Er war furios gestartet und aufgestiegen, wollte »Wirtschaftsreformen ohne heilige Kühe« und sprach auch außenpolitisch von einem »neuen Japan«. Als vor zwei Jahren der bis dato weithin unbekannte Junichiro Koizumi auf den Sessel des Premiers gelangte, empfahl er sich mit Versprechungen und wurde zum Hoffnungsträger für ein Land, das sich mit der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 50 Jahren konfrontiert sah.
Dies wiederum kam den grauen Eminenzen der seit einem halben Jahrhundert ungestört regierenden Liberal-Demokratischen Partei (LDP) - Ex-Premier Ryutaro Hashimoto, dem Vorsitzenden des LDP-Generalrates Mitsuo Horiuchi wie dem Ex-Chef des LDP-Forschungsrates Shizuka Kamei - nicht ungelegen. Als dynamischer Aufsteiger und politisches Leichtgewich
ches Leichtgewicht schien ihnen Koizumi die Idealfigur, um das ramponierte Ansehen der Partei aufzupolieren und dabei die etablierte LDP-Ordnung aufrechtzuerhalten. Eines allerdings hatten Hashimoto Co. nicht bedacht: die notorische Amerika-Hörigkeit Koizumis. Sehr zur Freude des neoliberalen Mainstreams in den USA redete Japans 56. Premierminister nicht nur über Deregulierung und Privatisierung, sondern brachte auch entsprechende Gesetzentwürfe ins Parlament ein, ohne zuvor den Segen der LDP-Gremien einzuholen. Die begriffen etwa die von Koizumi erwogene Entstaatlichung der Post als Angriff auf die Partei, da Postangestellte von jeher zu den Stammwählern der LDP zählen.Nur seine phänomenale Popularität verhinderte, dass der Regierungschef vorzeitig abserviert wurde. Doch wie flüchtig öffentliche Gunst sein kann, musste er Anfang 2002 recht schmerzlich erfahren: Nachdem Koizumi in maßloser Selbstüberschätzung seine ebenso beliebte wie US-kritische Außenministerin Makiko Tanaka - Tochter des einstigen Premiers Kakuei Tanaka - unter fadenscheinigen Gründe in die Wüste geschickt hatte, verging sein Renommee wie Schnee in der Frühlingssonne. Mitte vergangenen Jahres schienen daher die Tage an der Spitze des Kabinetts gezählt - da rang sich Koizumi zu einer spektakulären Reise nach Pjöngjang durch, um mit Kim Jong Il über die Normalisierung der Beziehungen zu reden. Japans Öffentlichkeit honorierte das, Koizumis Umfragewerte erholten sich, er ging sogar auf eine vorsichtige Distanz zur Korea-Politik der Bush-Regierung. Dann allerdings ernannte er Ende 2002 den neoliberalen Universitätsprofessor Heizo Takenaka zum Superminister für Wirtschaft und Regulierung der Staatsfinanzen, um all jene zu beruhigen, die ihm vorgeworfen hatten, nicht resolut genug gegen die Krise im japanischen Bankensektor vorzugehen. Während in Washington äußerst positiv auf Takenakas Berufung reagiert wurde, geißelten in Tokio Banker und Analysten Koizumis finanzpolitischen Wundertäter als zynischen Theoretiker, dessen »Holzfällermentalität« das etablierte Bankensystem existenziell bedrohe.Die grauen Eminenzen der LDP triumphierten: Die harsche öffentliche Kritik an seiner Person veranlasste Takenaka, seine »revolutionären« Ideen zu überdenken. Über Nacht mutierte der Terminator zum »Softadministrator«, der Japans Banken nicht mehr daran hindern wollte, gegen alle wirtschaftliche Vernunft LDP-nahe Firmen mit Geld zu versorgen und weitere »faule Kredite« anzuhäufen. Für Koizumi wurde diese Kehrtwende zum politischer Bumerang: Sein Nimbus als entschlossener Reformer nahm schweren Schaden, auch weil ihn das LDP-Establishment nun erst recht am kurzen Zügel führte. Dass der Premier fortan in seinen Entscheidungen nicht mehr frei war, zeigte sich zuletzt in der Ernennung des konservativen Finanzexperten Toshihiko Fukui zum Gouverneur der japanischen Zentralbank Ende Januar 2003.Seinem rapiden Verlust an Glaubwürdigkeit hatte Koizumi auch außenpolitisch nichts entgegenzusetzen. Bereits mit der Ernennung der international vollkommen unerfahrenen Yoriko Kawaguchi zur Nachfolgerin Makiko Tanakas im Außenministerium gab es eine fatale Weichenstellung hin zum bedingungslosen Beistand für Amerikas Mittelost-Politik. So identifizierte sich Japans UN-Botschafter Koichi Haraguchi sofort mit den Vorstellungen der USA von einer zweiten Irak-Resolution, ohne dass es dazu im japanischen Parlament auch nur den Hauch einer Debatte gegeben hätte. Da meldeten sich prompt die grauen Eminenzen der LDP zu Wort: »Die Regierung« - so Makoto Koga, der Intimus von Mitsuo Horiuchi - »sollte lieber darüber nachdenken, wie ein Krieg verhindert werden kann.« - Die Zeiten, in denen ein japanischer Premier innenpolitisch punkten konnte, wenn er außenpolitisch den Amerikanern nachgab, sind vorbei. Gefragt ist ein sensibler Umgang mit dem eigenen Erbe. Das von Japan in 50 Jahren Erreichte ist einfach zu wertvoll, als dass an seiner Reformierung Vertreter einer fremden Macht beteiligt sein sollten, die der politischen Kultur des Landes wenig abgewinnen können.