Das Wetter

Medientagebuch Viel Streit hatte es um die neuen Modalitäten beim Deutschen Fernsehpreis gegeben: Am Ende durfte doch noch ein Nebendarsteller eine Auszeichnung entgegen nehmen

Am Rande der Veranstaltung des deutschen Fernsehpreises, die von der ARD am 10. Oktober am späteren Abend in einer um einen Tag versetzten Aufzeichnung gezeigt wurde, war Unmut über die diesjährigen Entscheidungen geäußert worden. Das lag zum einen daran, dass die auslobenden Fernsehanstalten viele Preiskategorien wie Kamera, Schnitt, Nebendarsteller gestrichen hatten, weil ihre Vergabe die Show zu sehr in die Länge zöge. Das lag zum anderen daran, dass der Ehrenpreis der Stifter an die deutsche Fußballnationalmannschaft der Männer ging.

Das mutet auf den ersten Blick absurd an. Denn die deutsche Fußballelite trat ja bei der Weltmeisterschaft nicht an, um gut im Fernsehen anzukommen. Sollte also das Beispiel Schule machen, eröffneten sich für den Fernsehpreis viele Möglichkeiten. Jedes außertelevisionäres Ereignis, das sich im Fernsehen, in das es gerät, gut macht, könnte zum preiswürdigen Star erhoben werden. Beispielsweise jene chilenischen Bergleute, die in einem Stollen ihres Bergwerkes eingeschlossen sind. Seit Wochen stehen sie im Mittelpunkt einer regelmäßigen Berichterstattung in den Hauptnachrichten des Fernsehens, dass man schon glaubt, sie alle näher zu kennen. Oder jener Herr Berggruen, der die insolvente Firma Karstadt kaufte und der deshalb mit seinem sympathischen Lächeln immer wieder in den Nachrichten erschien, wie er mit einer Personalplakette, wie sie jeder einfache Angestellte des Kaufhauskonzerns trägt, durch die Einkaufspassagen flanierte.

Zu denken wäre auch an das Wetter, dem das deutsche Fernsehen die stabilsten seiner vielen Sendungen verdankt, in denen über Sonnen­scheindauer, Regenböen und ordentlich mit Namen versehene Orkane stetig und zuverlässig berichtet wird. Wenn das Wetter einen Preis bekäme, dann müsste auch sein oberster Knecht und Bote namens Kachelmann ausgezeichnet werden, schaffte er es doch zusätzlich und gleichsam nebenberuflich mit der Anklage gegen ihn und dem folgenden Strafprozess verlässlich selbst in seriöseste Sendungen. Aber das triebe den Zynismus der Branche zu weit und damit in die Kenntlichkeit!

Der einzige Nebendarsteller

Der Preis an die Nationalmannschaft kann ja auch mit dem Hinweis auf die hohen Einschaltquoten mühelos salviert werden. So erfolgreich ist weder der auf Dauer ondulierte Gottschalk mit Wetten, dass..? noch das Heer der Tatort-Kommissare, die sich Sonntag für Sonntag die Hacken ihrer Sportschuhe ablaufen. Hinzu kommt, dass die Nationalspieler für das deutsche Fernsehen Opfer bringen, für das professionelle Schauspieler Nachtzuschläge einklagten. Ihr Spiel gegen Kasachstan, das am 12. Oktober das ZDF übertrug, wurde zur Ortszeit um 23 Uhr angepfiffen. Warum? Wäre das Spiel zur Ortszeit um 20 Uhr angepfiffen worden oder gar noch früher, wäre es im deutschen Fernsehen schon zur Nachmittagszeit zu sehen gewesen. Und dann hätten nicht die Millionen zugesehen, die sich das ZDF und der Deutsche Fußball-Bund von einem solchen Spiel erhofften.

Fußball und Fernsehen sind längst voneinander so abhängig wie Auto­produktion und ihr Vertrieb. Man kann sie nicht mehr von einander trennen. So hat der Ehrenpreis seine Berechtigung, um am Abend der Preisverleihung einen Dreh ins Absurde zu erhalten. Da die deutschen Fußball­spieler zwischen zwei Länderspielen nicht bei einer Preisverleihung hocken wollten, holte den Preis der Manager der Mannschaft, Oliver Bierhoff, ab. Damit erhielt schließlich doch ein Nebendarsteller eine Auszeichnung, so wie es die Kritiker des deutschen Fernsehpreises gefordert hatten.

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