Der Junge und der Hund

Kehrseite III Es war einmal ein böser Junge, der besaß einen großen, bösen Hund. Die beiden gingen gern in der Stadt spazieren und freuten sich an den ängstlichen ...

Es war einmal ein böser Junge, der besaß einen großen, bösen Hund. Die beiden gingen gern in der Stadt spazieren und freuten sich an den ängstlichen Blicken, mit denen man ihnen begegnete. Der Hund fletschte die Zähne, der Junge ballte die Faust. Die ihnen entgegen kamen, wichen aus. Der Junge und der Hund gingen langsam, denn so konnten sie den Weg und die Angst und ihr Böse-Sein auskosten.

Ich könnte erzählen, dass die Blumen am Wegesrand welkten und die Schmetterlinge sich still verhielten, wenn die beiden vorüber gingen. Aber das wäre gelogen, denn die Blumen blühten unverdrossen weiter und die Schmetterlinge flogen dem Hund ums böse Maul.

Ich könnte schreiben, dass eines Tages ein freundliches Mädchen daher kam und sich den beiden mutig in den Weg stellte, sie anlächelte, und da waren sie von ihrer Boshaftigkeit geheilt. Aber so war es nicht. Alle freundlichen und lustigen und alle mutigen Mädchen wichen den beiden aus. Die Leute hätten die Straße gemieden, in der die beiden immer spazieren gingen, wenn es immer die gleiche Straße gewesen wäre. Aber sie tauchten einmal im Norden der Stadt auf und ein andermal im Süden und freuten sich von neuem an ihrem Böse-Sein.

Eine langweilige Geschichte, in der ein Junge und sein Hund immerzu nur gern spazieren gehen und immerzu böse sind?

Ja, das ist langweilig.

Na, die beiden langweilen sich nicht. Der Junge ballt die Faust, der Hund fletscht die Zähne. Sie sehen die Angst in den Augen der Leute und sie sehen die Schmetterlinge und die Blumen. Manchmal schnappt der Hund nach einem Schmetterling oder nach einem Bein. Dann hat er sich wohl doch ein wenig gelangweilt.

Carmen Winter, Jahrgang 1963, lebt in Frankfurt/Oder als freiberufliche Autorin. Sie schreibt Lyrik und Prosa sowie Sachtexte für Kinder und Erwachsene. Zuletzt erschien im Freitag 34/2006 ihr Text Krähennest.


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