Das Karussell geht immer rundherum

Austerität III Das neue Hilfspaket muss der Athener Regierung Spielraum für Investitionen lassen – sonst hat es keinen Sinn
Ausgabe 31/2015
Warten auf die Wiedereröffnung der Banken in Athen
Warten auf die Wiedereröffnung der Banken in Athen

Foto: Milos Bicanski/Getty Images

Niemand in der Syriza-Anel-Regierung wollte das. Auch die EZB und die Eurogruppe schlossen diese Option zunächst aus, der Internationale Währungsfonds (IWF) sowieso. Gemeint ist ein Finanzpaket von 86 Milliarden Euro mit einer Laufzeit von drei Jahren. Griechenland bekommt Geld vom IWF und aus der Eurozone, um Schulden beim IWF und in der Eurozone zu begleichen. Das heißt, bei einer bisher schon wenig erfolgsträchtigen Politik wird nachgelegt. Dass nur eine Umschuldung einen Ausweg gewiesen hätte, dürfte allen Beteiligten klar sein, doch war sie politisch unerwünscht.

Nach wie vor hängen die griechischen Banken am Tropf der Notkredite, wie sie die EZB gewährt. Auch wenn die Zahlungen von Fall zu Fall aufgestockt werden, sehen sich griechische Unternehmen noch immer außerstande, Rechnungen im In- und Ausland zu bedienen. Seit einem Monat stockt der Zahlungsverkehr. Was das für eine angeschlagene Wirtschaft bedeutet, liegt auf der Hand. Sie wird in diesem Jahr weiter schrumpfen, all die schönen Zielvorgaben der Gläubiger zum Primärüberschuss beim Haushalt sind schon jetzt Makulatur. Sie kamen ohnehin nur zustande, weil die Regierung von Premier Alexis Tsipras in ihrer Not laufende Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte und viel schlucken musste.

Wenigstens haben die Brüsseler Beamten inzwischen kapiert, dass es noch Jahre dauern wird, bis Griechenland reale Primärüberschüsse erzielt und damit seine Schulden tragen kann.

Die Troika – im Februar vom damaligen Finanzminister Yanis Varoufakis hinausgeworfen – kehrt als Quadriga nach Athen zurück, aufgestockt um die Gesandten des Rettungsschirms ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), der im Moment nur über einen Teil seines Kapitals verfügt, da Staaten wie Deutschland und Frankreich nur einen Bruchteil des zugesagten Kapitals eingezahlt haben. Ungeachtet dessen kann der Fonds 50 Milliarden Euro locker stemmen. Die EZB ist sogar bereit, ihre Zinsgewinne aus den Griechenlandanleihen (acht Milliarden Euro) einzusetzen. Desgleichen sind Gelder aus dem Vorgänger-Rettungsschirm EFSF im Spiel. Nur ändern diese Zuflüsse wenig daran, dass es den gewohnten Kreislauf gibt, in dem alte Kredite durch neue abgelöst werden. Der einzige Vorteil für das völlig überschuldete Griechenland besteht darin, dass der ESM weniger Zinsen verlangt als EZB und IWF, was der deutsche Fiskus als bislang größter Profiteur der Griechenland-Krise spüren dürfte.

Die Zeit drängt erneut

Bis Mitte August sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Dann müssen noch die Eurogruppe und einige Parlamente von Eurostaaten ein mögliches Agreement absegnen. Die Zeit drängt, da am 20. August 3,2 Milliarden Euro bei der EZB getilgt sein wollen, bevor Athen im September einen IWF-Kredit bedienen muss.

Flankiert wird dieser Verhandlungsturn von weiteren Reformauflagen, bei denen sich zeigt, dass der griechische Staat zusehends zum Protektorat seiner Geldgeber mutiert. Zu Recht betont Alexis Tsipras, dass er an die oktroyierten Einschnitte nicht glaubt. Man muss sich in der Tat fragen, worin besteht der Sinn einer Arbeitsmarktreform, die Massenentlassungen in einem Land der Massenarbeitslosigkeit erleichtern soll? Und ob eine Verwaltungs- und Steuerreform (nicht zuletzt eine Inventur der Steuerverwaltung) gelingt, hängt davon ab, wie viel Zeit und welcher finanzielle Spielraum den Griechen dafür eingeräumt werden.

Die entscheidende Frage aber wird sein, wie viel Geld kann der griechischen Regierung von einem dritten Hilfspaket bleiben, um nicht nur alte und neue Kredite abzu lösen, sondern öffentliche Investitionen zu tätigen, um erstmals seit fünf Jahren wieder aktive Struktur- und Entwicklungspolitik zu betreiben? Dass die „Institutionen“ einen Teil des Hilfsprogramms aus dem Erlös weiterer Privatisierungen finanzieren wollen – im Gespräch sind völlig irreale Erlöse von 50 Milliarden Euro –, lässt am ökonomischen Verstand der Beteiligten zweifeln. Das dritte Hilfsprogramm wird kommen, aber wohl darauf hinauslaufen, die verfehlte Krisenpolitik der Troika fortzuschreiben. Angela Merkels Griechenland-Krise bleibt uns erhalten. Gleiches gilt für eine fragile Währungsunion.

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