Der Drang zur Asymmetrie

Truppenstationierung im Libanon Gegen wen richtet sich ein "robustes Mandat"?

Eine geschickte Außenpolitik hält sich Optionen offen und vermeidet es, in Sackgassen hineinzustoßen. Gemessen an dieser Regel ist die deutsche Nahostpolitik mehr als ungeschickt. Sie ist genau genommen eine Katastrophe, und zwar für alle. Für die Bundesrepublik, für Israel, für die Palästinenser, für den Libanon.

Die geringe Distanz zum Nahostkurs der USA und Israels, auf die schon Schröder und Fischer bedacht waren, wird von Merkel und Steinmeier auf eine Handbreit verkürzt. Und das bei der unverblümten Ankündigung von Condoleezza Rice, einen "Neuen Nahen Osten" notfalls mit Gewalt zu erzwingen. Wenn das Israels Militärmaschine nicht in einer Woche wie bei den Kriegen von 1967 und 1973 gelingt, lässt man sich eben 33 Tage Zeit, um den halben Libanon zu verwüsten. Bis zu einem flauen Waffenstillstand. Und der ist brüchig.

Der UN-Beschluss, eine internationale Truppe im Libanon zu platzieren, soll Ruhe in die Region bringen. So weit, so gut. Doch der deutschen Außenpolitik geht es erklärtermaßen um mehr, sie will das Existenzrecht Israels schützen, das nicht in Frage gestellt werden kann und soll. Doch darf aus diesem Recht die Berechtigung abgeleitet werden, eine Million Libanesen in die Flucht zu treiben und die Infrastruktur eines Landes dermaßen zu verheeren, wie das der Zedernrepublik geschehen ist?

Die Maßlosigkeit der aus dem Existenzrecht Israels abgeleiteten Politik ist für die öffentliche Debatte hierzulande kaum ein Thema, es wird mit zweierlei Maß gemessen. Die Verurteilung von Raketenangriffen auf grenznahe israelische Städte verfiel während der vergangenen Wochen stets einer schärferen Tonlage als die Kritik israelischer Militärschläge, selbst wenn Hochpräzisionswaffen "versehentlich" Hospitäler, UN-Posten, Treibstofftanks oder Flüchtlingsunterkünfte trafen. Selbstverständlich kann die Beschießung von zivilen Zielen durch die Hisbollah nicht hingenommen werden, die Verwüstung eines ganzen Landes aber auch nicht. Sich davon nicht frühzeitig ebenso klar distanziert zu haben wie von den Angriffen auf Israel, hat Deutschlands Glaubwürdigkeit als Mittler im Nahen Osten - auch wenn es die Regierung Merkel und die Embedded Journaille nicht wahrhaben wollen - erheblich beschädigt, die kontraproduktive Absage seines Treffens mit dem syrischen Präsidenten durch Außenminister Steinmeier tat ein Übriges. Warum hat er dann nicht auch die Hand Ehud Olmerts zurückgewiesen? War dessen jüngste Rede in der Knesset weniger aggressiv als die von Bashar al-Assad in Damaskus?

Das Bekenntnis hiesiger Politiker, deutsche Soldaten würden nie auf Israelis schießen, legt im Umkehrschluss nahe, Schüsse auf Hisbollah-Kämpfer, auf Libanesen und Palästinenser sind erlaubt. Wird da nicht a priori ein "robustes" Mandat für die in Betracht gezogenen UN-Kontingente mit einer verhängnisvollen Parteilichkeit ausgestattet?

Israels Regierungschef hat die Asymmetrie in der offiziellen deutschen Position sehr wohl erkannt und befürwortet ausdrücklich einen Einsatz der Bundeswehr an den Grenzen des Libanon. Freilich dürfte eine unter Umständen von deutschen Marineeinheiten verhängte Seeblockade, um Waffenlieferungen an die Hisbollah zu unterbinden, während gleichzeitig High-Tech-Waffen an Israel geliefert werden, wenig hilfreich sein, die Waffenruhe im Libanon in einen dauerhaften Frieden zu überführen.

Tariq Ali zitierte nach Beginn der Luftangriffe auf Beirut Isaac Deutscher, der wiederum nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 einen preußischen Militär zu Wort kommen ließ: "Man kann sich auch tot siegen". Deutsche Außenpolitik sollte der Riege aus Politikern und Militärs, die Israel derzeit regiert, nicht noch dabei behilflich sein, diese düstere Prophezeiung zu erfüllen.


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