Wie es kaum anders zu erwarten war, hat Gerhard Schröder den letzten Trumpf seines Konsenspokers ausgespielt. Die Stimmen Brandenburgs im Bundesrat fehlten, also unterwirft man sich den vier Forderungen des brandenburgischen Innenministers Schönbohm, CDU: Das Nachzugsalter wird gesenkt, die nichtstaatliche und geschlechtliche Verfolgung aus dem Gesetzestext gestrichen, Zuwanderungsbegrenzung erscheint als eindeutiger Zweck, und wenn die Abstimmung im Bundesrat ansteht, wird Schröder auch noch die Übernahme der Integrationskosten durch den Bund zusichern. Die Methode des Kanzlers ist nach dreieinhalb Jahren Regierung so gut bekannt, dass man sich nicht mehr wundert. Die Union steht wieder vor der Wahl: Soll sie sich gegen ein Gesetz wenden, das ihre eigenen Wünsche realisiert, oder dem Kanzler die Genugtuung gönnen, ein weiteres "Reformgesetz" durchgesetzt zu haben?
Doch diesmal wird sich ihre Frustration in Grenzen halten. Es ist ja offenkundig, dass dieses Gesetz eher für sie als für die SPD einen Erfolg darstellt. In der Sache sind sich die "Volksparteien" ohnehin einig, aber die Union hat die SPD gezwungen, es auch zu zeigen, ungeachtet eines Schröderschen Koalitionspartners, der da auch noch irgendwo mitläuft. Und ungeachtet der PDS, die das Gesetz über die Stimmen Mecklenburgs und Berlins im Bundesrat zu Fall bringen könnte, sich aber hüten wird, dies um den Preis der Regierungsteilnahme zu tun. Es ist eine ehrliche Arbeitsteilung: Die SPD glänzt durch das erfolgreiche Management und die Union durch die Richtlinienkompetenz. Angesichts dessen kann Kanzlerkandidat Stoiber jetzt überlegen, ob er nicht gut beraten ist, der Union ganz offen die Zustimmung im Bundesrat und die Ablehnung im Bundestag zu empfehlen. Die Richtung stimmt, kann er sagen, aber wenn ich Kanzler bin, gehe ich noch weiter.
Man fragt sich nur, was die Grünen gewinnen. Sie mögen sich trösten, die Mehrheitsverhältnisse seien nun einmal so. Aber die Frage, wofür man sie als Partei noch braucht, stellt sich wenige Monate vor der Bundestagswahl mit neuer Dringlichkeit. Dass sie Schröder das Regieren erleichtern, wird ihren Stammwählern nicht genügen, und eine von der SPD unterstützte Leihstimmenkampagne ist auch nicht zu erwarten. So hängt die Regierungstaktik beim Einwanderungsgesetz überkreuz und ungewollt mit einer ganz anderen Frage zusammen, der Politik Joschka Fischers, des grünen Zugpferds. Fischer hat sich in seiner Partei so sehr durchgesetzt, dass er zu ihrem letzten Aufgebot geworden ist. Wenn er nun auch noch den Krieg gegen den Irak mitträgt, werden die Grünen auf Nimmerwiedersehn aus dem Bundestag verschwinden. Am Sonntag bei Sabine Christiansen deutete es sich schon an: Mit seinem Protest gegen das Wort von der "Achse des Bösen" habe er nur Iran und Nordkorea in Schutz nehmen wollen, sagte Fischer.
Das letzte Aufgebot
Geschrieben von
Michael Jäger
Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)
Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.
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