Eine Facebook-Seite, der ich lange mit großem Enthusiasmus gefolgt bin, trägt den Titel Fit and Feminist. Die Unterzeile lautet, ins Deutsche übersetzt: „Weil starke Frauen nötig sind, um das Patriarchat zu zerschlagen“. Das klang gut, damit konnte ich mich identifizieren. Innerlich fühlte ich mich ohnehin schon einigermaßen stark. Jetzt konnte ich mir noch den dazu passenden Körper anschaffen, ganz praktisch, lebensnah und politisch korrekt. Es sollte ja nur um ein positives Körperbild gehen – nicht um ein ideales. Nicht um unerreichbare Beauty-Superlative.
Der Positive-image-Diskurs, der in den USA entstanden ist und dort von hippen, jungen, smarten Feministinnen in den sozialen Netzwerken verbreitet wurde, kommt nun langsam auch in Deutschland an. So wurde bei Facebook unlängst auch mächtig gejubelt, als das US-Magazin Women’s Running zum ersten Mal eine Plus-Size-Läuferin aufs Cover hob, mit der Titelzeile: Run strong.
Mit neuen (Körper-)Idealen entstehen neuen Vorbilder – etwa Frauen wie Ronda Rousey. Die erfolgreiche Mixed-Martial-Arts-Kämpferin ist so stark, dass ihr Körper von manchen Menschen in den sozialen Medien als „nicht weiblich genug“, als „zu männlich“ beurteilt wurde. Den Kritikern und Kritikerinnen entgegnete Rousey im Netz: „Natürlich bin ich weiblich. Jeder Muskel in meinem Körper dient einem Zweck!“ Mit solchen Kontern beeindruckte sie auch die New York Times, die Anfang Oktober einen ausführlichen und euphorischen Artikel über die Sportlerin brachte.
Aber leider bildet das überzeugend vorgetragene Selbstbewusstsein nur einen Teil von Ronda Rouseys Haltung ab. Sie erklärte auch, dass sie eben keine herumhängende „Do-Nothing-Bitch“ sei. Damit beleuchtete sie die Schattenseiten des neuen Körperideals: Faul und entspannt darf dabei nämlich niemand sein. Was als positive Alternative zum Schlankheitswahn verkauft wird, ist im Grunde wieder nur die Verlängerung des gesellschaftlichen Leistungsdogmas auf den Körper. Frauen sind jetzt also stark, weil sie sich das Aufgeben nicht gönnen, weil sie schon morgens Gewichte heben, auch mit 80 noch Marathons laufen, weil sie immerzu leisten, leisten, leisten. Hier wird nichts mehr von einer Gesellschaft gefordert, nicht mal mehr gleiche Löhne. Hier ist jede Frau ganz allein für sich selbst verantwortlich.
Unter dem Hashtag #Healthyisthenewskinny posten manche auf Instagram jetzt ihre grünen Säfte, ihre mit Chia-Samen angereicherten Rohkostteller, ihre Avocadobrote und Motivationssprüche, die sich stets ums Durchhalten, und Fitsein drehen. Healthy soll also das neue skinny sein, der Schlankheits- wird zum Gesundheitswahn. Tatsächlich gibt es schon einen eigenen medizinischen Fachbegriff dafür: Orthorexia nervosa. Die Orthorexie benennt die Sucht, gesund zu leben und das quälend schlechte Gewissen, wenn man den Körper einmal nicht mit den besten Superfoods gefüttert hat. Sie gilt als eine lebensbedrohende Krankheit, und genau wie von der Anorexie, der Magersucht, sind überwiegend Frauen von ihr betroffen.
Im Vergleich zum skinny-Ideal, bei dem viele immerhin ahnten, dass es falsch ist, verschleiert das neue healthy-Ideal die Ideologie, die dahintersteht, noch perfider. Es ist der Neoliberalismus, der uns zuraunt: „Kümmere dich gefälligst um dich selber und hab besser auch noch Spaß dabei, denn den Staat, der für dich mal da war, den schaffen wir gerade ab!“ Und das ist dann irgendwie gar nicht mehr so feministisch und korrekt, wie ich anfangs noch dachte.
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