Den Ball flach halten

Finanzkrise Angela Merkel muss bis zum Wahltag am 22. September die Illusion aufrecht erhalten, dass sich Griechenland wieder ohne fremde Hilfe an den Kapitalmärkten verschulden kann
Ausgabe 35/2013
Den Ball flach halten

Foto: AFP/Louisa Gouliamaki

Mehr denn je ist Griechenlands Wirtschaftspolitik bloß noch ein Wurmfortsatz der deutschen Innenpolitik. Spätestens bis zum Wahltag am 22. September muss Angela Merkel die Illusion aufrecht erhalten, dass die rigorose Sparpolitik, die sie gemeinsam mit der EU-Kommission den Griechen verordnet hat, Früchte trägt. Konkret: dass sich Griechenland wieder ohne fremde Hilfe an den Kapitalmärkten verschulden kann. Weil es – wieder einmal – um das Vertrauen der Kapitalmärkte geht, meint Merkel, es verbiete sich von vornherein jede offene Diskussion.

Glaubt man der offiziellen Version, steht Griechenland unmittelbar vor dem Durchbruch. In den ersten sieben Monaten von 2013 hätten die Einnahmen die Ausgaben vor Zinsen um 2,6 Milliarden Euro überstiegen, heißt es. Wie das bei steigender Arbeitslosigkeit und sinkendem Wachstum möglich sein soll, blieb dabei schleierhaft.

Inzwischen hat die griechische Zentralbank eigene Daten veröffentlicht: Danach sind die Einnahmen gegenüber dem Vorjahr um 1,2 Milliarden gesunken und die Ausgaben um 1,3 Milliarden gestiegen. Dass das Staatsdefizit dennoch nur wenig zugenommen hat, ist vor allem einem Privatisierungerlös von rund 2,5 Milliarden Euro und dem Aufschub von Zinszahlungen zu verdanken. Von einer Trendwende kann also überhaupt nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Griechenland versinkt ökonomisch und finanziell immer tiefer im Sumpf.

Bloß nicht Griechenland fallenlassen

Und Deutschland zahlt selbstverständlich mit. Von den insgesamt 237 Milliarden Euro an Hilfsgeldern bürgt Deutschland für rund 50 Milliarden. Die bisherigen Rettungspakte dienten vor allem dazu, Guthaben von privaten Gläubigern abzulösen. Beim dritten Hilfspaket wird es „nur“ noch darum gehen, die weiter auflaufenden Staatsdefizite zu decken und den griechischen Staat vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren. Dabei handelt es sich um etwa 15 Milliarden Euro.

Diese Summe ist zwar schmerzlich, aber sie ist „Peanuts“ im Vergleich zu dem, was auf die EU zukommt, wenn sie Griechenland fallen lässt. Gibt man nämlich erst einmal zu, dass Griechenland seine Schulden nicht mehr zurückzahlen kann, stellt sich dieselbe Frage auch für alle anderen Schuldnerländer der Eurozone. Und dann geht es für den deutschen Staatshaushalt nicht mehr nur um die 50 Milliarden Euro Garantien für Griechenland, sondern um die bisher 310 Milliarden Euro Garantien für alle Schuldnerländer im Rahmen diverser Rettungsaktionen.

Es wird dann aber nicht nur um die Werthaltigkeit der staatlichen, sondern auch der privaten Forderungen gehen. Die eine oder andere Bankenpleite wäre nicht mehr auszuschließen. Angela Merkel hat also allen Anlass, den Ball flach zu halten und jede ernsthafte Diskussion im Keime zu ersticken.

Nach der Wahl wird sie hoffentlich einmal mehr das tun, was sie am besten kann: den Kurs radikal ändern. Dass sie damit die Wähler kurzfristig verunsichert, muss man wohl hinnehmen. Wichtig ist nur, dass die Kapitalmärkte ruhig bleiben. Das ist der Part von Mario Draghi, dem Chef der Europäischen Zentralbank. Er wird mit Merkels Segen noch jahrelang alle faulen Kredite aufkaufen müssen. Denn mehr denn je gilt: Eine aufgeblähte Banken-Bilanz ist immer noch viel besser als ein geplatzter Euro.

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