Der „Aufbruch Ost“ kämpft für ein Haribo-Werk

Arbeitskampf Bei Zwickau soll eine Süßwarenfabrik geschlossen werden. Eine junge Ost-Initiative unterstützt die Beschäftigten
Ausgabe 03/2021
„Haribo machte mich mal froh, das ist leider nicht mehr so.“
„Haribo machte mich mal froh, das ist leider nicht mehr so.“

Foto: Future Image/Imago Images

Vor dem Eingang des Werksgeländes in Wilkau-Haßlau lag ein Schild: „Haribo machte mich mal froh, das ist leider nicht mehr so.“ Trotzdem hat die Belegschaft des Gummibären-Werks in der Nähe von Zwickau in Sachsen immer noch nicht aufgegeben. Anfang November 2020 verkündete die Geschäftsführung die Schließung zum Ende des Jahres. Seitdem kämpfen die Arbeiter*innen dort für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze – mit Unterstützung der Gewerkschaft NGG Ost, mit Hilfe von vielen aus der ganzen Gegend und mit Hilfe einer Initiative junger Menschen, die sich Aufbruch Ost nennt.

Die Kleinstadt Wilkau-Haßlau liegt bei Zwickau, sie hat ungefähr 10.000 Einwohner. In diese Gegend reisen West-Journalist*innen sonst manchmal, um über Rechtsradikale im Osten zu berichten. Sie kommen weniger zahlreich, wenn das für die Gegend wichtige Haribo-Werk geschlossen werden soll. Wenn die Menschen dort eine weitere Einkommensquelle verlieren. Und wenn sie mutig und geschlossen wie die „Haribojaner“ um ihre Existenz kämpfen.

Aber von vorne: Nach der Ankündigung der Schließung des kleinsten von fünf Haribo-Standorten in Deutschland wollten sich die Haribo-Arbeiter*innen nicht kampflos geschlagen geben. Das hatten sie zu oft getan, nach der Wende, als die Treuhand kam, als ihre Betriebe privatisiert, verkauft, aufgeteilt, geschlossen wurden, als Sachsen zu dem Niedriglohnland wurde, das es heute noch größtenteils ist. Doch die Zeiten sind jetzt andere. Ganz in der Nähe hat es jüngst einen anderen, erfolgreichen Arbeitskampf gegeben: Bei dem Nudelproduzenten Teigwaren Riesa hat die Belegschaft mehr als zwei Jahre gekämpft, gestreikt, verhandelt und so einen Betriebsrat und einen Tarifvertrag durchgesetzt.

Der Kampf der Haribojaner war nicht so erfolgreich: „Ende März 2021 soll das Werk geschlossen werden“, erzählt Hanna Pleßow von der Initiative Aufbruch Ost, einer Gruppe junger Menschen, die den Kampf gemeinsam mit der Gewerkschaft NGG Ost unterstützt haben. „Wir haben an Solidaritätskundgebungen vor Ort teilgenommen, Redebeiträge gehalten, waren mit Haribojanern im Gespräch, haben eine Social-Media-Kampagne gestartet, haben Flyer in Supermärkten verteilt und überhaupt Öffentlichkeit hergestellt“. Aufbruch Ost ist eine junge Bewegung aus Leipzig, die 2018 gegründet wurde, und für einen emanzipatorischen Aufbruch im Osten jenseits von Pegida, AfD und Co. kämpft. Sie unterstützt auch Arbeitskämpfe und Gewerkschaftsarbeit im Osten.

Die Belegschaft steht jetzt erstmal mit der Kündigung in der Hand da. Deshalb muss schnellstmöglich eine Nachfolge gefunden werden, die das Werk übernimmt. Es geht um 150 Beschäftigte. Durch den Arbeitskampf der Haribojaner wurden zwar Zeit und ein Sozialplan gewonnen, wie es jetzt aber weitergeht, wissen sie trotzdem nicht. „Haribo spielt auf Zeit und blockiert damit die Zukunft des Werks“, sagt Hanna Pleßow.

Also alles umsonst in Wilkau-Haßlau? Ganz im Gegenteil, es wurde schon einiges gewonnen, findet Pleßow: „Die Stärke war der Zusammenhalt: Gewerkschaft, also vor allem die NGG Ost, der Betriebsrat, die Belegschaft, Politiker*innen, Bürgermeister, Menschen aus der Region, Vereine haben zusammen gekämpft.“ Und sie wollen weitermachen: „Wir entlassen Haribo nicht aus der Verpflichtung, sich um Beschäftigte und um das Werk zu kümmern. Es geht auch um die Zukunft der Region. Bei einer Übernahme fordern wir deshalb die Mitsprache der Belegschaft! Die Stimmung vor Ort ist aber nach wie vor kämpferisch. Wir erwarten konstruktive Vorschläge. Auch damit der Imageschaden für Haribo nicht allzu groß wird.“

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