Das wird Spekulanten nicht zügeln

Euro-Gipfel Aus dem Europäischen Rettungsfonds wird nun faktisch ein Europäischer Währungsfonds. Den Durchbruch hätte jedoch nur die Auflage von Eurobonds gebracht

Das neue Notprogramm zur Rettung der Eurozone – das wievielte? Ich habe aufgehört zu zählen – sieht vor, für Griechenland die Zinsen für Kredite zu senken. Das ist auf jeden Fall zu begrüßen. Die anvisierten 3,5 Prozent lagen jedoch zum Zeitpunkt des Beschlusses immer noch um fast ein Prozentpunkt über dem Zins zehnjähriger deutscher Anleihen (2,88 Prozent). Dennoch kommt die Umsetzung dieses Beschlusses auf den ersten Blick einer ordentlichen Entlastung gleich, wenn man bedenkt, dass der derzeitige Zins für zehnjährige griechische Staatsanleihen zwischen 16 und 17 Prozent schwankt.

Was dieser Beschluss aber nicht leistet – er wird die Spekulation nicht aus dem Markt nehmen. Das wäre nur geglückt, wenn man sich für Eurobonds – Europäische Anleihen, hinter denen die gesamte Eurozone steht – entschieden hätte. Nur ein solcher Schritt hätte garantiert, dass die Spekulation gegen einzelne Staaten aufhört, weil sich auch für die waghalsigsten Anleger ein Wetten gegen den gesamten Währungsraum verbietet. Die Schaffung eines Marktes für Eurobonds hätte keineswegs zur Folge – wie von „Experten“ landauf, landab behauptet wird –, dass die Zinsen für deutsche Anleihen steigen. Die enorme Liquidität und das in Zeiten wieder wachsender Unsicherheit über die weltwirtschaftliche Entwicklung nach einem sicheren Hafen strebende Kapital wirken dem entgegen: Was wäre derzeit sicherer als eine Anleihe, für die eine gesamte Währungszone haftet? Diese Chance wurde erneut vertan.

Politik des "weiter so"

Insofern lässt das Brüsseler Rettungs-Happening jegliche gesamtwirtschaftliche Logik vermissen. Schon die jetzt für Griechenland vorgesehene Zinssenkung berücksichtigt nicht, dass auch ein Zins von 3,5 Prozent weit über der auf absehbare Zeit zu erwartenden Wachstumsrate des Landes liegt und damit weiter kontraproduktiv auf Investitionen und Schuldenstand wirkt. Hinzu kommt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) nicht davon abrückt, ihren Leitzins weiter zu erhöhen. Das aber belastet die gesamte Eurozone. Die EZB hat sich darüber hinaus jetzt auch auf andere Weise aus der Verantwortung gestohlen: Sie wird nicht länger griechische Anleihen als Sicherheit akzeptieren, solange diese von den Rating-Agenturen auf „teilweisen Zahlungsausfall“ – umgangssprachlich Ramschstatus – herab gestuft sind. Die Rating-Agenturen behalten das Heft auch in dieser Hinsicht – wie bei der Spekulation gegen einzelne Staaten – fest in der Hand.

Auch in einem weiteren Punkt stellen die jetzt gefassten Beschlüsse die Weichen in Richtung Deflation: So sollen Staaten, denen ein Angriff vom Finanzmarkt droht, nur dann flexible Kreditlinie eingeräumt bekommen, wenn sie im Gegenzug ein Sparprogramm akzeptieren. Wie in der Leitzinspolitik und wie bei Eurobonds zeigen sich die Regierungen also uneinsichtig und verfolgen eine Politik des „weiter so“. Dieser Kurs ist angesichts der schon zu beobachtenden sozialen Verwerfungen – vor allem in den Krisenländern – unverantwortlich.

Sparprogramme, Leit-, Kredit- und Anleihezinsen, die über der Wachstumsrate liegen und damit Investitionen belasten und den Schuldenstand in die Höhe treiben sowie die Weigerung, einen gemeinsamen Markt für Eurobonds zu schaffen, werden die Eurozone weiter auseinander treiben und schließlich auseinander brechen lassen. Das Wort „Notprogramm“ bekommt vor diesem Hintergrund eine ganz andere, eine entgegengesetzte Bedeutung, als von den politischen Protagonisten beabsichtigt. Solange die oben skizzierten großen gesamtwirtschaftlichen Linien ausgeblendet bleiben, werden auch die anderen Bestandteile des „Notprogramms“, die für sich genommen vielleicht sinnvoll erscheinen, letzten Endes nicht reichen, die Eurokrise zu überwinden.

Thorsten Hild ist Volkswirt und schreibt regelmäßig auf www.wirtschaftundgesellschaft.de

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden