Das zweifelhafte Glück der Arbeitslosen

Im Kino "Montags in der Sonne" von Fernando León de Aranoa

Sich an einem Montag Nachmittag die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, gehört zu den angenehmeren Dingen im Leben. Den Blick in eine Zeitung werfen oder ihn schweifen lassen oder einfach nur dösen. Faul sein; der kapitalistischen Maschine mal einen kleinen Knüppel ins gut geölte Zahnradwerk werfen. Doch was, wenn es sich umgekehrt verhält? Wenn die Maschine einem selbst den Stolperstock hinhält? Wie das bei einer Gruppe von Werftarbeitern in einer kleinen Hafenstadt der Fall ist, von der uns der Regisseur Fernando León de Aranoa in diesem Film berichtet, der in Spanien gleich in fünf Kategorien mit einem Goya als bestes Werk des letzten Jahres ausgezeichnet wurde. Die Männer im Alter zwischen 40 und 55 Jahren wurden nämlich entlassen, weil ihre Arbeit in Südkorea längst billiger gemacht wird. Der Film beginnt mit Bildern vom Streik und wütendem Protest, der freilich inzwischen drei Jahre her ist und- natürlich - vergeblich war. Es bleibt nur der erzwungene Müßiggang, den die Männer immerhin noch einigermaßen zu genießen wissen, wenn sie sich Montags in die Sonne setzen. Doch schleichen sich auch in ihre Träumereien bereits wieder die Gesetze des freien Marktes. Warum nicht nach Australien auswandern, fragen sie sich zum Beispiel. Dort soll es massenhaft Jobs geben. Und, vielleicht noch wichtiger, auch Frauen im Überfluss. Obwohl es sich bei Montags in der Sonne erst um den dritten Spielfilm des 36-jährigen Fernando León de Aranoa handelt, ist es ein ausgesprochen reifes Werk. Es verzichtet auf die grellen Momente der frühen Almodóvar-Filme, die bei uns eine Zeitlang als typisch spanisch galten und pflegt statt dessen eine grimmige Heiterkeit, die sich immer darüber im Klaren bleibt, dass das Leben seiner Protagonisten zu mehr Komik kaum Anlass gibt. Denn die Arbeit, einst an feste Standorte gebunden, mag inzwischen seltsam flüssig und verschiebbar sein. Für die Arbeitskraft aber gilt das nicht ohne weiteres. All ihren Träumen zum Trotz bleiben die Männer an ihre Heimat gebunden, die ihnen kaum noch eine andere Perspektive bietet als demoralisierende Gänge zum Arbeitsamt und den allabendlichen Gang in die Stammkneipe, wo sie sich über die Demütigungen des Alltags hinwegzutrösten versuchen. An jeder einzelnen Biographie wird klar, welchen extremen, alle Sicherheit nachhaltig erschütternden Einfluss der Verlust der Arbeit auf das Leben der Protagonisten hat: Lino (Jose Angel Egido) schleicht verzweifelt von einem Bewerbungstermin zum nächsten. Immer voller Angst, den Ansprüchen nicht genügen zu können, quält ihn zusätzlich noch die krankhafte Phantasie, durch Körpergeruch unangenehm aufzufallen. José (Luis Tosar) leidet darunter, dass nun allein seine Frau (Nieve de Medina) das Geld nach Hause bringen muss und gefährdet mit seinem störrischen Verhalten schließlich sogar die Ehe. Allein Santa (Javier Bardem), ein Großmaul, mit groben, aber klugen Sprüchen, scheint sich auch in der Misere die Selbstachtung bewahrt zu haben. Manchmal freilich kaschiert seine derbe Art, mit der er die Freunde regelmäßig vor den Kopf stößt, nur seine tiefe Verunsicherung. In erster Linie lebt der Film von dem feinfühligen Porträt der Protagonisten. Aus der klugen Beobachterhaltung des Regisseurs heraus entsteht jedoch auch eine Studie über Arbeit und Identität, die wertvoller scheint als so manche wissenschaftliche Untersuchung zum gleichen Thema. Fernando León de Aranoa beschreibt lokale sozialwirtschaftliche Verhältnisse ebenso wie globale Zusammenhänge, entfernt sich dabei aber niemals von den Figuren, die er mit viel Liebe, wenngleich durchaus nicht unkritisch begleitet. Er sieht ihren Trotz und die Unfähigkeit, das Unglück anders als streitend und saufend zu bewältigen. Aber auch den rauen Charme, den Sinn für Schabernack sowie schließlich ihre Erkenntnis, das trotz aller Differenzen ein Zusammenhalt der Gruppe das beste Mittel gegen die drohende Isolation ist.

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