Kaum hatte Bundesministerin Kristina Schröder (CDU) nach ihrer Ernennung angekündigt, die Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus auch auf den Linksextremismus und religiösen Fundamentalismus ausweiten zu wollen, hagelte es Kritik von allen Seiten. Im November 2009 veröffentlichten Wissenschaftler eine Erklärung, in der sie der neuen Regierung „Realitätsverleugnung“ beim „neuen Extremismusbekämpfungsprogramm“ vorwarfen. Auf mehreren Seiten folgte eine detaillierte Kritik an einem Programm, das es – ja, was eigentlich? – noch gar nicht gab. Allein Schröders öffentlich geäußerte Absicht reichte also aus, um Teile der Öffentlichkeit in Unruhe zu versetzen.
Nun werden unter dem Begriff „Extremismus“ für gewöhnlich alle anti-demokratischen politischen Strömungen zusammen gefasst. „Extremist“ ist also nichts weiter als eine Alternativbezeichnung für „Anti-Demokrat“. Und daher muss man sich ob der Kritik der letzten Monate verwundert die Augen reiben: Just in dem Jahr, in dem der demokratische Verfassungsstaat den 60. Geburtstag seines Grundgesetzes feiert – dem nicht ohne Grund das Konzept der wehrhaften Demokratie zugrunde liegt – empören sich einige darüber, dass eine demokratische Regierung in einem demokratischen Verfassungsstaat ein Programm gegen Anti-Demokraten auf den Weg bringen will. Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich.
Schweinegrippe und Krebs
Was waren und sind die Vorwürfe der Kritiker? Erstens: Die Ausweitung der Programme führe zu einer Reduzierung der finanziellen Ansätze im Kampf gegen Rechtsextremismus. Bekanntermaßen löste Schröder diesen Vorwurf dadurch in Luft auf, dass sie den bisher verfügbaren 24 Millionen Euro zunächst zwei Millionen, später fünf Millionen Euro durch Umschichtungen hinzufügte und damit sogleich einen weiteren Kritikpunkt blamierte. Nämlich zweitens: Mit dem neuen Programm würde unterstellt, dass „alle drei Extremismen aktuell von gleichem Ausmaß, gleicher Bedeutung und Brisanz wären“. Allerdings gibt es keinen logischen Weg von Schröders Ankündigung zu dieser Schlussfolgerung. Denn aus der Tatsache, dass man drei Dinge für problematisch hält, folgt mitnichten, dass man sie in gleichem Umfang und allerorten für problematisch halten muss. Die Tatsache, dass über 80 Prozent aller Mittel weiterhin der Bekämpfung des Rechtsextremismus vorbehalten bleiben, spricht daher eine eigene Sprache der Realität. Drittens: Die Kritiker fürchten durch das Programm eine Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus. Damit droht angeblich „eine vordergründig politisch motivierte ‚Rückkehr‘ in die Denkschablonen des Kalten Krieges.“
Nun käme kein vernünftiger Mensch auf die Idee, einem Arzt vorzuwerfen, dass er die Schweinegrippe mit einer Krebserkrankung „gleichsetze“ und letztere dadurch „verharmlose“, nur weil er sie seinen Patienten gleichermaßen vom Leibe halten will. Und so bleiben für die Ablehnung eines Programms gegen jede Form von Extremismus wohl nur drei Motive denkbar: Es liegt ein schweres Missverständnis über Kern und Konsequenzen unserer demokratischen Verfassungsordnung vor. Das wäre, zumal bei Wissenschaftlern, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Rechtsextremismus beschäftigen, kurios. Oder manch’ Kritiker sympathisiert selbst mit anti-demokratischen Positionen und sieht sich durch die geplanten Maßnahmen betroffen – eine Unterstellung, die sich bei renommierten deutschen Hochschullehrern verbietet. Oder diejenigen, die anderen „politisch motivierte Denkschablonen“ vorwerfen, verfahren nach dem Motto „Haltet den Dieb!“ und unterscheiden bei der eigenen Argumentation nicht immer genügend zwischen wissenschaftlichen und eigenen politischen Motiven.
Demokratie ist ein Möglichkeitsraum für verschiedene politische Ideen, die sich in freien, gleichen und geheimen Wahlen behaupten müssen und kennt keine Sonderziehungsrechte für die politische Linke. Wer es ernst meint mit den Grundwerten einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung hat zuallererst genau diese gegen alle ihre Feinde zu verteidigen – ob sie nun von links oder von rechts kommen, von oben oder von unten. Freilich: Das ist nicht weniger, aber leider auch nicht mehr als die gute, alte Theorie des demokratischen Rechtsstaates und des politischen Pluralismus. Es wäre daher blauäugig, nicht auch die Frage nach dem Missbrauch einer Theorie zu stellen. Schon Marx wies darauf hin, dass insbesondere der Partikularismus sein eigenes „Interesse als das gemeinschaftliche Interesse aller Mitglieder der Gesellschaft darzustellen“ bestrebt ist. Allerdings gilt auch dies wieder unterschiedslos in allen Lagern – links wie rechts. In der politischen Auseinandersetzung kommt es daher regelmäßig zu einer beidseitigen Verniedlichung der Extremismen: So neigen Konservative bisweilen zur Verharmlosung von Rechtsextremisten und Linke zur Verharmlosung von Linksextremisten. Ausgeglichen wird dieser Trend paradoxerweise dadurch, dass die Kampflinien des Extremismus im gegnerischen Lager um so rigoroser gezogen werden: Da üben sich linksbewegte Multikulturalisten in Hitler-Austreibung an etwas spießig wirkenden Konservativen, während umgekehrt in der westdeutschen bürgerlichen Provinz aus harmlosen Öko-Sozialisten schon einmal langhaarige Bombenleger gebastelt werden.
Arglose Oma
Das Ganze wäre nicht unamüsant, wenn darin in Wahrheit nicht genau derselbe Fehler schlummerte, der einst zum Niedergang der Weimarer Republik geführt hat: eine mangelnde Entschlossenheit ausgerechnet der demokratischen Kräfte, den demokratischen Konsens einer pluralistischen Gesellschaft in den Vordergrund zu stellen und auf dieser Basis miteinander in Wettstreit zu treten. Und nicht umgekehrt. Dies jedoch setzt die Akzeptanz des politisch Andersdenkenden voraus. Die Demokratie erweist ihre Stärke eben gerade nicht dadurch, dass alle dieselbe mentale Soße löffeln. Und so gefährdet die Ignoranz gegenüber dem Extremismus im eigenen politischen Lager bei gleichzeitiger Ausweitung der extremistischen Kampfzone auf Seiten des politischen Gegners nicht nur realiter die Substanz unserer Demokratie, sondern führt vor allem zu einer schier unaufhaltsamen Ausbreitung der Mitte, zu einer Wucherung der politischen Belanglosigkeit, wie sie ausgerechnet die erste sozialdemokratische Bundeskanzlerin – der zugegeben schlechteren Sorte – der Bundesrepublik so virtuos verkörpert. Dies hat nicht nur das politische Desinteresse eines wachsenden Teils der Wählerinnen zur Folge, sondern vor allem einen Rückschritt in der politischen Kompetenz einer demokratischen Gesellschaft, Probleme lösen zu können. Denn aufrichtig gelebter Pluralismus ist neben seiner menschenrechtlichen Fundierung ein unerschöpfliches Reservoir an Defizitanzeigern und Ideenschmieden. Dieses Faktum kann nur leugnen, wer sich selbst und seine Fähigkeiten überschätzt. Das Konditionieren der Menschen auf einen Durchschnitt der Mitte hin, das medial vermittelte Abschleifen von Ecken und Kanten, die Einebnung politischer Unterschiede bereits im Hinblick auf ihre bloßen Möglichkeitsräume läutet daher nicht nur den Vorabend unbewältigter Krisen, sondern auch das Zeitalter der großen Langeweile ein.
Wohl gemerkt: Das alles sind Auswirkungen nicht der Theorie, sondern der Praxis, nicht der Idee, sondern ihrer Anwendung. Es würde niemand die Forderung nach Einstellung der Produktion von Holzlatten aufstellen, weil ein Verrückter des Nachts damit eine arglose Oma vermöbelt, anstatt daraus einen anständigen Zaun für seinen Vorgarten anzufertigen. Naiv daher, wer glaubt, dass mit der bloßen Ablehnung der Extremismus-Theorie – wie von verschiedenen kritischen Wissenschaftlern wegen einer angeblichen Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus immer wieder gefordert – die Möglichkeit des Missbrauchs zu politischen Zwecken bereits aus der Welt wäre. Diesen und die damit verbundenen Motive gilt es zu kritisieren, nicht die Theorie. Auch die stalinistische Praxis kann die Marx‘sche Theorie nicht widerlegen. Nicht ausgebuffte Theorien, sondern partikulare Interessen treiben politische Organisationen an. Es spricht daher alles dafür, auf Frau Schröder und ihre Programme gegen Extremismus Acht zu haben und sie zu kritisieren, sofern sie den Bogen überspannt – wenn sie nicht als Ministerin, die das demokratische Ganze zu fördern hat, sondern als konservative Ideologin die Kampfzone des Extremismus ausweitet. Im Interesse eines lebendigen Pluralismus und damit die Mitte nicht weiter Metastasen bildet, sollte dabei allerdings nicht vergessen werden: Wer auf den politischen Gegner mit dem Finger zeigt, richtet dabei drei auf sich selbst.
Mathias Brodkorb ist Mitglied der SPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und Mitbegründer der Internetseite
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Kommentare 19
»Kaum hatte Bundesministerin Kristina Schröder (CDU) nach ihrer Ernennung angekündigt, die Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus auch auf den Linksextremismus und religiösen Fundamentalismus ausweiten zu wollen, hagelte es Kritik von allen Seiten.«
Ich kenne noch eine vierte Art des Extremismus: den Extremismus der Mitte (Mitterextremismus).
»Warum nicht die Theorie des Extremismus, sondern deren Missbrauch unser Problem ist«
'Extremismus' ist zuerst einmal nur ein Wort. Das wird zum Begriff, wenn es eine Inhaltsdefinition bekommt. Zu bedenken ist dabei, dass es keine Generaldefinition gibt. In unserer pluralistischen Gesellschaft gibt es somit verschiedene Definitionen, was Extremismus ist. Inzwischen zeichnet sich schon eine inflationäre Entwicklung des Begriffs Extremismus ab: Am Ende wird jede Partei und jede Religion in der BRD von der jeweils anderen Seite als extremistisch angesehen.
Ich kann mich den Ausführungen in diesem Text zum großen Teil nicht anschließen und zwar nicht, weil die Aussagen auf einer ganz allgemeinen Ebene betrachtet gänzlich falsch wären.* Störend wirkt hier eher, dass alles viel zu allgemein formuliert und zudem noch kurzfristig analysiert wird. Vollkommen unbehandelt bleibt die Tatsache, dass Frau Schröder nicht umsonst den Ruf genießt, einerseits auf dem rechten Auge ein wenig blind zu sein (und deshalb auch mal zu schweigen, wenn quasi vor der eigenen Haustür der braune Mob sowohl verbal als auch handfest wütet), andererseits aber anscheinend kein Problem damit hat, sich in gezielte Hetzkampagnen gegen vermeintliche "Linksextremisten" einspannen zu lassen (man denke an die Angriffe gegen bspw. Christoph Butterwegge oder Franziska Drohsel, die zuerst von der "Jungen Freiheit" losgetreten und anschließend u.a. von Frau Schröder massentauglich gemacht wurden).
All dies und noch viel mehr muss man wissen, wenn man Frau Schröders Bemühungen sowie die Kritik daran richtig einordnen und verstehen will. Doch davon erfährt man hier: Nichts.
* Störend wirkt allerdings, dass hier, wenn auch nicht explizit, das Bild von der demokratischen Mitte impliziert wird, um die sich sozusagen links und rechts die Extremisten scharen. Was ist mit dem "Extremismus der Mitte", den "Red Bavarian" hier vollkommen zu recht anspricht?
…der ganze Beitrag ist eine pur idealistische Setzung - jenseits auch nur der bescheidensten Erklärungsversuche der Sache um die es geht - der ganz selbstverständlich DAVON AUSGEHT, es handle sich bei „Demokratie“ um einen aus dem Wertehimmel über die Menschheit gekommenen, unangreifbaren und quasireligiösen Wert. Mit diesem schönen Maßstab an der Hand braucht dann nur aufgepasst zu werden, wo denn da abgewichen wird – links, rechts, mitte, oben, unten…etcpp.
Mit dieser interessierten Dummheit ist man dann genau da gelandet, worauf es dem Autor ausschließlich ankommt:
Im moralischen Beurteilungssumpf des verantwortungsbewussten Staatsbürgers, der jenseits aller wirklich gültig gemachten Interessen und Zwecke dieses Herrschaftsinstituts einen ideologischen Maßstab verpasst bekommt, der ihn ganz „von selbst“ für herrschaftliche Zwecke PARTEI ergreifen lässt…
M.E. ist es schon problematisch auf einen Text einzugehen, der das Wort "Multikulturalisten" benutzt um Linke zu verunglimpfen; das ist tatsächlich nicht weit weg vom PI-Niveau und zeigt mir zumindest ansatzweise welch unreflektierten Geistes Kind der Herr ist.
Absolut abgeschreckt von den "linkeren" Positionen neigen Sozialdemokraten seit Jahr und Tag zum polemisieren.
Darüber hinaus übersieht er etwas ganz Grundlegendes, wenn er linke und rechte "Grundgesetzablehner" vergleicht und zusammenwirft. Die linken Positionen, die nämlich unter diesen Label verabschiedet werden sind meistens (oder zumindest in der Regel) absolut mit dem Grundgesetz vereinbar. (Hierbei verweis ich kurz auf: bit.ly/tBE8g)
Also zumindest wirtschaftspolitisch sind viele Gruppierungen (AntiFa, etc.) nicht grundgesetzwidrig orientiert.
Dazu kommt noch die Kritik an der "Abschleifung der Kanten", die m.E. absolut fehl läuft, da der sog. Mainstream
(...) derzeit eine dermaßen große Meinungspluralität beinhaltet, die sogar hinterfragen läßt, was die "Mitte", der Mainstream überhaupt sein soll. Seine Kritik geht also eher in die Richtung des "was man nicht mehr sagen darf". Wer diesen Quark breit schlägt ist uns allen ja wohl bekannt.
"wie sie ausgerechnet die erste sozialdemokratische Bundeskanzlerin – der zugegeben schlechteren Sorte – der Bundesrepublik so virtuos verkörpert"
Angela Merkel ist genauso wenig sozialdemokratisch wie Gerhard Schröder.
Aber zum Thema: Wenn Extremismus dasselbe wie anti-demokratisch dann ist "rechtes Gedankengut" doch eher extremistisch als linkes, oder?
Mist die Grammatik! Warum kann man hier auch seine Kommentare nicht editieren?
sollte natürlich heißen: Wenn Extremismus dasselbe wie anti-demokratisch ist, dann ist "rechtes Gedankengut" doch eher extremistisch als linkes, oder?
Extremist ist wer von anderen Extremisten als Extremist bezeichnet wird. Wer von wem offiziell als „extrem” kategorisiert werden darf, entscheidet die Definitonsmacht.
Ich zum Beispiel bin grundgesetzextremistisch. Denn ich fordere die Einhaltung auch von Art. 14 und 15 und sage, dass anders eine konsequente Umsetzung von Art. 2 nicht möglich ist.
Damit stehe ich natürlich im krassen Gegensatz zu Pluralisten. Denn die Auffassung, man solle „das GG mal nicht so verbissen sehen”, wenn bestimmte Interessen dagegen stehen, akzeptiere ich nicht als „gleichwertig”.
Und in meinem grenzenlosen GG-Extremismus gehe ich noch einen Schritt weiter: Auf Grund des Artikels 146 fordere ich, dass eine Verfassung von „dem deutschen Volke in freier Entscheidung” zu beschliessen ist. Und sage dazu, dass ein Entwurf, der Anfang 1990 in der damals noch existenten DDR erstellt wurde, eine gute Grundlage für die demokratische Verfassung des deutschen Volkes war. Da muss man sich nicht wundern, wenn ich von selbsternannten „Demokraten” als „extrem” ansehen werde.
Natürlich könnte man meine Haltung auch "anti-illegalistisch" bezeichen, aber das ist eben keine amtlich zertifizierte Kategorie.
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>>Damit droht angeblich „eine vordergründig politisch motivierte ‚Rückkehr‘ in die Denkschablonen des Kalten Krieges.“
Eine Rückkehr in die „Denk-”, oder sollte man eher „Definitions-"Schablonen des kalten Krieges ist nicht möglich, weil sie niemals abgelegt wurden.
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>>Auch die stalinistische Praxis kann die Marx‘sche Theorie nicht widerlegen.
Umgekehrt kann „marxistisch”-anaytische Vorgehensweise den „Stalinismus” erklären. Und damit eine Grundlage zur Vemeidung liefern. Wer das ablehnt und stattdessen lieber einen geistig nicht fassbaren Dämon beschwört, der verfolgt unlautere Ziele. Wie alle Exorzisten.
die artikel 14, 15 und 146 sind gute artikel, der artikel 2 ist ein bisserl mau. ansonsten kann ich der argumentation gut folgen, weil ich keine einwände habe. und mich auch an die versäumte verfassungsdiskussion erinnere.
Ich kann mich den Vorrednern, die den Artikel kritisieren, in Teilen anschließen. Ganz gewiss gibt es in 'der' Linken ein Problem, was die Auseinandersetzung mit Demokratie betrifft.
In ihrer Radikalform liefert (orthodox-)marxistisch motivierte Kritik einen engen Zusammenhang zwischen kapitalistischer Produktionsweise und bürgerlicher Demokratie. Erst vor wenigen Wochen durfte ich einem Vortrag des "Gegenstandpunkt"s lauschen, der sich mit den Privateigentums-Paragraphen des GG auseinandersetzte und im Gesamtkonstrukt der Verfassung ein Grundübel ausmachte.
Persönlich würde ich mich in dieser Frage "claudia" anschließen. Ich sehe keinen notwendigen Zusammenhang zwischen (parlamentarischer) Demokratie und kapitalistischer Marktwirtschaft. Entsprechend kann ich mich der groben Definition "extremistisch = anti-demokratisch" durchaus anschließen. Womit ich wieder am Anfang wäre und damit bei der Frage: Was heißt eigentlich "links", was "rechts"?
Ich kann diese Frage nicht beantworten, auch wenn ich unter wahrhaften Rechten entweder Strukturkonservative oder Nazis verstehe. Zwischen beiden liegt schon ein himmelweiter Unterschied. Was das linke Spektrum betrifft, so sieht die Lage für mich noch weit diffuser aus, weil nicht einfach zum Konservatismus der Gegenbegriff des Progressiven zur Anwendung kommen kann. Während das, mit Bezug worauf man konservativ ist, als gegeben gilt, sieht die Zukunft für jeden so aus, wie es dem eigenen politischen Gusto entspricht.
Gesamtgesellschaftlich könnte man sich vielleicht dazu durchringen, politisch motivierte Gewalttaten zu ächten und strafrechtlich zu verfolgen. Wenn die Politik sich zugleich an Prophylaxe beteiligte, würden zudem nicht nur Symptome behandelt. "Das linke Ohr" aber lauscht auf, sobald der Verdacht entsteht, "pro Demokratie" werde mit "anti Kritik" gleichgesetzt.
Diese Gefahr besteht in meinen Augen durchaus, wenn die Union das entsprechende Ministerium besetzt hält. Als strukturkonservative Partei sieht sie sich beauftragt, die Demokratie dadurch zu schützen, dass sie soweit wie möglich kanalisiert wird. Ich befürchte allerdings, dass gerade junge Menschen dem Hang zu (sinnloser) politischer Gewalt oder politischer Teilnahmslosigkeit desto eher anheim fallen, je weniger direkt die Demokratie ausfällt.
Das beste Mittel gegen politischen Extremismus wäre größere politische Teilhabe der Bevölkerung. Leider stehen dafür die Anzeichen in Deutschland nicht gut. Hier aber liegt das zentrale Problem des Artikels und zugleich eine Parallele zur Weimarer Republik. Man irrt, fürchte ich, wenn man davon ausgeht, in Deutschland lebten 80 Millionen überzeugte Demokraten. Davon geht man aber aus, wenn man meint, vor allem an den sog. "Rändern" kämpfen zu müssen. Nach meiner Wahrnehmung gibt es hierzulande aber wie einst zu wenig Demokraten - mit dem Unterschied jedoch, dass sie nicht "anti-demokratisch", sondern "ademokratisch" eingestellt sind.
Diesem "Ademokratismus" ist das Gewäsch von der inhaltsleeren politischen "Mitte" Wasser auf die Mühlen. Hierzu bräuchte es Theoriebildung. Die Extremismusdebatte wird sich immer in fingerzeigenden Lagern bewegen - hier liegt Herr Brodkorb richtig.
Auf jeden Fall waere sie in Bonn immer ein Grund gewesen, ueber die Strasse von der SPD- auf die CDU-Wahlparty zu gehen.
Fehler schlummerte, der einst zum Niedergang der Weimarer Republik geführt hat: eine mangelnde Entschlossenheit ausgerechnet der demokratischen Kräfte, den demokratischen Konsens einer pluralistischen Gesellschaft in den Vordergrund zu stellen und auf dieser Basis miteinander in Wettstreit zu treten.
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Was immer davon zu halten ist, man muss mal ein Verordnungsblatt aus der Zeit lesen, Uniformverbot an Weihnachten, und an Tierse denken, was hat das mit Demokratie zu tun, Extremismus waere erst einmal zu definieren. Radikalitaet heisst Entschlossenheit. Man muss den Begriff positiv besetzen, Deine Rede sei Ja, Ja, Nein, Nein steht schon in der Bibel und Partei kommt von Aktion.
Man muss auch dem Begriff des sogenannten Verfassungsschutzes realistisch sehen:
Partei kommt von Aktion.
>>
schreit nach dem Verfassungsschutz. Verfassungsschutz als vorbeugendes Polizeirecht mit anderen Mitteln. Was haben Araber mit der Verfassung zu tun. Usw. Man sollte sich nicht scheuen, ein Extremist zu sein. Eine Partei ohne Aktion ist gar nicht denkbar.
Umgekehrt kann „marxistisch”-anaytische Vorgehensweise den „Stalinismus” erklären. Und damit eine Grundlage zur Vemeidung liefern.
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Wir brauchen diese Analyse?
Jetzt schreibt hier endlich mal einer einen gescheiten Artikel über Extremismus und dann wieder nur großes Genöle.
"Wenn Extremismus dasselbe wie anti-demokratisch ist, dann ist "rechtes Gedankengut" doch eher extremistisch als linkes, oder?" Warum? Dieses Dinge-ohne-jede-Begründung-behaupten, dieses Gefühl, schon durch die politische Richtung immer "auf der richtigen Seite" zu sein ist, das, was ich an fast allen Menschen, die sich als "rechts" oder "links" bezeichnen, wahrnehme und ablehne --- also WARUM?
Finde ich auch. Ich, jemand der sich aus gutem Grund weder als "links" oder "rechts" bezeichnet oder von solchen imaginären Richtungen sein Denken abhängig macht, sehe darin ein Problem der "Linken" im demokratischen Rahmen im Verglich zu "Rechten" im demokratischen Rahmen: Während jeder gemäßigt Rechtskonservative (naja, die meisten ;-)) eindeutig neonazistische Bewegungen ablehnt, nehmen gemäßigte Linkssozialisten in der Regel Hardcore-Kommunisten in Schutz, bis hin zu Verharmlosern des Stalinismus, weil alles was "links" ist, irgendwie "gut" oder zumindest "gut gemeint" wäre. Da ist eine Schieflage: auch "Kampf gegen Rechts" ist schon sehr, sehr unglücklich, denn man bekämpft ja dann eine legitime Seite des politschen Spektrums und eine gedachte Mitte der Gesellschaft ...
Daher bezeichnet sich niemand mehr guten Gewissens als "rechts", wohl aber, und in immer größerem Maße als "links" - und dass dieses Wort "links" dann eine Fahne wird, hinter der man sich schart und die, die nicht "wirklich links" sind oder nicht "links genug" sind, bekämpft, macht einen Teil des Problems aus ...
P.S.: "Daher bezeichnet sich niemand mehr guten Gewissens als "rechts"" - Lapsus von mir - ich meinte natürlich: niemand der grundgesetztreuen Demokraten ;-)