"Das sind die Bodentruppen der AfD"

Interview Am Montagabend wurde der "Freitag"-Salon mit Margot Käßmann von der "Identitären Bewegung" gestört. Gastgeber Jakob Augstein erzählt, wie er den Zwischenfall erlebte

Freitag-Verleger Jakob Augstein begrüßte am Montagabend im radioeins und Freitag-Salon im Maxim-Gorki-Theater die evangelische Theologin Margot Käßmann zum Gespräch. Es sollte um Fragen des Glaubens gehen – unter anderem darum, was die christliche Religion dazu beitragen kann, die Angst vor Fremden und Intoleranz abzubauen. Knapp eine halbe Stunde nach Beginn der Veranstaltung wurde diese durch eine Gruppe im Publikum gestört, die rechte Parolen brüllte.

Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine Gruppe Neurechter, welche sich als "Identitäre Bewegung" bezeichnen. Bereits in der vergangenen Woche hatten sie sich als vermeintlich harmlose Reisegruppe für den Termin angemeldet und darum gebeten, zusammensitzen zu dürfen. Wir dokumentieren hier das Interview, das Jakob Augstein am Dienstagmorgen radio eins zu dem Zwischenfall gab.

radio eins: Herr Augstein, gestern Abend waren Sie der Gastgeber. Waren Sie auch erschrocken über die Störung? Wie war Ihre erste Reaktion?

Jakob Augstein: Wir waren natürlich alle ein bisschen überrascht. Sie müssen sich vorstellen: Man sitzt auf der Bühne, das Scheinwerferlicht macht den Saal dunkel, man sieht die Leute nicht – und plötzlich fangen die da an zu brüllen und zwar, wie Sie das auch gehört haben, so organisiert. Das ist es, was einen dann erschreckt. Dass man das Gefühl hat, man steht da einer organisiert auftretenden Einheit aus mehreren Rotten gegenüber. Dann gehen die Lichter an und man sah die: Und das waren alles ganz adrette, nett aussehende, junge Leute.

Wer glaubt, den Nazi erkennt man an kurzen Haaren und am schwarzen Springerstiefel, der irrt sich. Der Nazi sieht heutzutage ganz anständig angezogen aus, wie der nette Student von nebenan.

Können Sie noch einmal kurz den Ablauf schildern?

Wir redeten gerade mit Margot Käßmann über die Burka. Dann sagte sie, sie finde die Burka schrecklich, weil sie es nicht richtig finde, dass Frauen sich verhüllen. Andererseits verstehe sie aber auch nicht, warum das jetzt so eine riesige Verbotsdiskussion gibt – wir haben eine große Sommer-Burka-Debatte. Kurz: Sie hat eine sehr abgewogene, vernünftige Position gehabt. Also gegen die Burka, aber auch gegen ein Verbot. Im Grunde eine liberale Position.

Dann sind die da plötzlich durchgedreht. Sie haben dazwischen gerufen und uns Heuchler genannt und haben dann ihre komische gelbe Flagge herausgeholt, über die wir gleich vielleicht noch einmal reden werden.

Sagen Sie uns kurz etwas dazu ...

Das war die „Identitäre Bewegung“. Die kommen ursprünglich aus Frankreich und sind in Österreich auch schon damit aufgefallen, dass sie Theaterbühnen besetzen, wenn ihnen die Stücke nicht gefallen. Offensichtlich breiten sie sich jetzt auch in Deutschland aus. Ich habe das dann nachgelesen: Die gibt es hier schon länger. Mir sind sie noch nicht aufgefallen, aber in Wahrheit sind das die ideologischen Bodentruppen der AFD. Am Sonntag haben wir hier Wahl – und das habe ich gestern in den Saal hinein auch noch einmal gesagt: Alle Leute sollten sich noch einmal genau überlegen, in welche politische Richtung wir hier eigentlich gehen. Das erinnerte gestern schon sehr stark an Berlin in den 30er Jahren. Ich glaube, uns allen lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter.

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