Democracy = Democrazy?

Kommentar Referendum in Mazedonien gescheitert

Wahlen können nur dann demokratisch sein, wenn der Westen sie mit seinem Gütesiegel beglaubigt. In diesem Sinne waren etwa 2004 die Wahlen in Georgien und in Afghanistan hui und die Urnengänge in Weißrussland und der Ukraine eher pfui. Erstere hatten das Plazet von NATO, EU und OSZE, letzteren wurde es verweigert. Mit Unregelmäßigkeiten und Manipulationen hatte das wenig zu tun, die gab es nämlich in allen diesen Fällen. Wichtiger war, dass sich in Tiflis und Kabul die Wunschkandidaten des Weißen Hauses durchgesetzt hatten, in Minsk und Kiew aber das Gegenteil der Fall war beziehungsweise (nach der Stichwahl in der Ukraine) sein könnte.

Ganz besonders freihändig werden Freedom Democracy auf dem Balkan ausgelegt, seit dort die NATO das Sagen hat. So warnten Washington, Brüssel und Berlin im Oktober gebetsmühlenartig vor einem Boykott der Regionalwahlen im Kosovo. Im November in Mazedonien wurde hingegen die gegenteilige Parole ausgegeben: Nun hieß es plötzlich, allein Boykotteure seien gute Demokraten.

Democracy = Democrazy? Keine Aufregung, es hat alles seine innere Logik. Das Kosovo ist mit NATO-Unterstützung eine albanische Provinz geworden, der fast hundertprozentige Wahlboykott der Serben machte dieses Skandalon sichtbar und war deshalb für die westlichen Protektoratsmächte ein Ärgernis. In Mazedonien hingegen sollte per Referendum die Schaffung eines zweiten Kosovo, eines rein albanisch verwalteten Siedlungsblocks im Westen des Landes nämlich, verhindert werden - deshalb forderten die Herren Rumsfeld, Solana und Fischer zur Wahlabstinenz auf.

Die Prognosen signalisierten bis zuletzt eine mehrheitliche Zustimmung der Slawomazedonier zur Beibehaltung der bisherigen Verwaltungsstrukturen. Nur so lasse sich eine Zersplitterung der Republik entlang der ethnischen Linien verhindern, argumentierten die Initiatoren der Volksabstimmung. Drei Tage vor dem Referendum spielten die USA dann den Joker: Sie erkannten den kleinen Balkanstaat unter seinem Wunschnamen Republik Mazedonien an und erfüllten damit einen Herzenswunsch des größten Teils der Bevölkerung, die sich bis dahin in der internationalen Arena mit dem provisorischen Schmuddeltitel Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien begnügen musste. Der kostenneutrale Symbolismus genügte, um die Ängste vor einer Auflösung des Staates zu besänftigen: Der neue Name wird die Existenz unserer Nation sichern, auch wenn die Albaner sich künftig selbst regieren, dachten sich viele Mazedonier nach dem Signal aus Washington - und blieben dem Referendum fern.

Um auf Nummer sicher zu gehen, ließ die Regierung - so die Kritik der Opposition - am 7. November die Wahllokale auf einem Fünftel des Staatsgebietes erst gar nicht öffnen. Nach amtlichen Angaben sollen schließlich weniger als 25 Prozent abgestimmt haben - erforderlich wären mehr als 50 Prozent gewesen. So macht man Demokratie.


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