Zwei völlig widersprüchliche Sorgen plagen Italiens Mitte-Links-Opposition: der für den 14. Dezember anberaumte Misstrauensantrag gegen den angeschlagenen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und die sich anbahnenden Neuwahlen. So rosig die Erfolgsaussichten des Misstrauensvotums scheinen – so düster sind die Prophezeiungen für das Abschneiden des linken bis linksliberalen Partito Democratico (PD) für diesen Fall. Aus der tiefen Krise der Rechten haben die Demokraten kein Kapital schlagen können. Im Gegenteil: konnten sie bei dem – verlorenen – Votum 2008 noch 33 Prozent holen, liegen sie in jüngsten Umfragen nur bei 25 Prozent. Unter dem farblosen Parteichef Bersani hat sich die Kluft zur Basis kontinuierlich vergröß
sprüchliche Sorgen plagen Italiens Mitte-Links-Opposition: der für den 14. Dezember anberaumte Misstrauensantrag gegen den angeschlagenen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und die sich anbahnenden Neuwahlen. So rosig die Erfolgsaussichten des Misstrauensvotums scheinen – so düster sind die Prophezeiungen für das Abschneiden des linken bis linksliberalen Partito Democratico (PD) für diesen Fall. Aus der tiefen Krise der Rechten haben die Demokraten kein Kapital schlagen können. Im Gegenteil: konnten sie bei dem – verlorenen – Votum 2008 noch 33 Prozent holen, liegen sie in jüngsten Umfragen nur bei 25 Prozent. Unter dem farblosen Parteichef Bersani hat sich die Kluft zur Basis kontinuierlich vergröXX-replace-me-XXX223;ert.Repräsentiert fühlen sich die von Prekariat, schleichender Verarmung und politischer Entmündigung gezeichneten Italiener von ihren seit 2008 nicht mehr direkt gewählten, aber fürstlich entlohnten Volksvertretern ohnehin nicht. Die linke Wählerschaft wähnt sich politisch heimatlos, zumal die traditionsreichen Kommunisten nach Jahren der Selbstzerfleischung praktisch von der Bildfläche verschwunden sind. Wahlverdrossenheit ist die Folge, manch frustrierter Linkswähler sucht sein Heil gar bei dem aus Berlusconis Schatten getretenen Ex-Postfaschisten Gianfranco Fini, der mit seiner neuen Rechtspartei Futuro e Libertà (FLI) aus dem Stand mit acht Prozent der Stimmen rechnen darf. Die letzte Hoffnung der konturlosen Demokraten besteht in einer „Regierung der Nationalen Einheit“ mit FLI, der konservativen Union der Christdemokraten und Zentrumsdemokraten (UDC) und liberalen Gruppierungen. Um Neuwahlen zu verhindern, wird selbst eine Koalition mit Berlusconis PDL erwogen – nur der Padrone müsste draußen bleiben. So hofft man im Hause PD, ungeschoren zu überwintern, denn mit Berlusconis Ende verliert der aus sozialdemokratisierten Kommunisten und progressiven Christdemokraten entstandene Partito Democratico seine Daseinsberechtigung.Farbe bekennenEiner der wenigen, die offen für einen vorgezogenen Urnengang plädieren, ist der apulische Regionalpräsident Nichi Vendola. In Umfragen liegt seine 2009 formierte Sammelbewegung Sinistra, Ecologia e Libertà (SEL) zwar nur bei viereinhalb Prozent. Dennoch gilt er als Hoffnungsträger des linken Wählerspektrums. Das hat sich auch bei den Demokraten herumgesprochen. Seine öffentliche Ankündigung, als Premier zu kandidieren, hat den Albdruck des PD vor Neuwahlen verstärkt. Mit Vendola müssten die Partei Farbe bekennen. Genau davor scheut sie zurück.Zweimal konnte der 52-jährige Barese – Markenzeichen: silberner Ohrring und Nadelstreifenanzug – sich bereits gegen die Altherrenriege der Demokratischen Partei behaupten: 2005 und 2010 glückte ihm der Husarenstreich, die konservative Hochburg Apulien zu erobern – wider alle Prognosen und gegen den offenen Widerstand der Mitte-Links-Koalition. Steine legte ihm besonders Ex-Premier D‘Alema in den Weg, die Graue Eminenz der Demokraten. Bei den Vorwahlen setzte sich Vendola – 2005 noch Mitglied von Rifondazione Comunista (PRC) – jedoch beide Male überraschend gegen den demokratischen Wunschkandidaten durch und gewann anschließend die Regionalwahl. Sein Erfolgsrezept: Er geht auf Tuchfühlung mit den Menschen und bezieht klare Positionen. Als bekennender Katholik ist er selbst tief in der Tradition Süditaliens verwurzelt. Zugleich hat er bei seinem jahrelangen Engagement in der Schwulen-Bewegung ein Gespür dafür, wie sich irrationale, in der Tradition verhaftete Widerstände überwinden lassen.Als Gouverneur der von Korruption und Parteienfilz gebeutelten Region Apulien setzt Vendola auf Transparenz. Bei den Bürgern findet sein Glasnost im Mezzogiorno regen Anklang, schürt aber die Aversionen der etablierten Nomenklatura. Deren kaum verdeckten Anfeindungen erklärt er sich so: „Heute haben wir es mit einer politischen Klasse zu tun, die sich belagert fühlt, in ihrem Palast verschanzt und sich mit den eigenen, autoreferentiellen Werbebotschaften tröstet.“ Wer sich hinaus wage, sei ein Verräter. Dass er als Regierungschef Apuliens ebenfalls zum Establishment gehöre, will Vendola nicht gelten lassen. „Aus vielen Gründen habe ich immer alle gegen mich aufgebracht, Rechte, Linke und die Mitte. Mich als Teil der Nomenklatura zu sehen, ist da wohl nicht ganz einfach.“Ein bisschen KommunistIn der Galaxie der seit Auflösung der KPI wie Elementarteilchen zerfallenden und sich wieder vereinenden linken Splitterparteien vertritt der studierte Philosoph den undogmatischen Reformflügel. Seine Vision ist eine Volkspartei links von der Mitte, in der Alternativen zum modernen Kapitalismus konsensfähig sind. Wichtiger als starre Dogmen sei es, so Vendola, „sich vom Spuk und den Fetischen einer Welt zu befreien, die das Leben instrumentalisiert, die Arbeit zur Ware erklärt und den Gemeinschaftssinn zerstört“. Vendola streitet gegen Sozialabbau und Privatisierungen, für Minderheitenrechte und den Erhalt der durch Spekulation und Fehlplanung geschundenen Umwelt. Um dem näher zu kommen, hält er Zweckallianzen mit konservativen Parteien für unverzichtbar. In Apulien hat es bereits kommunale Bündnisse von SEL und UDC gegeben. Damit steht der in der Kommunistischen Partei groß gewordene Vendola klar in der Tradition Enrico Berlinguers. Aber seine Suche nach dem „historischen Kompromiss“ hat auch biographische Ursachen. Ob er sich noch als Kommunist verstehe, wurde er kürzlich in einer Talkshow gefragt. Ein nostalgisches Lächeln huscht über sein Gesicht, ehe er antwortet: „Ein bisschen schon.“