Nichts, so scheint es, ist komischer als Inkontinenz. Dass sogar Landsleute, die sich selbst als links oder antideutsch bezeichnen, da in ihrer Humorpräferenz von der Mehrheitsgesellschaft kaum zu unterscheiden sind, zeigten anlässlich des Nachwende-Taumels die Reaktionen auf eine Anzeige der Monatszeitschrift Konkret. Das Foto eines tumben Spaßdeutschen, der in eingenässter Trainingshose neben einer brennenden Asylbewerber-Unterkunft den Hitlergruß zeigte, war als Illustration der Verbindung von Infantilismus und nationalistischem Größenwahn zwar durchaus eine plausible Wahl. Allein, das Publikum schätzte am Ende nicht die politische Aussage, sondern die erniedrigende Tendenz: Nazis sind eben hässlich, dumm und machen sich in die Hose. Als komisch wird nicht die vom Witz entmachtete Gewalt oder die bloßgestellte Lüge empfunden, sondern immer nur die bloßgestellte Schwäche und die der Gewalt preisgegebene Ohnmacht.
Sinnfälliges Bild dieser Ohnmacht ist der alte Mann, der das Wasser nicht halten kann. Um wen es sich dabei handelt, ist zweitrangig und wird nach Maßgabe politischer Taktik entschieden. Unentbehrlich ist allein der gelbe Fleck, der zwanglos vom Nazi zum Heiligen Vater wandert.
Zeichen von Feigheit und Erbärmlichkeit
Über seinen Symbolgehalt kann kein Zweifel bestehen: Schon auf dem Pausenhof gilt als vogelfrei, wer sich in die Hose macht. Das Einnässen ist ein Zeichen von Feigheit und Erbärmlichkeit, wem es unterläuft, der kann vom Kollektiv sanktionslos verprügelt werden. Bei alten Menschen wiederum symbolisiert Inkontinenz die durch den körperlichen Verfall bedingte Unmündigkeit, welche aus den Erwachsenen infantile Witzfiguren macht, über die nach Belieben verfügt werden darf. Immer aber ist der gelbe Fleck in der Hose eine Form der Entmenschlichung. Wer seine Körperfunktionen nicht beherrscht, hat jede Würde verloren.
Während jedoch der Gewohnheitsnazi, den Konkret dem Gelächter preisgab, als Fratze der schweigenden Mehrheit kenntlich wurde, deren Gewalt jederzeit zu fürchten ist, gehört der Papst der Vergangenheit an. Wenn überhaupt etwas an ihm komisch ist, dann sein Anachronismus. Das jüngste Titelbild der Titanic, das Benedikt XVI. unter dem Motto „Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden“ mit einem gelben Fleck in der Soutane zeigt, richtet sich seinem objektiven Gehalt nach jedoch nicht gegen den Katholizismus, sondern einfach gegen alte Opas, die glauben, noch etwas zu melden zu haben, obwohl sie längst Windeln tragen müssen.
Der "Titanic" fehlen gute Katholiken
Deshalb verletzt die Darstellung tatsächlich, wie der Heilige Stuhl geltend machte und das Landgericht Hamburg bestätigte, die „Menschenwürde des Papstes“. Deshalb bewegt sich die Reaktion der Titanic, die das Bild geschwärzt und durch eine Montage ersetzt hat, die den Papst mit zwei Limoflaschen zeigt, weil der gelbe Fleck ein Fantafleck sei, eher auf dem Niveau von Mario Barth als von F. K. Waechter. Und deshalb ist die Debatte, die sich seither um das Recht der Satire auf „Blasphemie“ entsponnen hat, gegenstandslos. Das inkriminierte Titelbild erreicht nämlich nirgends das Niveau der Blasphemie, zu der nur imstande ist, wer sein Objekt ernstnimmt.
In diesem Sinne wäre der Titanic mehr Talent zur Blasphemie zu wünschen. Ein erster Schritt könnte die Festanstellung von ein paar guten Katholiken sein. Die können nämlich besser über ihren Glauben lachen als jeder Atheist.
Magnus Klaue ist Germanist und schreibt unter anderem für Freitag, Jungle World und Konkret
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