Jürgen Resch schmiss das Studium für die Umwelthilfe. Heute ist er ihr Geschäftsführer
Foto: Cchristian Thiel/Imago
Unterhält man sich in diesen Tagen mit Umweltschützern, bekommt man nur Gutes über Jürgen Resch zu hören. „Er hat ein phänomenales Durchhaltevermögen“, heißt es. „Seine Zähigkeit ist beeindruckend“, sagt ein früherer Mitarbeiter. Die Komplimente sind nicht frei von Nervosität. „Die Sache“, lautet eine oft geäußerte Einschätzung, „kann durchaus existenzbedrohlich werden.“
Die Sache, von der hier die Rede ist, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), der Jürgen Resch seit 30 Jahren vorsteht, hat sich mit der mächtigen Automobilindustrie angelegt. Seitdem tobt eine Schlacht der besonderen Art. Enthüllungen auf der einen Seite,
nen Seite, Drohbriefe und Einstweilige Verfügungen auf der anderen Seite, flankiert mit Presseberichten, die der DUH vorwerfen, sie wolle eine ganze Branche kriminalisieren. „Es ist ein irrer Druck im Moment“, sagt Resch.Für jemanden, der so lange an der Spitze der DUH steht, ist Resch bemerkenswert uneitel. Um seine Person macht er wenig Aufhebens. Geboren wurde er im baden-württembergischen Plochingen, schon als Jugendlicher arbeitete er für Umweltverbände. Sein Studium der Verwaltungswissenschaften brach er ab, als die DUH, deren Hauptsitz am Bodensee liegt, ihn 1986 zum Geschäftsführer machte.Dieselgate ist der größte Fall der Umwelthilfe. Mitte September vergangenen Jahres erfuhr die Öffentlichkeit, dass VW seine Dieselfahrzeuge manipuliert hat, um das unwahrscheinliche Versprechen wahr zu machen, dass Autos immer leistungsstärker und gleichzeitig immer sauberer werden können. Dieselgate entlarvte dies als Illusion. Das Umwelt-Wunder verdankte sich einer illegalen Abschalteinrichtung in der Fahrzeugsoftware. Elf Millionen Autos weltweit waren betroffen – und bald auch Modelle anderer Hersteller.Ausgelöst hatte den Skandal nicht die DUH, sondern die US-Umweltbehörde EPA. Sie machte Ernst mit Kontrollen. Doch der entscheidende Tipp, sich Dieselautos genauer anzuschauen, kam von Resch. Jahrelang schon hatte die Umwelthilfe darauf aufmerksam gemacht, dass die offiziellen Angaben der Konzerne zu Treibstoffverbrauch und Abgaswerten nicht der Realität entsprechen. Politik und Öffentlichkeit nahmen davon kaum Notiz.Also sprach Resch mit den Amerikanern, versorgte sie mit Informationen. Resch hat persönliche Kontakte zu EPA-Leuten. „Warum geht ihr nicht viel aggressiver vor?“, wird er von ihnen gefragt. Diskussionen, ob man die Industrie nicht zu hart anpackt und damit Arbeitsplätze und Wohlstand riskiert, „so etwas gibt es nur in Deutschland“. Resch: „So ein konsequentes Verhalten würde ich mir auch von den deutschen Behörden wünschen.“ Kraftfahrtbundesamt und Verkehrsministerium tun für seinen Geschmack viel zu wenig zur Aufklärung. Minister Alexander Dobrindt etwa weigere sich, mit der DUH zu sprechen, klagt Resch. „Warum müssen wir eigentlich die Arbeit der Regierung machen?!“Nachdem die EPA den Skandal ans Licht gebracht hatte, legte die DUH nach. Sie nahm weitere Autokonzerne ins Visier, Daimler, Opel, BMW. Seitdem, sagt Resch, hagele es Drohungen. Das Wort „Abschalteinrichtung“ dürfe die DUH nicht in den Mund nehmen, forderte Daimler. Ein Gericht hat der Umwelthilfe inzwischen Recht gegeben, doch die juristische Auseinandersetzung geht weiter. „Die Härte, mit der diesmal vorgegangen wird, hat eine neue Qualität“, sagt Resch.Wer an der Spitze der Umwelthilfe steht, muss gute Nerven haben. 1975 gegründet, darf die DUH als „klageberechtigter Verbraucherschutzverband“ Unternehmen vor Gericht bringen, wenn sie sich nicht an die gesetzlichen Bestimmungen halten. Und dieses Recht nimmt die Umwelthilfe oft in Anspruch. Zuerst werden Abmahnungen verschickt, in der Regel über 200 Euro. Reagiert die Firma nicht, „müssen wir vor Gericht ziehen“, sagt Resch. „Sonst wären wir nur ein Abmahnverein, und das sind wir nicht.“Rund 1.600 Abmahnungen verschickt die DUH pro Jahr. Etwa 400 Mal kommt es zum Prozess. Nach eigenen Angaben verliert die Umwelthilfe nur zwei bis vier Prozent davon. Derzeit hat der Verband unter anderem eine Schadenersatzklage über 2,7 Millionen Euro „an der Backe“, sagt Resch. Die Chemieindustrie wehrt sich gegen die Plastiktüten-Kampagne. „Die Klage richtet sich auch gegen mich persönlich“, sagt der 56-Jährige. „Resch könnte den Job nicht schon 30 Jahre lang machen, wenn er nicht angstfrei wäre“, sagt ein früherer Mitarbeiter. Mit Harakiri habe Reschs Mut nichts zu tun, sondern mit „einem klaren Kompass, was geht und was nicht geht“.Auch in der Umwelthilfe selber gab es Ärger. Vor gut zwei Jahren verlor die Organisation innerhalb kurzer Zeit fast ihr gesamtes Energieteam. Der Leiter der Anti-Kohle-Kampagne Jürgen Quentin schmiss hin, mit ihm eine Reihe wichtiger Mitarbeiter wie Politikchef Gerd Rosenkranz. Rainer Baake hatte sich schon zwei Jahre zuvor verabschiedet und den Thinktank Agora Energiewende gegründet, bevor Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ihn zu seinem Staatssekretär machte. „Es gab Streit“, bestätigt Rosenkranz, „aber das hatte nichts mit Jürgen Resch zu tun.“Inzwischen hat sich die Umwelthilfe neu sortiert. Für Michael Spielmann, den zweiten Geschäftsführer, der im August 2014 nach langer Krankheit starb, ist mit Sascha Müller-Kraenner ein Nachfolger gefunden. Resch hatte Spielmanns Posten zeitweise übernommen. Leiter der Abteilung Energie und Klimaschutz ist nun Ex-Windkraftpräsident Peter Ahmels.Dass es intern gut läuft, ist auch nötig. Denn der Streit mit der Autoindustrie wird sich „noch Jahre hinziehen“, schätzt Resch. „Es kann uns durchaus die Existenz kosten.“
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