Die Debatte um "Amt und Mandat" ist eine unendliche Geschichte bei den Grünen. Seit 1990 waren die Gegner der alten Regelung von Joschka Fischer, die Verteidiger von Hans-Christian Ströbele ins Gefecht geführt worden. Es entspricht dem Niedergang des linken Parteiflügels im Allgemeinen, dass Ströbele auch in dieser Spezialfrage allmählich die Truppen ausgingen. Jetzt hat er die Urabstimmung verloren. War es überhaupt der Mühe wert?
Mindestens das Lehrstück, das in der Niederlage steckt, ist nützlich. Die "Trennung von Amt und Mandat" war immer ein falsches Etikett, weil der traditionsreiche Gedanke, den die Formel suggeriert, gar nicht das meint, was die Grünen wollten. Es ist der Gedanke, die Trennung von exekutiver und legislativer Ge
lativer Gewalt müsse auch zur Trennung von Regierungsamt und Parlamentsmandat führen. Oder schärfer: Ein Abgeordneter dürfe nicht zugleich Beamter sein. Die Grünen übertrugen den Gedanken auf ihren Parteivorsitz, der nun auch als "Amt" figurierte, obwohl er keines war. Nun kann man sicher die Bedeutung von Wörtern verschieben. Aber ob deren Zusammenstellung dann noch Sinn macht, das ist die Frage. Wie die Grünen den Gedanken dachten, machte er keinen Sinn mehr. Denn es stimmt zwar, dass alles, was die Trennung von Exekutive und Legislative schärft, als demokratische Errungenschaft Beifall verdient, aber dieser Begründungszusammenhang lässt sich auf die Trennung von Parteivorsitz und Parlamentsmandat nicht anwenden, er hat mit ihr gar nichts zu tun.Die altgrüne Regelung hatte noch einen anderen Sinn: Sie sollte die "Ämterhäufung" verhindern, will sagen Stellenhäufung, Ausübung mehrerer Führungsjobs in Personalunion. Es sollte nicht Macht bei Wenigen konzentriert werden. Das war auch nicht übertrieben vernünftig. Die Macht hat sich ja trotzdem bei Fischer, der nie ein "Amt" hatte, und seinen Freunden konzentriert. Warum sollte sie auch nicht? Das Problem war doch nur, dass man sich andere Mächtige als ausgerechnet Fischer gewünscht hätte. Es hat nämlich durchaus Vorteile, wenn Parteiführer nicht ohnmächtig sind. Es hat auch Nachteile, aber die ließen sich durch gut geregelte Machtkontrolle auffangen.Alles in allem kommt man zu dem Schluss, dass die Grünen über kein entwickeltes Problembewusstsein verfügten, als sie sich 1980 parteiförmig organisieren. Die "Trennung von Amt und Mandat" war schlecht durchdacht und zeigte den Mangel politischer Erfahrung. Aber nun nähern wir uns erst dem springenden Punkt. Wer wird solche Mängel einer gerade entstehenden Partei vorwerfen? Die Frage ist, warum sie nicht überwunden wurden. Die Grünen jagten jedenfalls einem guten Ziel nach: nicht eine Partei wie jede andere zu werden; den Integrationsmechanismen des schlechten Parlamentarismus, der ihnen vor Augen stand, nicht zu verfallen. Dem sollte die Regelung dienen. Warum sind sie nicht aus Erfahrung klüger geworden? Worin das wirkliche Integrationsproblem bestand, war doch sonnenklar. Die Grünen durften sich nicht von der SPD in eine neue FDP verwandeln lassen. Das ist nicht gelungen. Stattdessen betrieben die einen eben diese Verwandlung, während die anderen gleich die politische Mechanik als solche aushebeln wollten.Denn zu der gehört es - das hätte man schon bei Max Weber nachlesen können -, dass Parteien nicht ohne Berufspolitiker auskommen. Auch bei den Grünen werden Mandate und innerparteiliche Jobs nicht zuletzt von Leuten angestrebt, die Geld brauchen. Das ist der Lauf der Welt. Der Nutzen einer Partei wird dadurch zwar eingeschränkt, aber noch nicht zerstört. Alle hehren politischen Absichten müssen nun eben durch das Nadelöhr der Karriereplanung hindurch. Dies Gesetz glaubten diejenigen aber ignorieren zu können, die für die "Trennung von Amt und Mandat" kämpften. Es kam, wie es kommen musste. Leute mit Geldsorgen strebten lieber ein Mandat als ein "Amt" an, einfach weil es mehr einbrachte. Zum Beispiel Angelika Beer: Nur weil sie ihren Parlamentssitz verlor, wollte sie ersatzweise Parteivorsitzende werden; jetzt ist sie schon wieder auf dem Sprung zur Europa-Abgeordneten. Der Parteivorsitz lockt die Fähigsten nicht. Eine solche Partei zu integrieren, ist besonders leicht.Wir haben nur einem Schaukampf beigewohnt. Während die Grünen immer stinknormaler wurden, redeten sie pausenlos über ein gleichbleibendes Thema aus dem Arsenal der "Partei neuen Typs". Sie können das auch in Zukunft so halten. Die "Trennung von Amt und Mandat" wurde ja nur gelockert. In den nächsten 13 Jahren mögen sie über die gänzliche Abschaffung streiten. Ähnlich sehen wir uns Fußballspiele an, deren Regeln noch ungefähr dieselben sind wie vor 100 Jahren, und denken vielleicht, die Welt habe sich nicht wirklich verändert.