Er hatte sich so bemüht, der Wolfgang Schüssel, Österreichs designierter Kanzler von Haiders Gnaden. Vor laufender Kamera garantierte er, dass Haider all das unterlässt, was ihn groß gemacht hat. Überhaupt ist Haider jetzt für alles, wofür die ÖVP schon immer gewesen ist. Sogar für die EU und gegen Ausländerfeindlichkeit habe er sich ausgesprochen. "Das haben wir auch gleich schriftlich festgehalten" (ebenso freilich auch die extrem niedrigen Zuwanderungsquoten mit der Tendenz gegen Null), erklärte Schüssel, und man hat das Gefühl, dass der neben ihm sitzende Haider nur mit Mühe sein spöttisches Grinsen unterdrückt.
Tatsächlich hatte es ja den Anschein, als wäre Haider zu jedem Zugeständnis b
28;ndnis bereit, wenn er dafür nur in die Regierung darf. Bleibt Haider Haider?, fragt die Neue Zürcher. Welch dumme Frage. Haider ist ein Wiederholungstäter - einer, dem man nicht über den Weg trauen kann. Schon vergangenes Wochenende zeigte der F-Führer einmal mehr sein wahres Gesicht. Nach Kritik an der freiheitlichen Regierungsbeteiligung aus Paris und Brüssel, konnte ersich einfach nicht zurückhalten und munitionierte seine Dreckschleuder. Erst als er bemerkte, wie brenzlig es dadurch auf dem europäischen Parkett geworden war, setzte er zu einer lauwarmen Entschuldigung an. Zweimal hintreten, einmal "tut mir leid" sagen, das war schon immer Haiders Devise.Da war es allerdings bereits zu spät. 14 EU-Staaten hatten ohne den 15. entschieden, ausgesprochen harsch reagiert und Boykott angedroht. Nichtsdestotrotz besitzt gerade dieses Engagement einen fahlen Beigeschmack. Man hat bisweilen das Gefühl, als sei Haider eine negative Projektion, um von sich selbst abzulenken. Haider ist auch die Chiffre für ein Täuschungsmanöver, in dem die Festung Europa in Abgrenzung zu einem rechten Beelzebub ihre eigene restriktive Politik in einem guten Licht erscheinen lassen will. Man will sich partout in ihm nicht erkennen.Wenn Haider betont, seine Ausländerpolitik unterscheide sich nicht von der eines Blair oder Schily, er liege hier ganz auf der Linie der französischen Gaullisten, dann mag das demagogisch klingen, schwerer wiegt aber, es ist im Kern wahr. Was also stattfindet, ist eine billige Stigmatisierung. Natürlich ist es richtig, wenn etwa Simon Peres von der Gefahr spricht, dass "Jörg Haider und andere Rassisten" an der Regierung beteiligt werden, aber gleichzeitig suggeriert diese Formulierung doch auch, die österreichische Regierung sei bisher ganz ohne Ausländerfeindlichkeit ausgekommen - diese Gefahr bestehe primär durch Haider. Dem kann absolut nicht zugestimmt werden. Diese Sicht zeichnet eine gar idyllische Vorstellung der Politik von SPÖ und ÖVP und ihrem biederen Wahlvolk.Man denke nur an deren restriktive Ausländergesetze, die teilweise sogar von Haider als "Übernahme unserer Forderungen" honoriert wurden. Oder wie benennt man etwa, dass ein sozialdemokratisch geführtes Wien an Ausländer keine Gemeindewohnungen vermietet? Ein Verhalten, das von Bürgermeister Häupl - einem aussichtsreichen Kandidaten in der Klima-Nachfolge - entschieden verteidigt wird. Die Gegenüberstellung: Hier die guten Demokraten, dort die bösen Rassisten, ist irreführend. Sie sieht Trennungslinien, wo gerade eine volksgemeinschaftliche Verbundenheit der Inländer vorherrscht. Vergessen wir auch nicht, dass selbst in Meinungsumfragen mehr als 50 Prozent der Österreicher sich offen als Rassisten bekennen. Das meinen sie so.Haider ist, wie er ist. Doch sind seine europäischen Gegner wesentlich anders? Sie jedenfalls sehen es so - er ist ihnen Konterpart und nicht Komparativ. Was Haider von den etablierten Demokraten in Europa unterscheidet, ist zweifelsfrei das Übermaß an Demagogie und ein Quantum an Xenophobie. Diese Differenz gilt es selbstverständlich zu berücksichtigen, man sollte aus ihr aber keinen Popanz machen. Es ist der gleiche Bottich. Gemessen an ihrer Realpolitik passt Haider gut zu ihnen und ihrem Schengenland. Er spitzt zu, was sie vorhaben. Haider ist grausamer, aber ehrlicher, seine Gegner sind zurückhaltender, aber verlogener.Kurzum: Was sie an Haider sehen, wollen sie an anderen und vor allem an sich selbst nie und nimmer ausmachen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die EU-Mächtigen partout Haider verhindern wollen, weil sie Angst davor haben, er könnte sich zum aufrechtesten Verfechter ihrer Festungspläne machen und daher den Charakter ihrer Gemeinschaft extrem verdeutlichen. Die Auseinandersetzung mit Haider ist mehr formeller als substanzieller Natur.Eines brächte eine ÖVP/FPÖ-Koalition zumindest auf den Punkt: Im Prinzip wollen die Extremisten der Mitte das Gleiche, die Verwandtschaft ist offensichtlich. Der ÖVP-Mittelbau war schon längst für die Allianz mit der FPÖ - gleiches gilt für viele SPÖ-Mitglieder. Diesbezüglich passt die Haider-Partei sehr gut in die österreichische Regierung, mehr als einem lieb sein kann. Nicht die Inhalte der FPÖ ärgern bisweilen die ÖVP - da findet nur zusammen, was zusammengehört -, sondern dass Haider immer so lautstark posaunen muss. "Kann der nicht ein paar Wochen den Mund halten", werden viele ÖVP-Funktionäre in den vergangenen Tagen gedacht haben.Das österreichische Dilemma indes wurde durch die EU nur potenziert. Gelänge es den ausländischen Protesten, Haider aus der Regierung zu bugsieren und einen Bruch mit der ÖVP herbeizuführen, stünden Neuwahlen an der Tagesordnung, bei denen ein wahrhaft nationalistischer Treibhauseffekt Haider wohl an die 40 Prozent pushen könnte. Die SPÖ würde leicht verlieren, die Schüssel-ÖVP in den Keller fahren. Zweierkoalitionen wären sodann überhaupt nur noch mit der FPÖ möglich. Haider wäre damit nicht ausgestanden, sondern geradezu nach vorne katapultiert.