Wenn echte TV-Journalisten das Offroad-Team so durch die Weltgeschichte gondeln sähen, würden sie direkt neidisch werden. Offroad-Truck und Offroad-Jeep plus Equipment eingesackt und ab dafür - "Chef, wir melden uns." Wäre schön, würden die echten TV-Journalisten sagen. Aber bitte, das ist alles nur zur Unterhaltung gedacht. Und in der Unterhaltung stirbt die Wahrheit zuerst. Also müssen Adventure-Dramen statt langweiliger Recherche her. Zehn Folgen zeigt das Erste bis zum Ende des Jahres jeden Montag um 18 Uhr 54.
Die Reporter-Soap offroad.tv ist nichts geringeres als Teil der Pre-Primetime-Offensive der ARD. Mehr aus Versehen stolpert das Team in seine Geschichten - mal zwischen den Frontlinien verfeindeter Rebellen, mal auf der Spur georgischer Mensche
, mal auf der Spur georgischer Menschenhändler und auf jeden Fall brandgefährlich. Schon im ersten Teil hob Moderatorin (Ex-Bravogirl Lori Stern) samt Praktikantin (Julia Preuss) infolge eines Erdbebens unversehens im Heißluftballon ab, dem das Gas ausging, weswegen beide flach über dem Boden und knapp vor der Klippe absprangen und reinfielen in die ebenso unterirdische wie uralte kappadokische Stadt. Dort gingen sie dann auch noch verschütt, weil nach dem Beben das Nachbeben bebt. Zum Glück kommt der Rest der Crew mit den Allrad-Fahrzeugen ja überall hin. Kamera läuft, Bericht fertig.Der Inhalt der Folgen lässt sich also nur unzureichend mit Making-of-Auslandsreportage umschreiben. 50 Minuten blanker Action-Wahn - kaum hohler als andere Serien und so schalten über drei Millionen Zuschauer ein. "Zuschauerrekord", durfte denn auch die ARD-Ansagerin vor der dritten Folge jubeln. Alle sind erleichtert.Schon seit längerer Zeit hatte der Vorabend nicht mehr funktioniert. Soll heißen, er wurde nicht mehr so gern gesehen. Diesen Quotenschwund sahen nun die ARD-Programmplaner gar nicht gerne: Vor allem junge Frauen, die vorabendliche Kernzielgruppe des Ersten, zogen andere Programme vor. Die täglichen Seifenopern Verbotene Liebe und Marienhof haben sich nach dem BigBrother-bedingten Quotensinkflug zwar wieder erholt und schwanken stabil zwischen 17,8 und 18,4 Prozent in der werberelevanten Gruppe der 14- bis 49-Jährigen. Danach aber schalteten die Zuschauer lieber weg.Um den "Audience Flow" zu verbessern, will die ARD nun mit jungen und neuen Formaten aufwarten. So ist offroad.tv auch keine reine Vorabendserie, sondern ein multimediales Gesamtkunstwerk. Bereits Anfang September wurde ein gleichnamiges Internetportal freigeschaltet. 20 echte Online-Reporter, die bereits seit Oktober letzten Jahres on the road sind, dürfen ihre Offroad-Geschichten aus aller Welt hier veröffentlichen. Die Reporter rekrutieren sich vermutlich aus jener Spezies Rucksackreisender, die stets von "Wir Backpacker" reden und ausschließlich in Bob-Marley-Lodges nächtigen. So lesen sich jedenfalls die meisten Texte. Viele junge Internetnutzer hielt das nicht davon ab, bereits in der ersten Woche nach Online-Gang über eine Million mal auf die Seite klicken. Dass sie dann durchschnittlich sogar 18 Minuten dort verweilten, mag am angenehmen Äußeren der Seite liegen. Oder am langsamen Aufbau. In ihrer Online-Studie 2001 haben ARD und ZDF herausgefunden, dass es sie gibt, die angestrebten Synergien zwischen programmbegleitenden Internetangeboten und Fernsehen. Mehr als jeder zweite hat angegeben, nach vertiefender Onlineinformation mehr von einer Sendung zu haben. Zwar haben die Öffentlich-rechtlichen schon des öfteren angekündigt, ihr Internet-Angebot reichlich auszuweiten, doch das Zusammenwachsen von Fernsehen und Internet erfolge weit langsamer als geplant, sagte kürzlich ARD-Chef Fritz Pleitgen. Für die Reform des Rundfunkgebührenkonzeptes sollte die Internetnutzung also vorerst ohne Bedeutung bleiben. Priorität genießt derzeit ohnehin die Reform des Vorabends. Die neue Offensive begann bereits im Sommer. "Jörg Pilawa - endlich im Ersten", verkündete die ARD im Juni auf großflächigen Plakaten, und meinte damit wohl eher den erlösenden Seufzer der eigenen Programmplaner als den frohlockenden Jubel darbender TV-Kieker. Schließlich kam der charmante Zähnefletscher Pilawa ja nicht aus der televisionären Wüste, sondern ließ sich bereits lange genug in Sat.1 beglotzen. Im Ersten darf er nun "endlich" dreimal wöchentlich von Mittwoch bis Freitag quizzen und samstags nebenher die Verkupplungsshow Herzblatt retten. Eine überaus dankenswerte Aufgabe, nachdem der talentfreie Nicht-Moderator Pierre Geisensetter selbst hartgesottene Fans ins Exil getrieben hatte. Die Quote hätte sich vermutlich allein durch die Vermeldung seines Abgangs erholt.Im nächsten Jahr soll dann noch einmal alles anders kommen. Denn Zuschauer bevorzugen am Vorabend kurze Formate, hat die Analyse der ARD-Werbung Sales Services ergeben. Für den dramatischen Quotenverfall zwischen 19 und 20 Uhr soll demnach vor allem die verkürzte Verweildauer der Zuschauer verantwortlich sein. Junge Frauen sind sprunghafte Wesen. Sind sie zwischen 14 und 29 Jahre jung, wollen sie einem 48-Minuten-Format im Schnitt nur noch 10 Minuten beiwohnen. Vor zwei Jahren blieben sie fast doppelt so lange dabei. Ergo teilt die ARD die Stunde in zwei Hälften und schafft Platz für zwei kürzere Formate, "um Zuschaltungen aus anderen Programmen zu generieren", wie es die Werber ausdrücken. Deshalb soll es künftig gleich nach dem Marienhof weitergehen mit "jungen Serien in einheitlicher Formatfarbe". Die heißen ab Januar St. Angela (neu), ab März Berlin, Berlin, Sternenfänger ab April und Verdammt verliebt im Sommer und sollen täglich von Dienstag bis Freitag hintereinander weg versendet werden. Das erhöht den Wiedererkennungswert und bestätigt die alte Weisheit: Das Leben ist eine Serie. Jeden Tag einen neue Folge.