Der Fall Mbembe wird zum Fall Klein

Aufruf Jüdische Wissenschaftler und Künstler fordern den Rücktritt des Antisemitismus-Beauftragten. Grund dafür sind seine Äußerungen gegenüber einem Philosophen
Ausgabe 19/2020
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung in Deutschland, Felix Klein, weist Vorwürfe gern von sich
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung in Deutschland, Felix Klein, weist Vorwürfe gern von sich

Foto: Imago Images/IPON

Felix Klein soll zurücktreten. Das fordern namhafte Intellektuelle und Künstler aus Israel, den USA und Deutschland. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung habe „der akademischen Freiheit geschadet“ und sei für seine Aufgabe „unqualifiziert“, heißt es in einem offenen Brief „jüdischer Wissenschaftler und Künstler“, der an Bundesinnenminister Horst Seehofer adressiert ist und unter anderen von der Soziologin Eva Illouz, dem Künstler Dani Karavan und dem kalifornischen Talmud-Gelehrten Daniel Boyarin unterschrieben wurde.

Das harte Urteil geht auf Kleins fragwürdigen Umgang mit dem Postkolonialismus-Denker Achille Mbembe zurück. Klein hatte sich gegen dessen geplanten Auftritt bei der Ruhrtriennale ausgesprochen und dem weltweit anerkannten Philosophen nichts weniger als Holocaust-Relativierung und „antisemitische Muster“ unterstellt: schwere Vorwürfe, die der Politiker durch aus dem Zusammenhang gerissene Zitate belegen zu können glaubte. Mit der Rücktrittsforderung ist die „Causa Mbembe“ nun auch zum „Fall Felix Klein“ geworden.

Das war überfällig. Denn schon lange mehren sich die Zeichen, dass der promovierte Jurist und Diplomat Klein von seinem Amt überfordert ist. Kurz nachdem er es vor zwei Jahren angetreten hatte, nahm Klein in Berlin an einem sogenannten Marsch des Lebens teil, bei dem Hunderte Menschen mit israelischen Fahnen den Kurfürstendamm entlangzogen. Der Marsch wird von christlich-fundamentalistischen Gruppen organisiert, die glauben, dass alle Juden der Welt ins Heilige Land ziehen sollten, damit ihr Messias – also Jesus – zum zweiten Mal erscheinen und sie zum Christentum bekehren kann. An so einem Marsch teilzunehmen, ist ein seltsames Zeichen gegen Antisemitismus.

Wenig später forderte Klein die Evangelische Akademie in Bad Boll auf, eine geplante Konferenz zum Nahostkonflikt abzusagen, weil er ihr Einseitigkeit unterstellte. Im vergangenen Jahr warnte er Juden davor, in bestimmten Vierteln eine Kippa zu tragen, was für manche einer Kapitulation vor Judenhassern gleichkam. Und nun seine Diffamierung eines afrikanischen Denkers, die an Rufmord grenzt: Das Maß ist voll.

Weitere Intellektuelle wie Jan und Aleida Assmann, Susan Neiman und Moshe Zimmermann haben Mbembe inzwischen gegen die Vorwürfe in Schutz genommen und einen Missbrauch des Antisemitismusbegriffs beklagt. Das richtet sich nicht nur gegen Klein: Der rasch dahingeworfene Antisemitismusvorwurf ist längst zu einem Mittel geworden, um fast jede Kritik an der herrschenden israelischen Politik unter Benjamin Netanjahu abzuwehren. Dass der Zentralrat der Juden nun Klein zur Seite springt, ist leider nicht überraschend: Dem Verband, dem rund die Hälfte der Juden in Deutschland angehört, fällt es schon seit vielen Jahren schwer, eine kritische Distanz zur offiziellen israelischen Linie zu wahren. Durch Antisemitismusbeauftragte wie Klein wird diese fehlende Distanz nun Teil der offiziellen deutschen Politik.

Die Querelen um Klein bieten Anlass, noch einmal grundsätzlich über das Amt des Antisemitismusbeauftragten nachzudenken. Schon als das Amt eingeführt wurde, war klar, dass auch andere diskriminierte Gruppen bald Ansprüche auf Beauftragte gegen Antiziganismus oder antimuslimischen Rassismus anmelden würden. Besser wäre es, die Arbeit der Antisemitismusbeauftragten auch auf Rassismus und andere Spielarten der Diskriminierung auszuweiten. Dafür sollten sie davon absehen, andere Länder und Regierungen gegen Kritik oder ungerechtfertigte Vorwürfe in Schutz zu nehmen: Das können die selbst schon gut genug.

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