Das Kreuz von Bayer

Sportplatz Theologisch betrachtet, ließe sich mit Blick auf den Fußballverein Bayer 04 Leverkusen formulieren, dass die Ersten die Letzten sind. ...

Theologisch betrachtet, ließe sich mit Blick auf den Fußballverein Bayer 04 Leverkusen formulieren, dass die Ersten die Letzten sind.

Das wäre freilich vordergründig, denn der Verein, der in den letzten Jahren zu den besten Clubs Deutschland gehörte und dem jetzt der Abstieg in die Zweitklassigkeit droht, ist zum einen gar nicht Letzter, sondern gegenwärtig immerhin nur Drittletzter der Bundesligatabelle. Das würde freilich zum Absturz reichen, auch wenn man sich bei dem Club dem eher arroganten Ruf gemäß lässig und unaufgeregt gibt. »Die Chance ist kleiner geworden, sie bleibt aber realistisch«, heißt es auf der Website des Clubs. »Mit zwei Siegen gegen 1860 München und Nürnberg käme Bayer auf 40 Punkte: Das müsste reichen.«

Zum anderen aber war der Club, der im letzten Jahr im Finale der Champions League und im Finale um den DFB-Pokal stand und der in den letzten Jahren regelmäßig in der europäischen Champions League mitspielte, erst einmal in seiner 99-jährigen Geschichte Meister: 1968 in der Regionalliga West. Mehr war nicht. Vielleicht noch 1988 der Gewinn des Uefa-Cups oder der DFB-Pokal 1993 oder auch der Gewinn des Hallen-Masters 1994.

Bayer 04 Leverkusens 99-jährige Vereinsgeschichte ist der peinliche Versuch, steinreiches Großkapital als volkstümlich erscheinen zu lassen. Das lässt sich in der offiziellen Vereinschronik nachlesen. Für den »27. November 1903« heißt es da: »Wilhelm Hauschild wendet sich in einem Brief an die Direktion der Farbenfabriken vormals Friedrich Bayer Co. In dem von 170 Mitarbeitern unterschriebenen Brief bittet er um Unterstützung bei der Gründung eines Sportvereins. Die Unterstützung wird ihm wohlwollend gewährt.« Ein dreiviertel Jahr später wird der Club als »Turn- und Spielverein der Farbenfabrik« gegründet, 1907 kommt in diesem Verein eine Fußballriege hinzu. Politische Entwicklungen kommen den Werkskickern entgegen. Für den »Mai 1936« registriert die Vereinschronik: »Im Aufstiegsspiel zur zweithöchsten deutschen Spielklasse tragen die Bayer-Fußballer aus Verbundenheit zu dem Unternehmen, für das sie arbeiteten, zum ersten Mal das Bayer-Kreuz auf ihrem Trikot.« Originelle Kreuze waren damals Mode.

In die erste Bundesliga stieg der Verein erst 1979 auf, und sogleich umgab man sich mit teuren Spielern und Trainern. Übungsleiter wie Dettmar Cramer, Rinus Michels, Erich Ribbeck, Christoph Daum, Berti Vogts und zuletzt Klaus Toppmöller sollten aus dem Club, der den früheren IG Farben-Konzern im Namen und im Herzen trägt, endlich ein Siegerensemble machen.

Es gelang fast, aber nie ganz. Das rebellische Element des Fußballs, das bei aller kapitalistischen Durchdringung des Sports immer noch dafür sorgt, dass man mit Geld zwar gute Spieler, aber keinen Meistertitel kaufen kann, obsiegte stets.

Fast war Bayer Leverkusen in den letzten Jahren jedoch dabei, diese eherne Regel zu durchbrechen und sich mit nichts als Finanzeinsatz doch noch zur Meistermannschaft zu erheben. Nun aber droht die Strafe für diesen viel zu lange erfolgreich scheinenden Versuch. Beinah möchte man an den Fußballgott glauben.

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