Die B-52 - die Stratofortress - ist ein Symbol für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts: Sie war der erste Düsenmotorlangstreckenbomber, der ohne Zwischenstopp - weil in der Luft betankbar - Ziele auf der ganzen Welt anfliegen konnte und somit die US-amerikanische Atomstreitmacht im Prinzip unabhängig von Stützpunkten in Übersee machte. Keine andere Waffe verkörpert so perfekt die Expansionsbestrebungen und Imperiumsbauambitionen, an denen die USA bis zum Zweiten Weltkrieg noch auf klassische Weise, also per Kolonialisierung arbeiteten. Die ersten Pläne für dieses mit einer wahnwitzigen Bandbreite an Waffensystemen bestückbare post-Hiroshima-Ungetüm entstanden 1947. Zu Beginn wurde die für den Abwurf von Atombomben aus groß
23;en Höhen primär konstruierte B-52 für stratosphärische Nukleartests eingesetzt.In der kollektiven Phantasie erfüllte die B-52 die Rolle einer Maschine, mit der man über den Dingen schwebte beziehungsweise stand; eine Maschine der Distanzüberwindung: zwischen Entfernungen wie Skrupeln. In den Sechzigern wurde ein modifizierter Typ entwickelt, der bis zu hundert Metern dicht am Erdboden entlang operieren konnte und mit konventionellen Waffen ausgerüstet war - nachdem man sich entschlossen hatte, keine Atombomben in Vietnam einzusetzen, wollte man doch weiter mit deren so wandelbaren Träger, dem Symbol Angst und Schrecken verbreiten. (Dieser »konventionelle« Typ wurde letzthin im Golfkrieg eingesetzt, und wird, steht zu befürchten, in der weiteren Region demnächst wieder aktiv sein.) Was man bei all den Ambitionen und Machtphantasien oft übersieht, ist das Paradox, dass die B-52 gerade ob ihrer Gewaltigkeit im Gefecht nahezu wehrlos ist.Jetzt schon ist die B-52 das dienstälteste Flugzeug der zivilen wie militärischen Luftfahrtgeschichte. Seit rund fünfzig Jahren ist sie im Wesentlichen unverändert geblieben, bis zu dreißig weitere Jahre stehen ihr vermutlich bevor, was viel über die relative Stabilität der Welt nach Hiroshima besagt, aber auch darüber, wie in dieser Welt nun sogenannte »konventionelle« Kriege tragbar, akzeptabel wie nie geworden sind.Hartmut Bitomsky hat 2001 über die B-52 einen Dokumentarfilm gemacht, der gegenläufig zu den Erwartungen an das Genre den Filmen von John Ford, einem erklärten Helden Bitomskys, näher kommt als etwa dem heute so beliebten Doku-Comic eines Michael Moore. B-52 erfüllt mit seinem ausgewählten Archiv- und Interviewmaterial die Bedürfnisse von Flugzeugfetischisten genauso wie die der geübten Kritiker der amerikanischer Militärdoktrin - und enttäuscht doch beide Seiten gleichermaßen. Bitomskys Filmessay hat die verzweifelte Menschlichkeit und ambivalenzerfüllte Poesie von Armeefilmen wie The Long Gray Line (1955) und The Wings of Eagles (1957), den Pragmatismus in der Betrachtung des Kriegshandwerks von The Horse Soldiers (1959), sowie die (v)erbitterte Klarheit des Nachkriegs-WKII-Metakritik-in-Kavaleriewestern-Form Fort Apache (1948). So hatten dann auch viele Leute Schwierigkeiten mit B-52, vor allem eben damit, dass Bitomsky sich - wie die Ford-Filme eben auch - mit Krieg, seiner Maschinerie und deren Ingenieuren und Bedienern in erster Linie ernsthaft und unpolemisch beschäftigt.Das fröhliche Plattwalzen aller Ambivalenzen, wie es Michael Moore in Bowling for Columbine vorführt, ist dagegen sehr viel populärer, aber eben auch einfacher. Das zeigt sich in den verhältnismäßig stereotypen Reaktionen auf immer die gleichen Momente in Bitomskys Film: Fast jeder stößt sich an den Szenen, in denen es um den Zusammenhang zwischen der B-52 und Kunst geht - der Militärmaler, der Nose Art-Exkurs, die Installationskünstler -, während alle sich an dem Segment erfreuen, in der die ausgeschlachteten Flugzeugreste zerfetzt werden. Dabei ist Bitomskys interessierter Blick auf die »B-52-Kunst« alles andere als affirmativ: Er ist respektvoll. Bitomsky weiß um die Geschichte, um die Tradition, die in der Militärmalerei wie in der Nose Art steckt - naive Kunst, das eine wie das andere, klar einem Abbildrealismus verpflichtet. So wie er auch weiß, dass sich das Verstörende dieser Kunst dem Betrachter, der nicht Teil dieser Welt ist, rasch offenbart, ihn geradezu anspringt: Die kritische Entlarvung des Malers oder des »Connaisseurs« erspart sich Bitomsky, da sich die Ferne ihres Denkens wie Empfindens von dem, was man als Norm ansieht, von selbst mitteilt. Eine Malerei wie diese erfüllt einen Zweck innerhalb dieser Welt - Ausdruck einer Kontinuität, Tradition, deren Werte -, und offenbart darin wieder viel über diese Welt. Was die meisten Betrachter letztendlich (ein wenig angewidert) schaudern lässt, ist die Flachheit, die Eindeutigkeit dieser Bilder, die den Geist einer Kultur des Gehorsams, des klaren Erkennens wiederspiegeln. Bitomsky ist Ford nahe genug, um Sinn für das Pathos zu haben, das seine Apotheose in der Verschrottungs-Szene findet: Jenes Gefühl der Leere in goldenem Licht angesichts der schier endlosen Zerstörung dieser sauriergleichen Überreste einer Maschine, in der ungeheures menschliches Potential steckt, das man doch hätte anders verwerten können. Im Pathos bekommt die Perversion Kontur, die darin besteht, dass der Abfall der Raumfahrts- und Rüstungsentwicklung dem Zivilleben zufällt, dass das Verhältnis zwischen Produkt und Abfall umgekehrt ist zu dem, wie es gut und einfach nützlich wäre oder kurz gesagt: dass der Friede der Abfall des Krieges ist. Bitomsky sagt in B-52 nicht, dass Krieg böse ist; er spricht davon, wie Krieg unsere Welt im letzten halben Jahrhundert bestimmt hat und bestimmt.»B-52« ist mit nur drei Kopien in den Kinos der Bundesrepublik unterwegs. Voraussichtlich im April wird er auf Arte zu sehen sein.
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