Dementi

Linksbündig Was tut der BND im Irak - und tut er, was er tut, für Deutschland? Ein Experte rät

Eins vorweg: Wir waren es nicht, der BND ist´s gewesen. Wir haben einiges auf dem Kerbholz, aber es gab während des Irak-Krieges keine Titanic-Aktion in Bagdad. Ich muss es wissen, denn zusammen mit Steinmeier, Schröder und Fischer war ich mitverantwortlich für Sternstunden deutscher Satire und Außenpolitik. Wie oft haben wir Titanic-Redakteure zu Zeiten des Schröder-Regimes hoheitliche Aufgaben übernehmen müssen! Haben zum Wohle unseres Landes hinter den Kulissen agiert und häufig genug die Kastanien aus dem Feuer geholt; wiederholt auch in der Außenpolitik.

Als etwa die FPÖ in Österreich an die Macht kam und Jörg Haider ankündigte, EU-Entscheidungen zu blockieren, gab es endlose Diskussionen über mögliche Sanktionen gegen das kotelettförmige Land. Wir handelten. Im vertraulichen Telefongespräch mit der österreichischen Außenministerin Benita Ferrero-Waldner teilten wir mit, der Alpenstaat sei leider von der EXPO in Deutschland ausgeladen. Die Dame reagierte empört, fast geschockt; vielleicht auch, weil sie durch ein bedauerliches Missverständnis dachte, sie sei mit "Achim Schmillen, Büroleiter von Außenminister Fischer" verbunden. Ihr Bundeskanzler Schüssel soll in Wien das ganze Wochenende über getobt haben. Anstatt die diplomatische Steilvorlage aufzunehmen, knickte die deutsche Bundesregierung zwei Tage später ein. Kaum wiedergutzumachender außenpolitischer Schaden und eine schwer defizitäre EXPO waren die Folgen.

Auch als die Bundesregierung erstmals nach der deutlichen Niederlage von 1945 die Möglichkeit sah, zumindest einen kleineren Krieg zu gewinnen, mussten wir einspringen: Im Eifer des Gefechts hatten Regierung wie Bundespräsident vergessen, Jugoslawien den Krieg zu erklären, bevor deutsche Kampfflugzeuge völkerrechtswidrig Richtung Belgrad flogen. Diplomatisch korrekt erklärten wir dem Land über die schwedische Botschaft zumindest "rückwirkend den Krieg" und baten um "Verständnis dafür, dass Ihnen diese Kriegserklärung erst jetzt zugeht. Durch einen Krankheitsfall im Sekretariat hat sich über die Osterfeiertage doch eine ganze Menge Post angestaut..." Gedankt hat man es uns nicht.

Am effektivsten aber waren wir in sportpolitischer Hinsicht. Nach einer überaus peinlichen Bewerbung um die WM 2006 durch Franz Beckenbauer und Gerhard Schröder ließen wir am Abend vor der Entscheidung den FIFA-Delegierten in Zürich Bestechungsfaxe unter ihren Hotelzimmertüren durchschieben und lobten für eine Stimme zugunsten Deutschlands "a fine basket with specialties from the black forest, including some really good sausages and - hold on to your seat - a wonderful Cuckoo Clock" aus. Prompt enthielt sich der 78-jährige, geistig rege Neuseeländer Charles Dempsey am nächsten Tag der Stimme - ausschlaggebend und entgegen seinem Auftrag. "This final fax broke my neck", sagte er (auch wenn mit Sicherheit noch ganz andere Bestechungsangebote im Spiel waren!), und FAZ wie Tagesthemen verkündeten: "Die Titanic hat den Deutschen die Fußball-WM beschert: 1,5 Milliarden Euro Bruttosozialproduktszuwachs und 30 000 neue Arbeitsplätze!"

Aber Bagdad? Nein, wir diesmal nicht. Leider. Denn trotz aller gelungenen Titanic-Aktionen, in denen wir aus tiefster Überzeugung und Sorge um unser Land gehandelt haben, ohne dass wir direkt demokratisch legitimiert gewesen wären, einfach aus dem Bewusstsein heraus, dass in der Demokratie nur die Mittelmäßigen Führungspositionen bekleiden, beneide ich die beiden BND-Mitarbeiter, die gerade im Irak ihr Meisterstück geliefert haben. Egal, in welcher Form sie ihren amerikanischen Kollegen Schützenhilfe geleistet haben - ob sie sogenannte Targets vermeldeten oder der Korrektheit halber lieber so viele Non-Targets, dass nur die Targets übrig blieben, oder ob sie auf einem Falkplan von Bagdad "Schiffe versenken" spielten, während sie mit den Amerikanern telefonierten. Die eigentliche Leistung, die uns höchste professionelle Anerkennung abnötigt, ist die kolportierte Entschuldigung bei den US-Kollegen "für Schröder und die Art und Weise, wie die deutsche Regierung sich benommen hat". Dieses Land wird nicht mehr von der Politik regiert; die wirklich wichtigen Entscheidungen werden von Titanic getroffen. Und neuerdings vom BND.

Martin Sonneborn leitet das Hauptstadtbüro des Satiremagazins Titanic.


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