Das Kontinuum Thilo Sarrazin

SPD Der Skandalautor wird aus der Partei ausgeschlossen. Sein Werk ist der fortgeführte Hass
Ausgabe 05/2020
Mit Schirm, aber ohne Scham und Melone
Mit Schirm, aber ohne Scham und Melone

Foto: Imago Images/Götz Schleser

„Ich habe mich nicht geändert, die SPD hat sich geändert“, kommentierte Thilo Sarrazin – Ex-Bundesfinanzministerium, Ex-Treuhand, Ex-Bundesbank, Ex-Bahn-Vorstand, Ex-Finanzsenator Berlins, Buchautor – seinen Ausschluss aus der SPD. Mindestens mit dem ersten Teil der Aussage hat er ausnahmsweise recht. Es gibt in der Tat etwas, das seit Jahrzehnten Sarrazins Wirken bestimmt: das Treten nach unten.

Erstaunlich ist daher weniger, dass dieser Mann in Österreich für die FPÖ warb, was zum nunmehr dritten, endlich erfolgreichen Parteiordnungsverfahren führte. Erstaunlich ist eher, dass er so lange in der SPD sein konnte – und dass er viele Jahre sehr erfolgreich war in jener Partei, die behauptet, sie stünde an der Seite der kleinen Leute. Als Finanzsenator der rot-roten Regierungskoalition in Berlin etwa bewegte sich Sarrazin von 2002 bis 2009 ganz auf Linie der Schröder-SPD. Er trieb Privatisierungen voran, unter denen die Stadt noch heute leidet; er empfahl Armen, sich einen Pullover anzuziehen, statt zu heizen; und er ließ Speisepläne für Hartz-IV-Empfänger entwerfen.

Sein Handwerk gelernt hatte Thilo Sarrazin unter anderem im Bundesfinanzministerium, wo er zu Beginn der 1990er Jahre die Aufsicht über die dann teils mafiös agierende Treuhandanstalt führte.

Vor zehn Jahren erschien Deutschland schafft sich ab – Sarrazin wurde zum Buchmillionär. Zuvor hatte der Politiker bereits in der Zeitschrift Lettre International rassistische Thesen aufgestellt. Die folgende Debatte war zweifelsohne eine Zäsur im Diskurs über kulturelle Vielfalt; der Stichwortgeber folgte jedoch lediglich seinem „roten“ Faden. Schon Anfang der 1970er war der Volkswirt mit einer Arbeit promoviert worden, in der er sich ausführlich mit der „Rentabilität“ schwarzer Sklavenarbeit beschäftigte und bilanzierte, dass „die Sklavenhaltung mindestens ebenso profitabel war wie alternative Verwendungen des eingesetzten Kapitals“. Zu jener Zeit trat er der SPD bei.

Es stimmt also: Sarrazin ist Sarrazin treu geblieben. Und die SPD? Die hat sich zuletzt womöglich ein bisschen zum Guten geändert. Doch der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig, Sarrazin zieht vor das Bundesschiedsgericht. So lange bleibt er Teil der SPD. Mit seinem ganz eigenen Mix aus Klassenhass, Rassismus und neoliberaler Ideologie.

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