Denkfaule Polemik

Linksbündig Die Rundfunkgebühr hat viele Kritiker, dabei hätte sie durchaus mehr Befürworter verdient

Argumente, die für eine Rundfunkgebühr sprechen, die nun auf Internet-Computer und Mobiltelefone, die mobiles Fernsehen und Radio empfangen können, erhoben werden soll, haben es derzeit schwer. Zu absurd scheint das Verfahren, nach denen nun alle möglichen Apparate wie Fernseh- und Radiogeräte behandelt werden. Ein expansionistischer Wahn, begleitet von einer dämlichen Reklame der zuständigen Gebühreneinzugzentrale (GEZ), scheint sich hier auszutoben. Dass just in dieser Zeit die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit ihren Schleichwerbungs- und sonstigen Personalskandalen identifiziert werden, dass sich ihre Fernsehprogramme dem der privaten Konkurrenz tendenziell anähneln, dass sie als tönerne Kolosse einer verblichenen Zeit wirken, erleichtert eine Argumentation für die neue Gebühr nicht, die im übrigen ja nur Privatleute zahlen müssen, die derzeit noch kein Gerät angemeldet haben.

Für diese Gebühr spricht im Grunde nur die Rechtslogik. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Urteilen festgehalten, dass nur öffentlich-rechtlich strukturierte Rundfunkanstalten eine Garantie dagegen böten, dass die freie Meinungsäußerung beispielsweise aus Gründen kommerzieller Spekulation eingeschränkt wird. Erst die Existenz solcher Sender erlaubte also die Lizenzierung privater Fernsehprogramme. Diese wechselseitige Begründung bezeichnete man als "duales System", aus dem folglich der öffentlich-rechtliche Teil nicht wegfallen kann, weil dann das System selbst zerstört wäre. Um die Existenz der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu sichern, wurde ihre (relative) finanzielle Unabhängigkeit beschlossen und die Rundfunkgebühr rechtlich abgesichert. Diese muss von allen jenen entrichtet werden, die ein Gerät zum Empfang bereit stehen haben. Die verklausulierte Formulierung wollte jenes Ansinnen abwehren, nach denen Zuschauer behaupteten, nie fernzusehen oder nach Einführung privater Sender nur diese einzuschalten. Die subjektive Sendewahl ist für das "duale System" selbst irrelevant, da das Recht auf freie Meinungsäußerung auch nicht durch Selbstverleugnung abgeschaffen werden darf.

War die Definition der Empfangsbereitschaft bei Apparaten, die nur und eindeutig auf den Radio- und Fernsehempfang ausgerichtet sind, einfach, wurde sie mit der wachsenden Zahl von Kombinationsgeräten (Computer, Telefone) und neuen Vertriebsformen (Internet, Mobilfunk) kompliziert. Die Sender mussten weniger aus finanziellen als aus Gründen der Rechtslogik auf der Gebühr für die neuen Apparate bestehen. Dass sie diese in einer Zeit erheben, in der ihnen die Politik über den Staatsvertrag erhebliche Knebel anlegt, was die Internetangebote angeht, macht es für ARD und ZDF nicht einfacher. Aber für das Internet gilt das selbe Rechtsprinzip wie für das Fernsehen - nur öffentlich-rechtliche Systeme garantieren das Recht der freien Meinungsäußerung, selbst wenn sich tendenziell jeder individuell oder organisiert in ihm artikulieren kann. Denn auch im Internet gilt, dass die Öffentlichkeit durch Kapitalinteressen radikal eingeschränkt werden kann, auch wenn das derzeit angesichts des chaotischen Wachstums und der spekulativen Wucherungen nur schwer möglich scheint.

Statt über die neue Gebühr zu klagen, die im Grunde nur die alte auf neuen Geräten ist, sollten alle Gebührenzahler an der Sicherung, der Qualitätssicherung und der Vielfalt des öffentlich-rechtlichen Systems durch Kritik, Forderung und Kenntnisnahme arbeiten. Gleichzeitig gilt es, auf die Anstalten einzuwirken, dass andere öffentlich-rechtliche Institutionen wie Schulen und Universitäten sowie die sozial Schwachen von der Gebühr befreit werden oder bleiben. Zur spezifischen Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört aber weiterhin seine finanzielle Unabhängigkeit. Jede fiskalische Konstruktion, beispielsweise durch eine steuerliche Abgabe pro Haushalt, ist insofern gefährlich, weil sie Rundfunk und Fernsehen dem Wohlwollen der Politik überlässt. Die war und ist schon immer daran interessiert, in die Fernseh- und Radioprogramme hineinzuregieren. Derzeit geht das nur indirekt und zeitverzögert über die Rundfunk- und Fernsehräte. Am Verfahren zur Gebühren-Festlegung ist die Politik bewusst nur im Grundsatz, aber nicht im Detail beteiligt. Und das ist auch gut so.


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