen und Ungewohntes erleben werden.
Reagieren Gesellschaft und Politik auf solche Ereignisse angemessen?
Da kann man leichte Zweifel haben. Sowohl in der Gesellschaft, ausgedrückt in den Medien, als auch in der Politik schwankt die Haltung zwischen Sturheit und Hysterie. Da wird dann gleich gefragt: Ist das nun der Klimawandel? Das ist nur der Vorgeschmack, kann man darauf nur sagen. Und das heißt, wir müssen das Problem ständig im Bewusstsein haben. Wir müssen nicht nur die Vermeidung zusätzlicher Emissionen von Treibhausgasen endlich einleiten, sondern uns auch auf die Klimaänderungen und ihre Folgen einstellen.
Was heißt das konkret?
Wir brauchen zunächst ein klares Bewusstsein für die jeweiligen, regional sehr unterschiedlichen Gefahren. Man muss sich überlegen: Wo sind wir denn verwundbar, und wo lohnt es sich dann, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, die uns schützen können? Wenn beispielsweise die hochwassergefährdeten Gebiete genauer bekannt sind, kann das Geld, das wir haben, entsprechend für Schutzmaßnahmen investiert werden. Die Prioritäten sind für jeden Landstrich etwas unterschiedlich, und wir müssen diesen Besonderheiten Rechnung tragen. In der Forschung gibt es globale Analysen, aber bisher kaum Regionalstudien. Unser Institut hat damit begonnen, für Brandenburg die ganz besondere Gefährdung durch die zunehmende Trockenheit zu erfassen. Wir erwarten, dass dort - nach unseren Berechnungen für die nächsten 50 Jahre - Temperatur und Sonnenscheindauer ansteigen, während gleichzeitig die Niederschläge zurückgehen. Das bedeutet, dass sich diese verschiedenen Trends gegenseitig verstärken, so dass wir ein Grundwasserproblem bekommen.
Was sollten die Brandenburger tun? Auf Temperaturen und Niederschläge haben sie keinen Einfluss.
Seit dem alten Fritz werden nach alter Tradition Moore trocken gelegt, jetzt haben wir kaum noch welche. Das Wasser wird aus der Landschaft fortgeführt und so schnell wie möglich in die Nordsee abgeleitet. Das ist etwas, was wir uns heute unter den gegebenen Verhältnissen nicht mehr leisten können. Dort muss ein Umdenken stattfinden. Und das heißt auch, wir dürfen nicht mehr in neue Pumpwerke investieren und in Gräben, sondern in Maßnahmen, die das Wasser in der Landschaft halten.
Ist damit die Ökologisierung der Landschaften und der Landwirtschaft zu einem zwingenden Erfordernis geworden, um den Folgen des Klimawandels gewachsen zu sein?
Ja, das könnte eine mögliche Konsequenz sein.
Sollte man nicht unmittelbar auf extreme Wettersituationen reagieren, also beispielsweise mit Fahrverboten?
Das wirkt bestenfalls kurzfristig. Wir brauchen Maßnahmen, die dauerhaft wirken. Ein Jahr nach dem Elbehochwasser wird zum Teil genau an den Stellen, die von Überschwemmungsschäden betroffen waren, wieder gebaut und gesiedelt. Treibhausgase zu vermeiden und mit den Folgen des Klimawandels fertig zu werden, verlangt unabdingbar langfristiges Denken.
Nach einem berühmten Spruch von John Maynard Keynes sind wir langfristig alle tot und bleiben deshalb auf die nahe Zukunft fixiert.
Trotzdem bleibe ich optimistisch und habe mich auch deshalb der Klimaforschung verschrieben. Ich setze darauf, dass wir mit dieser Klimaänderung Schritt halten können und dass es uns gelingt, die schlimmsten denkbaren Katastrophen zu verhindern.
Woraus schöpfen Sie Ihre Hoffnung?
Gerade auch in Deutschland gibt es ein gegenüber früher gewachsenes Umweltbewusstsein, das sich noch nicht in allen Fällen im praktischen Verhalten durchsetzt, siehe Auto, aber insgesamt sind ganz gute Ansätze da. Mülltrennung wird immer genannt, aber wir haben es ja auch geschafft, bis zu einem gewissen Grade Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Da entstehen auch Wirtschaftspotenziale und Techniken, mit denen man Geld verdienen kann, die also nicht nur Geld kosten.
Das Gespräch führte Hans Thie
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