Der Fall HSBC

Schweizer Banken Wie verhindern wir, dass unser Nachbarland eine Bananenrepublik wird?
Ausgabe 07/2015
Die HSBC selbst beteuert, sie habe seit 2012 eine „radikale Transformation“ vollzogen
Die HSBC selbst beteuert, sie habe seit 2012 eine „radikale Transformation“ vollzogen

Foto: Fabrice Coffrini/AFP/Getty Images

Eine Schweizer Bank soll aktiv nicht nur an Steuerhinterziehung, sondern auch an der Finanzierung von Terror sowie Drogen und Waffenhandel beteiligt gewesen sein. Kommt uns das bekannt vor? Man muss den Kollegen vom Journalisten-Netzwerk ICIJ schon fast dankbar sein, dass sie ihre neuesten Rechercheergebnisse noch als „Enthüllungen“ verkaufen, so als könnte irgendjemand noch überrascht sein, dass Schweizer Banken solche Geschäften tätigen. Gewiss, einige Medien weisen darauf hin, dass es sich hier „nur“ um die Filiale der britischen Privatbank HSBC handle und dass die inkriminierten Taten sieben Jahre zurück liegen. Die HSBC selbst beteuert, sie habe seit 2012 eine „radikale Transformation“ vollzogen. Kann sein. Aber warum sollte man diesen Leuten noch glauben.

Die Schweiz beginnt zu merken, dass sie sich mit der Finanzdrehscheibe zwar eine Milchkuh für einige wenige, aber auch ein Problem für die Mehrheit eingehandelt hat. Zum Beispiel einen Franken, der für die produzierende Industrie und für den Tourismus viel zu hart ist. Immobilienpreise, die sich nur noch die wenigsten leisten können, ein Finanz-Kasino, das täglich mehr Vermögen umschichtet als neue Güter und Dienstleistungen produziert werden und nicht zuletzt einen Wertewandel, der den sozialen Kitt bröckeln lässt.

In der Schweiz ist in dieser Zeit wieder viel von „Überfremdung“ die Rede. Wenn man es richtig (und nicht rechts) versteht, ist das was dran: Noch hat unser Land eine ziemlich gut entwickelte Zivilgesellschaft. Die Gleichberechtigung hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert, die Toleranz gegen sexuelle Minderheiten hat zugenommen, auf dem Arbeitsmarkt herrschen fairere Bedingungen als in den meisten umliegenden Ländern. Dieses sorgfältig austarierte soziale Gleichgewicht wird durch fremde Einflüsse, durch Einwanderung und Globalisierung gefährdet und muss immer wieder neu errungen werden.

Leider wird die Diskussion darüber sehr selektiv geführt. Sie dreht sich vornehmlich um Burkas, Minarette, um Sozialhilfebetrug und um die „Sozialhilfeindustrie“. Dabei geht eine viel größere Überfremdungsgefahr von denjenigen aus, deren sozialer Hintergrund rein monetär statt demokratisch und partizipativ geprägt ist. Leuten, welche die Erfahrung gemacht haben, dass man mit Geld alles kaufen kann. Dazu gehören nicht nur die Kreise, die jetzt in der HSBC-Affäre eine tragende Rolle spielen – unter anderem Königshäuser arabischer Staaten, ein Cousin des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, Verwandte des früheren ägyptischen Staatschefs Husni Mubarak und des ehemaligen chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng. Nein, dazu gehört auch die Beihilfe-Industrie, die diesen dubiosen Gestalten den Weg in die Schweiz erst ermöglicht. Zu ihr gehören Immobilienmakler, Standortentwickler, Steuerberater, Notare, Wirtschaftsanwälte und natürlich Banker. Und weil diese Leute öfter mal Vorschriften, vor allem Steuergesetze, auf ihre Klientel maßschneidern müssen, drängen sie immer mehr in die Politik. Irgendjemand muss den Bürgern ja klar machen, dass alle profitieren, wenn einige wenige mehr Rechte haben als die vielen anderen. Die bange Frage ist nun, ob die Schweiz den kritischen Punkt schon erreicht hat, an dem sie zur Bananenrepublik wird. Sollte dieser Punkt nie erreicht werden, wird dies wohl auch das Verdienst des investigativen Journalismus gewesen sein.

Werner Vontobel ist Wirtschaftsjournalist und lebt in der Schweiz

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