Tusch, Trommelwirbel, Konfetti: In diesem Jahr feiert das Glühbirnenverbot zehnjähriges Jubiläum. Im April 2009 trat die Verordnung EG Nr. 244/2009 der Ökodesign-Richtlinie der EU in Kraft. Weil herkömmliche Glühbirnen sehr viel Energie in Form von Wärme abgeben und damit Strom verschwenden, versprach sich die EU dadurch eine Reduzierung des Stromverbrauchs der Größenordnung Rumäniens – und damit eine CO2-Einsparung von 15 Millionen Tonnen pro Jahr.
Die meisten europäischen Länder fügten sich klaglos. In Deutschland jedoch führte das Glühbirnenverbot zu einem kollektiven Nervenzusammenbruch: Der verordnete Verzicht wurde als unzumutbarer „Eingriff in das Privatleben“ belärmt, Liberale, Rechte und Konservative beschworen die „Verbotsgesellschaft“ herauf und sowieso die Wahnvorstellung einer „Ökodiktatur“. Bis heute trifft man auf Flohmärkten renitente Händler, die gehortete Glühbirnen verticken. Übertroffen wurde diese Massenhysterie eigentlich nur noch anlässlich des von den Grünen vorgeschlagenen „Veggie-Days“ (ein Tag in der Woche fleischfreies Angebot in öffentlichen Kantinen), der selbst von seriösen Medien als „Ernährungsdiktatur“ diffamiert wurde. Seither traut sich die Öko-Partei kaum mehr, das Wort „Verbot“ in den Mund zu nehmen.
Sicher, man kann das Glühbirnenverbot als Symbolpolitik betrachten. Denn Deutschland hat mit dem Verbot zwar seinen Anteil am EU-Ziel erreicht. Doch insgesamt ist der Stromverbrauch der Privathaushalte gestiegen – durch Smartphones, Computer und technische Gadgets. Und noch viel mehr hat sich seither getan: Jeder fünfte neu angemeldete Wagen ist ein SUV, die Zahl der verkauften Riesenautos ist 2017 um ein weiteres Viertel gestiegen, der nächste Trend sind Pick-ups. Die Fleischproduktion ist auf Rekordniveau und die Billigairlines haben ihr Sitzplatzangebot in den vergangenen sieben Jahren um 187 Prozent gesteigert. Von Klimapolitik, die zu realen Einsparungen von CO2 führt, kann in Deutschland also keine Rede sein – geschweige denn von Verboten oder auch nur dem Abbau schädlicher Produkte, Industrien, Konsum-, Ernährungs- oder Mobilitätsmuster. Und trotzdem werden Klima- und Umweltschutz nicht als Frage globaler Gerechtigkeit und unabdingbar für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen diskutiert – sondern als Zumutung, Verzicht, ja sogar als antidemokratische Gewaltherrschaft. Eine erstaunliche Täter-Opfer-Umkehr.
„Das Prinzip der Freiheit hat sich bewährt. Wer 120 fahren will, kann 120 fahren. Wer schneller fahren möchte, darf das auch. Was soll der Ansatz der ständigen Gängelung?“, tobte Auto-Minister Andreas Scheuer über das Tempolimit. CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ist sogar der Ansicht, man würde mit einem Tempolimit, das in allen anderen europäischen Ländern ja längst existiert, „Autofahrer quälen und bestrafen“. Nach dem Dieselskandal erwog die Regierung sogar, die Gesetze so zu ändern, dass keine Fahrverbote möglich sind. Es ist wie mit Helikoptereltern, die der Lehrerin mit dem Anwalt drohen, weil sie ihr Kind schimpft. So schützt die Regierung den Einzelnen und seine Konsumfreiheit – und die Freiheit und Profite der Konzerne. Aktuell damit, dass der Kohleausstieg vermutlich weitere 20 Jahre verschoben wird. Zunehmend sind es deshalb Gerichte, die für den Schutz der Allgemeinheit einspringen: So hat der Europäische Gerichtshof die Bundesregierung immer wieder verurteilt, etwa wegen zu viel Nitrats in den Flüssen und wegen Luftverschmutzung durch Stickoxide.
Dabei ginge es ja womöglich oft nicht um Verbote, sondern zunächst einmal darum, schädliche Subventionen, Ausnahmen und Sonderrechte abzuschaffen. Was sonst ist denn die Befreiung der Flugindustrie von der Kerosinsteuer als ein gesetzlich verankertes Privileg, das zulasten der Allgemeinheit, der Menschenrechte, des Klimas und der Umwelt geht? Unsere Situation ist ja nichts anderes als eine große historische und geopolitische Ausnahme: Die wenigsten Menschen auf der Welt konnten und können sich unseren Lifestyle leisten. Doch dieses vermeintliche Recht auf deren Kosten verteidigt die Politik mit allen Mitteln.
Aber nicht allein dieses fatale Verständnis von Freiheit führt zum Stillstand. Sondern auch die Trennung der ökologischen von der sozialen Frage: Klimaschutz und Arbeitsplätze werden gegeneinander ausgespielt. „Umwelt- und Klimaschutz waren uns manchmal wichtiger als der Erhalt unserer Industriearbeitsplätze“, meinte Ex-Außenminister Sigmar Gabriel. Man fragt sich, wann das gewesen sein soll! Andersherum wurden laut dem Bündnis „Bahn für alle“ seit 1994 rund 350.000 umwelt- und klimafreundliche Arbeitsplätze abgebaut – nämlich bei der Bahn, der Bahntechnik und im öffentlichen Verkehr. Einen Aufschrei wie jetzt bei der Diskussion um den Kohleausstieg gab es nicht.
Am Rande der Tagung der Kohlekommission Ende Januar sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Aktivistinnen und Aktivisten der Bewegung „Friday for Future“, er sehe die Wirtschaft in Deutschland durch den Klimaschutz gefährdet. Er muss sich versprochen haben. Denn es ist ja genau andersherum. Und auf einem toten Planeten gibt es keine Arbeitsplätze.
Kommentare 40
Nicht sehr gut recherchiert. Man sollte Fachjournalisten an ein solches Thema setzen.
Meine Einwände spare ich mir, da schon oft geschrieben und in diesem Bereich ein gewisser Dogmatismus besteht.
Halt doch einfach die Gosch wenn Du nix zu sagen hast und lies Deine ganz persönlichen Fachjournalisten auf welt.de.
>> Halt doch einfach die Gosch [...] <<
Ihr Tonfall geht doch wohl etwas zu weit, meinen Sie nicht auch?
Die Profiteure der Zerstörung– und der moderne hochqualifizierte Arbeiter wird zum Bock
Die gezielte Vernichtung von Natur und Umwelt im imperialistischen Konsumparadies – im spätbürgerlichen Gesellschaftssystem des modifizierten Kapitalfaschismus – der sog. ''sozialen Marktwirtschaft'' im 21. Jahrhundert!
Gespräch mit: Dr. Christian Kreiß ("Geplanter Verschleiß")
»Geplanten Verschleiß. Wer heute einen Drucker kauft, kennt das Problem. Kaum ist die Garantie abgelaufen, gibt das Gerät seinen Geist auf und kann nicht repariert werden. Oder aber, die Kosten hierfür stehen in keinen Verhältnis zu einem Neukauf.
Geplanter Verschleiß ist der Motor der sogenannten Konsumgesellschaft.
Wir kaufen für die Müllhalde, ohne dass wir uns über die Auswirkungen groß Gedanken machen. Das ist Teil der Technik, mit der der angebliche "König" Kunde im Hamsterrad gehalten wird. Der künstliche Verschleiß, dem heute alle Produkte unterliegen, wurde so „eingebaut“, dass er unter der Wahrnehmungsschwelle bleibt.«
Siehe: https://www.youtube.com/watch?v=Of8J87z1BzY
08.02.2019, R.S.
Es darf bezweifelt werden, dass die Kombination aus Intelligenz und Ambitionen sich mit Nachhaltigkeit zufrieden gibt; ein übriges tut die hohe Zahl von Menschen. Unsere Zukunft liegt in der Besiedlung außerirdischer, zunächst nur solarer, später auch extrasolarer Planeten oder Asteroiden; bleiben wir auf der Erde, gehen wir unter.
Eigentlich ist es doch ein sehr guter Artikel von Kathrin Hartmann mit einer schönen Ilustration von Susann Massute, danke dafür. Es besteht also kein Grund sci im Ton zu vergreifen und aus reiner Rat- und Hilflosigkeit aufeinander loszugehen wie die Kesselflickerinnen.
Es wäre wünschenswert wenn wir uns endlich dazu aufraffen könnten, uns in einem öffentlichen Debattenraum zu versammeln und gemeinsam nach den besten Lösungen zu suchen.
Offensichtlich ist es uns ja nicht möglich politische Lösungen umzusetzen ohne uns zuerst über unsere eigenen menschlichen Hindernisse im klaren zu werden, die uns daran hindern uns für ein auf die Gemeinschaft bezogenes Denken und Handeln zu entscheiden.
Dabei steht es uns doch frei in einem freien öffentlichen unabhängigen Debattenraum darüber abzustimmen für welchen Weg wir uns entscheiden wollen. Das es mit dem ein bischen hier und da an der Wahlpropaganda herumdoktern nicht mehr getan ist, ist wohl inzwischen auch jedem im Zeitalter der Aufklärung des 21. Jahrjhundert klar geworden.
Für ein "Nationales Aufbau Werk" benötigen wir eine nationale Richtlinien Kompetenz die von der zivilen Bevölkerung ausgeht und auch von ihr eigenverantwortlich und langfristig auf der Grundlage unseres Grundgesetz getragen wird. Wir können in unserer "Deutschen Demokratischen Bundes Republik" (DDBR) immer noch selber darüber frei entscheiden, was uns selber in unserem und dem Leben der Anderen wichtig ist oder eben auch nicht.
Wenn wir weiterhin die sehr eindringlichen Warnungen der Ursachen und Wirkungen der Naturgesetze verdrängen und lieber den Worthülsen der politischen und wirtschaftlichen Eliten zu unserem eigenen Vorteil glauben schenken wollen, haben unsere Kinder eben Pech gehabt, da hilft auch kein hoffen, beten, jammern und wehklagen mehr.
Dann sind wir feige von allen guten Geistern verlassene Gott erbärmliche Lügner, die Generation um Generation unseren Kindern aus reiner politischer Geschwätzigkeit versprochen haben, alles politisch und Menschen mögliche für die Zukunft unseres Planeten, unserer Tiere und unserer Kinder zu tun.
Mir, Shalom, Paix, Frieden, Peace & Love.
''... bleiben wir auf der Erde, gehen wir unter.''
Bleibt hierfür noch die Zeit? Wer bestimmt die Auswahl an Menschen für die Übersiedelung?
Die hierfür noch verbliebene Zeit reicht nicht aus, selbst nicht für die Erbengemeinschaft der heutigen Finanz- und Monopolbourgeoisie, also müssen wir noch rechtzeitig eine irdisch-weltliche Lösung für die ganze Menschheit finden. Dafür müsste man schon den Kapitalismus/Imperialismus nachhaltig beseitigen.
Es bedürfte schon demokratisches Gemeineigentum an den gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsmitteln (Gemeineigentum an Grund und Boden, Luft und Wasser, Rohstoffe und Bodenschätze, Tier -Natur- und Pflanzenwelt).
Auf der Grundlage des demokratischen Gemeineigentums müssten wir eine sozial-ökonomische und sozial-ökologische Kreislaufwirtschaft gestalten. Das wäre zugleich das Ende und die Aufhebung der feudalen und kapitalistischen Klassengesellschaft, weltweit.
Freiwillig würde die sozioökonomische und gesellschaftspolitische Klasse der Finanz- und Monopolbourgeoisie und deren gut-geschmierte politische Administration niemals auf ihre Privilegien verzichten.
PS: Dafür bedürfte es schon einen sozialrevolutionären [zugleich emanzipatorischen] Bürgerkrieg.
08.02.2019, R.S.
Gemeint war kein Umsiedlungsprojekt, sondern eine allmähliche Expansion, eine langsame Ausweitung. Das könnte funktionieren, weil damit Geschäfte gemacht werden könnten. Das könnte eventuell sogar bei Verbleib auf der Erde funktionieren, sofern es gelänge, Umweltschutz-/Klima-/Ernährungs- und (echte) Friedenspolitik so zu gestalten, dass diejenigen, die auch heute schon die Geschäfte machen, zukünftig mit den vernünftigen Formen dieser Politiken noch mehr und bessere Geschäfte machen können. Was nicht funktionieren wird, ist der Erfolg dieser Politiken als Folge rationaler oder idealistischer Einsichten. Von sowas ist der machtafine Teil der Menschheit einfach nicht genügend intrinsisch motiviert und auch nicht motivierbar.
Oh, ein Jargon wie bei AFD und ähnlichen.
Nun, da ich mit solchem rechnete habe ich mir nähere Argumentation gespart.
Wenn sie Welt lesen habe ich damit kein Problem.
Ich halte eine Ökodiktatur für gar nicht so unvernünftig. 1997 habe ich nach der Lektüre von Frank Herberts "Dune" geschrieben: "Die ökologische Krise läßt sich demokratisch nicht verhindern." Und das meine ich auch und gerade heute. Auf die Vernunft der konsumierenden Masse zu setzen, erscheint mir illusionär, auf die Selbsterhaltungskräfte des Kapitalismus erst recht.
Und wer übt die Macht aus in einer Öko-Diktatur?
Wenn ich lese, Echokammer, Filterblase, Toleranz, Meinungen usw, dann passt "Sägerei" genau zu denen, weswegen ich von der linken Ecke immer mehr abkomme. Teile der Comm. hier haben mich zweifeln lassen, ob ich bei den richtigen Linken bin.
Da die linke Strömung auch seinen elitären Kreis noch positiv empfindet, wenn hier noch 4 Leute schreiben und die Wahlergebnisse bei 3 % liegen scheint es völlig egal zu sein, Anteile zu verlieren.
Immerhin ist es eine neue Erkenntnis die u.U. nützlich sein könnte.
Ich weiß, Zeitungen zu kritisieren ist gerne gesehen, einen Artikel im Freitag jedoch nicht. Diese Vorgehensweise entspricht genau der, die manche sogenannte linke bekämpfen. Daher unglaubwürdig und so schlecht wie der Kapitalismus selbst.
Zum Artikel: Ich weiß, nicht wenige linke haben mit der Praxis und dem realen Leben ein Problem. Aber von einem Artikel erwarte ich Realitätsbezogenheit und nicht Sätze aus dem Netz und ungeprüfte Übernahme von Trends. Hier ist etwas technisches Fachwissen gefragt.
<< [...] ob ich bei den richtigen Linken bin. >>
Leute, die hier andere beschimpfen und unangemessen persönlich angreifen, stufe ich gar nicht als Linke, sondern als persona non grata ein. Solche gibt es leider überall.
Ansonsten kommt mir "links sein" zunehmend mehr als ein schwebender, variierender Zustand vor. Jeder hat seine eigenen Präferenzen, viele haben deutliche Toleranzprobleme, ein Gefühl oder Bewusstsein von Zusammengehörigkeit ist nur schwach ausgeprägt. Links ist zur Zeit nicht "in".
Die Steuerfreiheit für den Luftverkehr wurde 1944 durch das Chicagoer Abkommen international vereinbart. Eine alleinige nationale Einführung der Kerosinsteuer entgegen dem Abkommen würde nur den hiesigen Luftverkehr benachteiligen.
"alle sogenannten Freiheiten sind nichts weiter als Spielräume,"
ich würde sagen , sie sind Ideale und Illusionen, wenn nicht Utopien , vor allem der liberale Kapitalismus ist eine solche, wenn behauptet wird, er würde allgemeinen Wohlstand udn Freiheit erzeugen. Denn das ist kompletter Bullshit. Kapitalismus ist totale Abhängigkeit und ökonomischer Determinismus. BWLer, die sich was zur Freiheit denken , sind Witzfiguren.
Haben sie mal von Bruno Latour Das terrestrische Manifest gelesen ? Da wird erläutert was die Diktatur der Natur ist. Sie ist der Untergang des Kapitalismus. Danach kommt allenfalls Freiheit von .... auf.
"Die Steuerfreiheit für den Luftverkehr wurde 1944 durch das Chicagoer Abkommen international vereinbart. Eine alleinige nationale Einführung der Kerosinsteuer entgegen dem Abkommen würde nur den hiesigen Luftverkehr benachteiligen."
Die Steuerfreiheit für die Reichen wurde in fast jedem Land einzeln und daher international vereinbart. Eine alleinige nationale Einführung der Reichenbesteuerung entgegen internationaler Kapitalnteressen würde nur den hiesigen Reichen benachteiligen. Das Arme schwein.
Das wird schlimm enden, wenn man dieser "Logik" in jedem Bereich folgen wollte. Achn nee, genau deswegen endet es ja schon schlimm. Mit Betonung auf "enden".
Ich glaube sie haben recht. Man könnte vermuten, daß daher die extremen Streitigkeiten und die Mißerfolge kommen.
Rechts von der Mitte weiß man was man will und ist kompromissfähiger. Das wird als glaubwürdiger empfunden. Und funktioniert anscheinend.
Bei der linken habe ich immer größere Bedenken,ob man überhaupt etwas will und wenn ja, wie man es umsetzen kann. Mit einem guten Teil der linken kann ich mich nicht mehr identifizieren, die werden auch in 50 Jahren nur zufällig zu etwas kommen. Und das wird nicht angenehm.
Mir tut es um den anderen Teil leid, der völlig anders tickt. Vielleicht gibt es bald eine neue Linke mit diesen Leuten. Ansonsten verabschiede ich mich nach vielen Jahren, aber es ist nicht mehr zu ertragen. Fortschritte nicht in Sicht.
>>Ansonsten kommt mir "links sein" zunehmend mehr als ein schwebender, variierender Zustand vor.<<
"links" ist kein geschütztes Markenzeichen. Jeder kann jederzeit irgendwelchen Schwachsinn als "links" bezeichnen und dann beweisen, dass was "links" genannt wird Schwachsinn ist.
So wie man ja einen vermüllten Tümpel einen Badesee nennen kann und dann sagen dass Badeseen stinken.
>>Ich halte eine Ökodiktatur für gar nicht so unvernünftig.<<
Vor einigen schrieb mal jemand, ich meine es war im "Spiegel", das Königreich Bhutan sei die weltweit einzige Ökodiktatur.
Bhutan kann sich das leisten: Klein und für Kapitalisten hinreichend uninteressant.
und @ Frytom:
Aber, das muss man sagen, die Analyse ist Ihnen beiden gut gelungen. Den Linken fehlt eine positive Vision, sie definiert sich über Negatives: Feindbilder (Kapitalismus/Neoliberalismus) und Kritik (oft als Selbstzweck). Man ist hierarchiefeindlich, kennt daher keine Prioritäten und das einzige, was ich noch ergänzen würde, ist die radikale bis vorsätzliche Missachtung des Inneren, der Psyche und ihrer Hierarchien. Weil man meint, alles wahrhaft Bedeutende spiele sich Außen an. Dann ist es aber im Handumdrehen auch nicht mehr „der verfluchte Neoliberalismus“, sondern jeder kann entdecken, dass er was tun kann, aber eben auch muss. Viele Linke sind es aber gewohnt, sich im depressiven und passiv-aggressiven Singsang einzurichten und nur noch zu betonen, dass man nichts mehr machen kann. Allerdings ist das das Dogma der letzten Jahrzehnte gewesen, dass wir alle fremdbestimmt wären: Der Neoliberalismus, die Religionen oder das Gehirn hätten uns vollständig in der Hand, Freiheit sei nur eine Illusion.
Ist das aber erkannt, inklusive der Güte des Scheiterns, besteht eigentlich kein Grund zur Verbitterung, sondern nun kann man auf einer realistischen Basis (neu)starten. Im Grunde haben Sie beide gerade einen großen Schritt gemacht, das meine ich ohne Ironie.
>>ICH WILL TEIL EINER JUGENDBEWEGUNG SEIN.<<
Ein Schritt in die richtige Richtung: Es fehlt nicht an Lösungskompetenz, wie wir seit Jahrzehnten wissen. Es fehlt an Löungsmacht.
„Das Problem ist, dass der Kapitalismus mit der Globalisierung zur einzig dominanten Weltreligion geworden ist ...“
Meine Standardfrage an dieser Stelle auch an Sie: Warum machen eigentlich alle mit?
„Wieso können Kinder die Weitsicht besitzen, die uns Erwachsenen abhanden gekommen ist? Warum ist unsere Motivation so träge oder so ego- und-heute-fokussiert?“
Man hat sich gut eingerichtet und rechnet hoch, ob es einen selbst noch erwischt, ist doch einfach.
„Ich gehe mit Ihnen d'accord: Wir besitzen genau unsere Freiheit dort, wo wir uns Modelle erschaffen und nach ihnen leben. Diese Modelle können von uns jederzeit wieder abgeändert werden und sollten auch abgeändert werden, damit der größtmögliche Realismus (Abgleich mit der naturwissenschaftlichen Erkenntnislage) erzielt werden kann.“
Nein. Also in einem vordergründigen Sinne, meinetwegen, da ich weiß, wie Sie das meinen, aber in Wirklichkeit ist gerade auch die Naturwissenschaft ein System, was auf bestimmten Prämissen beruht, die man glauben muss und die gerade am Ende ihrer Deutungskraft angekommen ist, man sieht das in der Kosmologie und der Erforschung des Bewusstseins besonders deutlich. Und, in diesem Kontext wichtig, die Wissenschaft, besonders die Naturwissenschaft, ganz besonders jene, die aus Wissenschaft einen Weltanschauung, den Szientismus machen, haben in den letzten Jahrhzehnten einen geradezu erschreckend großen Beitrag zur allgemeinen Lethargie geleistet, überlegen Sie nur mal die Diskussionen um Hirnforschung und Willensfreiheit, falls Sie das damals bewusst mitbekommen haben. Noch heute habe viele die krude Idee in dem Köpfen, die Hirnforschung habe bewiesen, dass wir keinen freien Willen hätten. Christian Geyer, Herausgeber und Mitautor von „Hirnforschung und Willensfreiheit“, (Suhrkamp 2004, S.14) schreibt dazu:
„Versuchshalber könnte man den Spieß natürlich auch umdrehen und der Frage nachgehen: Was macht die Idee, unser Wille sei unfrei, eigentlich so sexy? Welche psychische Disposition ist nötig, um die Psyche zu verabschieden, um die Evidenz seiner Erlebens-Perspektive („Ich kann auch anders“) zu den Akten nehmen und stattdessen die Perspektive des Labors übernehmen zu wollen („Freiheit ist eine Illusion“)? Vermutlich ist es die Abstraktion selbst, die exakte Entlastung vom Konkreten, die attraktiv wirkt. Wie viele Enttäuschungen mit der Konkretion des eigenen Ichs müssen vorangegangen sein, bevor man geneigt ist, dieses Ich in den Abstraktionen der Hirnforschung zum Verschwinden zu bringen?“
Da reichen sich Wissenschaft und Linke die Hände, da kommt ein Symptom zum anderen und man kann sich wechselseitig versichern, dass man doch rein gar nichts tun kann, ideologisch und wissenschaftlich abgesichert. Da kommt die Hilfe höchstens in Form bestimmter Techniken, Meerwasserentsalzung und Bionik können natürlich super sein, aber Naturalismus als Ideologie, nein, danke.
„Aber! Politik wird zum Großteil nach wie vor wie im antiken Athen gehandhabt. "Man" diskutiert und regelt die Welt auf Grundlage von persönlichen Überzeugungen, Meinungen und Philosophien, während die Erkenntnislage der Naturwissenschaften außen vor gelassen bleibt, so als gäbe es die Naturwissenschaften gar nicht.“
Ganz falsch, unterschätze Sie mal die Philosophie nicht. Aber, seufz, auch das ist oft Teil linker Einstellung, die hier mit dem Szientismus kumuliert, die Philosophie gering zu schätzen, als fruchtlose Herumdenkerei, die die Welt nicht verändert. Weit gefehlt. Sie können den Schrott, der heute verzapft wird am besten philosophisch ordnen, Daniel-Pascal Zorn ist einer derjenigen, die das ganz praktisch tun und der Politik mit im Boot hat (er ist Co-Autor dieses „Mit Rechten reden“ Buches). Und der ist schon einer der richtig Guten, hier ist seine Seite. Wenn Sie etwas über seinen Selbstanspruch verstehen wollen, lesen Sie mal aufmerksam das hier.
„Moorleiche, Sie sprachen über die Innenansicht. Warum ändern die Menschen nicht ihr Verhalten?“
Weil man lieber stirbt, als sein Weltbild zu ändern.
„ICH WILL TEIL EINER JUGENDBEWEGUNG SEIN. LOOK AND MOVE FORWARD.“
Nur zu, klug und kraftvoll, wenn es geht, lassen Sie sich keinen Scheiß erzählen, wir sind viele.
In diesem Artikel fehlen leider wesentliche Aspekte des "Klimaschutzes". Klimaschutz und Naturschutz eigentlich untrenbar miteinander verbunden. Nur durch den Erhalt der Wälder - allen voran der Regenwälder- lässt sich der Klimawandel verlangsamen. Wir sind an einen Punkt anbelangt, an dem Klimaschutz zum PR-Trick der EEG-Branche und einer Lizenz zur Naturzerstörung verkommt. Die Branche verbindet ihr "Klima-Gejammere" dann auch noch mit dem Versprechen reuefreien Konsums. Deshalb werden alle Bedenken gegenüber der Windkraft unter den Teppich gekehrt, Forschungen verhindert, Gutachten schon gleich von der Branche selbst angefertigt und Institute gegründet, die nur dazu da sind, erwünschte Ergebnisse gegen Cash zu produzieren sowie Gegener des ungebremsten WKA-Ausbaus diffamiert. So gibt es auch mehr Protest, wenn ein Tempolimit oder die Fragwürdigkeit von Inlandsflügen diskutiert werden, als wenn auch noch die letzten Kulturlandschaften der Windstromlobby geopfert werden. Für den Windstrom werden Wälder abgeholzt, Landschaften zerstört, Tierarten ausgerottet und im Südamerika auch Wohngebiete von Indios in Industrieanlagen umgebaut. Für die E-Mobilität nehmen wir menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und eine großflächige Bodenzerstörung für den Lithium-Abbau in Kauf. Unser Klimaschutz ist nationalistisch (er blendet die Nachteile für den globalen Süden und auch den europäischen Maßstab aus), ideologisch (er blendet wesentliche naturwissenschaftliche Fakten aus) und naturfeindlich. Im Grunde gibt es keine ernsthafte Klimapolitik in Deutschland, sondern nur eine teure, landschaftsfressende, ineffiziente Symbolpolitik im Stromsektor namens EEG. Diese wird von den Medien leider auch noch weitgehend unkritisch promoted, denn Kriter der großen "Energiewende"-Euphorie geraten schnell ins Abseits und müssen Antworten auf den Klimawandel abseits der einfachen (wie dümmlichen) Formeln Energiewende =Klimaschutz oder "Die Energiewende müssen wir schaffen" finden.
Das Problem der deutschen Linken.
In diesem Zusammenhang meine Bemerkungen zur ''Deutschen Kommunistischen Partei'' (DKP).
''… selbst die LINKEN sehen das aber nicht, weil sie eben mit dem System ihren Frieden längst gemacht haben und zu reinen Systemparteien verkommen sind.''
Dabei handelt es sich nicht um die emanzipatorische Linke, sondern um die bürgerliche Linke.
Das gilt heute auch für die antikommunistische ''Deutsche Kommunistische Partei'', die DKP.
Vor der ostdeutschen Konsumwende 1989/1990, vertrat die DKP noch eine antikapitalistische und emanzipatorische gesellschaftspolitische Position. Nach der (unnötigen) ökonomischen und gesellschaftspolitischen Selbstauflösung der DDR und dem Ende ihres vormaligen maßgeblichen Finanziers, der SED, wechselte die DKP die Seiten. Unter maßgeblichen ideologischen Einfluss, vormaliger China-Experten, insbesondere der implodierten DDR und SED, wechselte die pseudokommunistische DKP und so auch ihre Kleinstmedien, ins kapitalistisch-imperialistische und gesellschaftspolitische Lager der antikommunistischen KP Chinas, an die Seite des Bourgeois-''Sozialismus chinesischer Prägung''. Dabei wurden alle marxistisch-leninistische Positionen über Bord geworfen und die deutsche und chinesische Arbeiterklasse nachhaltig verraten.
Es handelt sich dabei zugleich auch um eine tiefgreifende Bewusstseinsspaltung bei Mitgliedern der antikommunistischen ''Deutschen Kommunistischen Partei''. Für die Systemüberwindung in Deutschland predigen sie Antikapitalismus, Emanzipation und Sozialismus. Zugleich bemühen sie sich den Bourgeoissozialismus und Imperialismus Chinas, als Vorstufe und zum gesellschaftspolitischen Weg des ''Sozialismus chinesischer Prägung'' an die deutsche Bevölkerung zu verkaufen.
Vergleicht man inhaltlich die Studien der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, die auch seit rund 40-Jahren in China in der Berufsbildung von Facharbeitern tätig ist, über die ökonomische und gesellschaftliche Realität Chinas, mit den häufig falschen Ausführungen der DKP-MitgliederInnen zu China, so muss man auch hier unvoreingenommen feststellen, die DKP hat selbst das (realistische) Gesellschaftsbild der CSU über China politisch rechts überholt.
Die DKP steht heute, ebenso wie Teile der (antisozialistischen) Linkspartei, fest auf dem Boden des Kapitalismus und Bourgeoissozialismus. Damit endete zugleich für Deutschland die (vormalige) Geschichte einer antikapitalistischen und emanzipatorischen Alternative.
Anm:: Eine ganz andere Frage wäre noch die Klärung, inwieweit der deutsche Kapital- und Staatsschutz (BfV-VS-BND-BK-BStU) zu diesem ideologischen und politischen Wandel der DKP, zu deren antikommunistischen und pro-kapitalistischen Ausrichtung beigetragen hat. // Alleine nur an den ''Geschenken'' aus China, zum UZ-''Pressefest'' kann es wohl nicht liegen.
PS: Der Antikommunismus frisst seine Kinder.
09.02.2019, R.S.
Ich will mal ein einzelnes Beispiel herausgreifen um darzustellen wie der Osterhase* läuft:
Propagiert wird die Kombination Windkraft plus grosse Akkumulatorhallen zwecks Lastausgleich. Würde mal jemand die möglichen Ladezyklen von chemischen Stromspeichern mit den möglichen Ladezyklen eines Pumpspeicherwerks vergleichen wäre der profiträchtige, aber technisch wahnsinnige Plan der Akku-Gross-Speicher gleich entlarvt. Natürlich weiss jeder Depp dass man das nicht tun darf, denn das wäre ja Blasphemie.
*man muss schon an ihn glauben damit er Eier legt ;-)
Richtig, Tier-, Natur- und Umweltschutz, gerade auch in Bereichen der Agrarwirtschaft sind bei uns ein völliges Desaster, bei dem immer noch großflächig und ahnungslos die völlig falschen Ziele unterstützt werden. Die Großunternehmen, mit den beschissensten Standards, allen anderen wird das Leben mit Nachdruck schwer gemacht. In der Landwirtschaft, wie gaga kann man sein? Wer will denn da was diktieren, wenn er seine Inkompetenz Jahr um Jahr unter Beweis stellt? Das schöne Fahren auf Sicht, der herrlich pragmatische Führungsstil, ja ja. Man kann den Quatsch gar nicht schnell genug beenden. Nachhaltig, um mal eine Modefloskel zu benutzen.
"Würde mal jemand die möglichen Ladezyklen von chemischen Stromspeichern mit den möglichen Ladezyklen eines Pumpspeicherwerks vergleichen wäre der profiträchtige, aber technisch wahnsinnige Plan der Akku-Gross-Speicher gleich entlarvt."
!
Pumpspeicher, dezentrale Einheiten, die sich an regionale Besonderheiten anpassen, Smart Grids, dann aber auch neue (also wirklich neue) Verkehrskonzepte für die Innenstädte, auch ein einziges Fiasko.
Nun, und wie steht es mit der konservativen Ignoranz, die ihre blinde Zerstörungswut als Realitätssinn ausgibt?
Es geht um Leben & Tod, sagt Greta Thunberg. Stimmt. Und daher taugt Demokratie nicht, jetzt, den Paradigmenwechsel zu vollziehen. Es kann nur auf eine sogenannte "Ökodiktatur" hinauslaufen, temporär. Ein, zwei Generationen werden es wohl sein müssen, bis der Planet mit und nicht ohne homo sapiens sein kann. Die ÖkoRadikalität (radix=die Wurzel) ist dabei umgekehrt proportional zur Zerstörungspower. Wir müssen in diesem ExtremFall zu unserem Glück gezwungen werden. Da helfen keine basisdemokratische Abstimmungsprozesse. Wasser, Luft, Erde müssen primär für das Leben des Menschen herhalten, nicht für Wirtschaft, Industrie & Co. Ja, es wird sich wohl ein bißchen "militärisch" anfühlen! Vielleicht, was übel wäre, à la Huxley, Schöne neue Welt.
Wer diese Macht bekommt wird sie auch mißbrauchen. Und nach 1/2 Generation wird man sie nicht wieder abgeben. Auch das kann zum Krieg und zur Verelendung führen.
Wer verleiht wem nicht rückholbare Macht?
***** gut , dass Du es noch mal schreibst! Hier bei mir , im größten Wald Europas, wird der Wald plattgemacht, weil man mit Solarparks mittlerweile mehr Geld verdienen kann. Aber die Dächer der Industrieanlagen, Einkaufscentren, Sporthallen und ... sind und bleiben leer ...
Bin enttäuscht: Nach der Überschrift hatte ich eigentlich einen Augstein-kritischen Artikel erwartet.
Mir gegenüber können Sie gerne auf alles verzichten. Ich bin nicht kleinlich. Aber vielleicht sollte man gegenüber der Autorin soviel Respekt aufbringen, dass man seine lapidar-subjektive Einschätzung "schlecht recherchiert" mit einer Begründung versieht. Was macht Sie eigentlich so sicher, dass Frau Hartmann nicht vom Fach ist? Die Widersprüche zw. Kapitalismus und Ökologie sind von Frau Hartmann auch in Buchform behandelt worden.
Im Gegenteil meine ich, dass mein Tonfall sehr wohlwollend ist, gemessen an der Qualität des Referenzkommentars. Siehe heutigen Kommentar an Duvall selbst.
Wie dem auch sei: Ihren "Tonfall" fand und finde ich unpassend.
Gemessen an einem Troll? Echt jetzt?
Ich hatte in keiner Weise auf irgendwelche Trolle Bezug genommen.
Aber ich (leider).
Zur vorgeschlagenen temporären Diktatur
1.
Sinclair Lewis, "Das ist bei uns nicht möglich"
Einfach mal lesen, dann vergehen die Flausen von alleine
https://www.amazon.de/Das-ist-bei-nicht-m%C3%B6glich/dp/3351036965
Und
https://www.deutschestheater.de/en/programme/a-z/it_cant_happen_here/
2.
Von
315 parts per million of carbon dioxide
im Jahr 1957
https://www.newyorker.com/magazine/1989/09/11/the-end-of-nature
bis 400 ppm heute bedeutet:
Homo sapiens ist eine Krankheit, an der der Planet leidet. Wie lange noch?