Der Dampf der Ausweglosigkeit

Lauschangriff Permanent reizbar sein und klingen, als ob man ein Gallenleiden hätte. Die Band "The Future of the Left" kultiviert die alte, zornige Punk-Attitüde

Vor kurzem musste sich Popstar Bono wieder einmal verteidigen. Er vertrat die Ansicht, dass die Leute, die ihn nicht mögen, nur irritiert seien, weil U2 so viel Freude ausstrahlen. Ob die Band Future of the Left Bono, The Edge und Co. mag oder nicht, sei dahingestellt. Zwar macht kaum eine Gruppe ihrem Ärger so viel Luft wie die Rockband aus Cardiff, aber das betrifft nicht nur U2. Als Hörer bekommt man schnell den Eindruck, dass Future of the Left einfach ihre ganze schlechte Laune an einem auslässt.

Es handelt sich aber mitnichten um eine dümmliche Punkband. Future of the Left ging hervor aus der prominenten walisischen Band Mclusky, die zwischen 1996 und 2005 existierte. Mclusky war eine Reaktion auf die vermeintliche Verniedlichung des Indiepops. Irgendwann hatten sich Sänger und Gitarrist Andy Falkous und Drummer Jack Egglestone mit dem Bassisten Jonathan Chapple zerstritten. Daraufhin entstand die neue Band Future of the Left, in der Kelson Matthias von der Band Jarcrew den Bass spielte. Wieder ein Trio, wieder musikalisch karg und rigoros, aber mit Musikern, die über zehn Jahre Erfahrung vorweisen können. Sie sind entsprechend routiniert, können auch komplex und präzise spielen.

Das neue, zweite Album Travels with myself and another ist LoFi-Rock, von Experten gemacht. Die bringen auch mal Keyboards zum Einsatz, allerdings nicht, um dadurch, wie beim Einsatz von Keyboards häufig der Fall, die Musik süffiger zu machen. Im Gegenteil: Wenn ein Synthesizer anklingt, knurrt und heult er, und die Gitarren dominieren nach wie vor. Die Band klingt extrem motiviert, ihnen sind viele schöne Riffs eingefallen, und was die Texte betrifft: Die sind alles andere als heiter und optimistisch. Selbst eine neue Liebe bietet keine Hoffnung. „I’m on a mercy mission to prove to my new love, that she is my nothing, that she is my no one, that even these triumphs are empty“, singt Andy Falkous auf dem Stück Lapsed Catholics.

Future of the Left haben sich nie zum Nihilismus bekannt, aber es ist möglicherweise nur noch eine Frage der Zeit, bis es dazu kommt. „You need Satan more than he needs you“, hört sich an wie eine Provokation, um religiöse Empfindlichkeiten anzurühren. Der Text ist aber auch ernst gemeint.

So sind die Heiterkeiten musikalischer Natur: Der Song Throwing Bricks at Trains erzählt von zwei Militäroffizieren, die sich als Terroristen entpuppen, derweil die Melodie hübsch ist und sich möglichst harmlos gibt. Die Single The Hope that House built ist eine ironische Anspielung auf das englische Kinderlied The House that Jack built und hat Mitsingqualitäten. Der Text geht einem allerdings eher schwer über die Lippen: „Re-imagine God as just a mental Illness“.

Permanent reizbar zu sein, permanent zu klingen, als ob man ein Gallenleiden hätte – diese Haltung könnte man als anachronistisch betrachten. Als Relikt aus einer Zeit, bevor Punk-Ikonen wie John Lydon, Henry Rollins, Jello Biafra als satirefähig angesehen wurden. Oder ist es genau anders herum? Sind Future of the Left besonders relevant? Wer traut sich heute noch, so zornig zu klingen? Politisch belehrend sind sie nicht, was sie predigen, ist die Ausweglosigkeit. Future of the Left kämpft nicht für die gute Sache. Es sei denn, man begreift es als gute Sache, einmal ordentlich Dampf abzulassen.


Future of the Left auf Deutschland-Tour: 21.9. München (Atomic Cafe), 22.9. Köln (Gebäude 9), 23.9. Berlin (Magnet Club), 24.9. Hamburg (Reeperbahn Festival)

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