Den Rechten das Feld nicht überlassen

Dänemark Die nun schon Jahre währende Debatte über Meinungsfreiheit und Islam hat zu verhärteten Fronten geführt. Der Anschlag in Kopenhagen befeuert die Rechtspopulisten
Ausgabe 08/2015
Blick auf den Trauermarsch zu Ehren der Ermordeten
Blick auf den Trauermarsch zu Ehren der Ermordeten

Foto: Asger Ladevoged/AFP/Getty Images

Als Omar Abdel Hamid El-Hussein letzten Samstag den 55-jährigen Filmregisseur Finn Nørgaard erschoss, der als Teilnehmer auf einer Konferenz für Meinungsfreiheit und Blasphemie unterwegs war, und später am selben Abend einen 37-jährigen jüdischen Wachmann vor der Synagoge in Kopenhagen ermordete, war das nicht nur ein weiterer Anschlag auf die Meinungsfreiheit in Europa.

Es war auch ein Anschlag auf das Vertrauen und die Offenheit, die als Fundamente der skandinavischen Wohlfahrtsgesellschaften gelten. Man muss befürchten, dass diese Tat die politische Kultur in Dänemark, die jahrzehntelang von Gelassenheit geprägt war, grundlegend verändern wird. Das befürchtete wohl auch die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, die an der Trauerfeier vor mehr als 40.000 Menschen umso mehr den Zusammenhalt betonte und beteuerte, dass die Dänen fest gegen den Terror stehen.

Trotz solcher Beschwörungsformeln geht ein Riss durch alle skandinavischen Gesellschaften. Die nun schon Jahre währende Debatte über Meinungsfreiheit und Islam hat zu verhärteten Fronten geführt. Dabei droht ein fundamentales Problem verschleiert zu werden, das spätestens seit der Terrorattacke auf Charlie Hebdo deutlich geworden sein sollte: Europa steht vor einer konkreten und akuten Bedrohung von gewaltbereiten Islamisten.

In den letzten Jahren sah sich eine wachsende Anzahl von Künstlern und Intellektuellen in ihrem Leben bedroht. Eines der Hauptziele des Kopenhagener Anschlags war der schwedische Künstler Lars Vilks, der den Propheten als Hund gezeichnet hatte und deswegen auf die Todesliste von Al Quaida kam. Der dänische Karikaturist Kurt Westergaard wurde in seinem Haus mit einer Axt angegriffen. Und bis dato hat die Polizei mehrere Attentate gegen die Zeitung Jyllands-Posten vereitelt, die Westergaards Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatte.

Der Anschläge von Paris und Kopenhagen wurden von „radikalen Verlierern“ (Hans Magnus Enzensberger) verübt. Ein starker Hinweis, dass die bestehende Integrationspolitik gescheitert ist. Sie muss also neu formuliert werden. In Skandinavien ist eine solche Neuorientierung durch die polarisierte Debatte jedoch schwierig. Gewinner sind die rechtskonservativen Kräfte. In Kopenhagen fordern deren Politiker nun eine noch härtere Einwanderungspolitik. Bei der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei wird der Anschlag schon jetzt als Konsequenz einer „maßlosen“ Einwanderung instrumentalisiert. Zugleich werden Vilks oder Westergaard von großen Teilen der skandinavischen Linken immer noch als „islamophobe Provokateure“ betrachtet, die aus fremdenfeindlichen Motiven eine Minderheit verhöhnen und deshalb für ihr tödliches Risiko selbst verantwortlich sind.

Wenn nicht nur die dänische, sondern die europäische Linke eine glaubwürdige Rolle in der Verteidigung der Meinungsfreiheit und im Kampf gegen Diskriminierung einnehmen soll, muss sie gegen jede Einschränkung der Meinungsfreiheit vorgehen, die auch von muslimischen Parallelgesellschaften ausgeht. Wer aus missverstandener Solidarität die Grenzen der Meinungsfreiheit von Fundamentalisten abstecken lässt, tut gerade den moderaten Mitgliedern in der muslimischen Community keinen Gefallen.

Troels Heeger ist Korrespondent der dänischen Tageszeitung Information

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