Der Kalte Krieg und seine Kinder

Politisch Mit "Guter Moslem, böser Moslem" liefert Mahmood Mamdani gute Gründe gegen einen künftigen Krieg

Das schönste Beispiel für Mahmood Mamdanis These fand erst nach Erscheinen seines Buches im amerikanischen Original statt: der so genannte Karikaturenstreit. Da ereiferten sich muslimische Massen in islamischen Ländern über Karikaturen ihres Propheten Mohammed. Dutzendfach bezahlten sie ihren Protest gegen Karikaturen, die sie wahrscheinlich nie gesehen haben, mit ihrem Leben. Doch dergleichen bringt den Chor unserer Leitartikler niemals aus dem Takt, sondern todesmutig beharren sie gegenüber dem muslimischen Mob auf ihren großen Werten, wie: die Pressefreiheit. Jene Pressefreiheit, die ihnen ansonsten erlaubt, stets nur die halbe Wahrheit zu berichten.

So wie es ihnen völlig gleichgültig ist, ob im Namen ihrer hehren Werte ganze Dörfer mit unschuldigen Zivilisten in Pakistan oder Afghanistan weggebombt werden, so vergessen sie im Streit um die Karikaturen systematisch eine winzige Kleinigkeit zu erwähnen, dass nämlich die dänische Regierung sich offen an einem Krieg beteiligt, der nicht nur "unsere" sämtlichen Rechtsnormen ignoriert, sondern sogar neue Maßstäbe in Sachen imperialer krimineller Energie setzt. Bekanntlich hält sich der Protest der freien Welt gegen die Verbrechen der freien Welt in bescheidensten Grenzen. Um so härter gehen unsere Gesinnungsarbeiter dafür mit Islamisten ins Gericht, die sich glatt erlauben, auf die Gestaltung unseres Witzlebens Einfluss nehmen zu wollen.

Man muss jedoch nicht einmal mit multikultureller Sensibilität geschlagen sein, um wenigstens zu ahnen, dass den Islamisten aller Länder, die Sottisen dänischer Provinzblätter reichlich gleichgültig wären - gäbe es da nicht diesen tapfer verschwiegenen Krieg, ein Krieg, gegen den die furchtbaren Fundamentalisten auch in ihren eigenen Ländern nicht protestieren dürfen. Denn schließlich sind die allermeisten Regierungen islamisch geprägter Länder zwar hässliche Diktaturen, dennoch aber gut Freund mit "uns", sehr gut Freund sogar.

Damit sind wir genau im Zentrum von Mahmood Mamdanis Anliegen, nämlich den kulturellen Codierungen der laufenden Zivilisations- und Religionskriege ihren politischen Ursprung und Kontext zurückzugeben. Während die Dauerpräsenz fundamentalistisch erregter Massen in unseren Medien die These vom Kampf der Kulturen belegen soll, besonders die Variante Barbaren gegen die Moderne und dabei gerne die Phantasie gehegt wird, dass die Horden Allahs bereit stünden, demnächst die westlichen Metropolen einzunehmen, zeigt Mamdani, dass der "politische Islam" vielmehr eine moderne Reaktion auf die Zumutungen einer imperial auftretenden westlichen Moderne ist und dass der "politische Islam" deshalb noch lange nicht mit dem Terrorismus kurz geschlossen werden darf.

Vielleicht hätte Mamdani dabei noch stärker beleuchten müssen, dass es sich dabei vor allem um eine Reaktion in den islamischen Ländern gegen die eigenen Regierungen handelt. Was übrigens die Regierungen im Falle des Karikaturenstreits umgehend begriffen, um dann entsprechend zu handeln.

Mahmood Mamdani ist Professor für Politikwissenschaften und Anthropologie an der Columbia University in New York. In Bombay geboren, wuchs er in Kampala (Uganda) auf und hat dann längere Zeit in Tansania und Südafrika unterrichtet. Insofern kennt er aus eigener Anschauung die "Kampf der Kulturen"-Rhetorik in ihren diversen Spielarten, die er im ersten Teil seines Buches außerordentlich erhellend analysiert. Im zweiten und wesentlich ausführlicheren Teil versucht er, den Ursprung eines bis zum 11. September einigermaßen marginalen Phänomens politisch zu ergründen, nämlich den islamischen Terrorismus.

Mamdani sieht ihn eben nicht als Folge eines Kulturkampfes, sondern als Kind der jüngeren politischen Geschichte. Dafür steigt Mamdani tief in die Abgründe des Kalten Krieges, in denen die "freie Welt" ihre Werte bereits vor geraumer Zeit preisgegeben hat. Nach dem Debakel des Vietnamkriegs sahen sich die USA gezwungen, ihre zukünftigen Schlachten nicht mehr mittels der Entsendung von Bodentruppen zu schlagen, sondern Stellvertreterkriege zu führen: verdeckte, paramilitärische Geheimdienstoperationen, die sich auf einheimische Rebellen stützen oder sie eigens rekrutieren. Dabei sind sie nicht davor zurückgeschreckt, sich der Politik des Terrorismus zu bedienen. Mamdani rekapituliert die Geschichte des verdeckten US-Terrorismus von der Beteiligung an zentralafrikanischen Guerillabewegungen bis zum Aufstand der "Contras" in Nicaragua, wo die Geheimdienste zur verdeckten Finanzierung ihrer Operationen auch Waffen- und Drogenhandel betrieben. Diese Sorte aggressiver Machtpolitik mündete in der Finanzierung, Rekrutierung und Aufrüstung des islamischen Dschihad in Afghanistan, der wiederum in der Regierung der Taliban gipfelte.

Der islamische Terrorismus, den es in dieser Form vorher nicht gegeben hat, ist also ein ureigenes Produkt amerikanischer Politik im Kalten Krieg. Er war so lange gut, wie er amerikanischen Interessen diente. Doch er hat sich am Ende nicht nur gegen den Urheber gewandt, sondern auch die Politik der Vereinigten Staaten selbst wieder terroristisch reinfiziert: "Die Vereinigten Staaten und Al Qaida - beide sind Veteranen des Kalten Krieges, in dem sie sogar auf der selben Seite standen, und beide wurden nachhaltig von ihm geprägt. Beide sind durchdrungen von einer ideologisch aufgeladenen Weltanschauung, die sie in einer stark religiös gefärbten politischen Sprache artikulieren. Die ideologische Sprache rechtfertigt, unabhängig davon, ob sie sich religiös oder säkular gibt, den straflosen Gebrauch der Macht. (...) Schlimmer noch, sobald der Kampf gegen politische Gegner als ein Kampf gegen das Böse definiert wird, wird er zum Heiligen Krieg. Und in einem Heiligen Krieg kann es keine Kompromisse geben. Das Böse kann nicht verändert, es muss ausgetrieben werden." Der lächerliche Karikaturenstreit hat es gerade wieder gezeigt, wie weit wir auf diesem Weg gekommen sind: Selbst eine bislang gemäßigte Observanz pumpt sich mit kulturellen und religiösen Parolen auf und ist bereit in den Krieg der Kulturen zu ziehen. Bei Mahmood Mamdani finden sich viele ausgezeichnete Argumente, diesen Krieg zu verhindern.

Mahmood Mamdani. Amerika und die Wurzeln des Terrors. Aus dem Englischen von Sophia Deeg. Edition Nautilus, Hamburg 2006, 320 S., 19,90 EUR


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