Frauen und Kinder zuerst? Über dieses uralte Schiffsbruch-Gebot streiten zwei Männerrechtler im Internet. Für den konservativen Mann ist es eine Sache seiner Mannesehre, Frauen und Kinder zu retten – auch unter Einsatz seines Lebens. Diese heroische Regel in Frage zu stellen, hieße für ihn, den Untergang des Abendlandes heraufzubeschwören. Für den „linken Maskulisten“, wie sich der andere bezeichnet, gilt hingegen: Gleichberechtigung in jeder Situation – keine Vorrechte für Frauen! Beide nennen sich Maskulisten, beide bekämpfen das „Feminat“ oder auch: die „Femokratie“, also die angebliche Vorherrschaft von Feministinnen über das männliche Geschlecht.
Doch wer sind diese selbsternannten Männerrechtler? Wer im Internet zu genderpolitischen Fragen surft, wird früher oder später von ihren Pöbeleien belästigt. Eine rabiate Community drängt viele Internetforen in eine frauenfeindliche Richtung oder torpediert als „Trolle“ die Chats mit abseitigen Einwürfen. Männerrechtler bekämpfen die Gleichstellungspolitik als Bevormundung eines Staates, der angeblich unter weiblicher Kuratel steht. Folgerichtig sind das Gendermainstreaming der Europäischen Union und die staatlichen Gleichstellungsbeauftragten zu ihrem bevorzugten Hassobjekt avanciert.
Im Schutz der Anonymität des Netzes grassiert seit Jahren eine menschenverachtende Hasspropaganda gegen Feministinnen. Die hate speech der Maskulisten trifft aber auch alle als „lila Pudel“ titulierten Männer, die diesen Antifeminismus nicht teilen. So beschimpfen die Männerrechtler beispielsweise den Interessenverband für Jungen, Männer und Väter „Bundesforum Männer“ voller Aggression und Häme, weil er sich nicht auf ihre Seite schlägt und vom – Gottseibeiuns – Bundesfrauenministerium gefördert wird.
Homophober Nationalismus
Inzwischen liegen verschiedene Studien zu den Antifeministen vor. Der Soziologe Hinrich Rosenbrock hat im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung die Denkweisen, Netzwerke und Online-Mobilisierung der antifeministischen Männerrechtsbewegung untersucht. In Ideologie und Wortwahl unterscheiden sich die verschiedenen Strömungen der Antifeministen, auch einige Antifeministinnen sind darunter, erheblich. Sie sind zwar über das Internet verbunden, aber in verschiedene Gruppen gespalten. Zusätzlich sind online viele Einzelkämpfer unterwegs, die ihren persönlichen Frust und Hass gegen Frauen in Blogs und Foren entladen.
Rechte und konservative Maskulisten sehen die Rolle der Frau immer noch als Mutter möglichst zahlreicher deutscher Kinder, als Haus- und Ehefrau und vielleicht noch als Zuverdienerin, während der Mann hinaus ins feindliche Leben stürmt. Rosenbrock zufolge gibt es eine rechtspopulistische Szene, die sich durch Nationalismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie hervortut und ein traditionelles, mitunter kriegerisches Bild von Männlichkeit propagiert. Die zahlreichen Berührungspunkte zwischen Maskulismus und Rechtsextremismus belegt auch der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegebene Sammelband Was ein rechter Mann ist ... Rosenbrock betont jedoch, dass der Maskulismus als eigenständige, vom Rechtsextremismus unabhängige Bewegung gesehen und nicht allein nur wegen seiner Nähe zu rechten Kreisen zu kritisieren sei, sondern vor allem wegen seiner frauenfeindlichen Inhalte, die, so der Autor, letztlich auch männerfeindlich seien.
Im Gegensatz zu den rechten Maskulisten sehen sich andere Männerrechtler – und dies ist eine vergleichsweise jüngere Entwicklung – generell als Opfer von Frauen. Mit oft larmoyanter Attitüde versuchen sie nachzuweisen, dass sie auf vielen Ebenen benachteiligt und ausgebeutet werden. Einige bezeichnen sich selbst dabei explizit als „links“.
So propagiert der Soziologe Walter Hollstein beispielsweise seit mehr als zwanzig Jahren, dass nach dem feministischen Sieg endlich die Benachteiligung von Männern auf der gesellschaftlichen Agenda stehen müsse. Die Bedürfnisse der Jungen würden angesichts der Förderung von Mädchen völlig vernachlässigt. Opfer-Maskulisten wie Hollstein zielen durchaus auf eine Modernisierung der Männlichkeit, etwa indem sie das starre Gefühlskorsett des traditionellen Mannes aufbrechen möchten. An grundsätzlich dualistischen Vorstellungen dessen, was Männer von Frauen unterscheide, rütteln sie jedoch nicht.
Soziologische Untersuchungen wie etwa Carsten Wippermanns Studie Rolle vorwärts, Rolle rückwärts zu den Identitäten und dem Verhalten der verschiedenen Milieus traditioneller, moderner und postmoderner Männer zeigen, dass nach wie vor eine große Kluft zwischen Einstellungen und praktiziertem Verhalten besteht. Ulrich Beck charakterisierte dies bereits in den 1980ern als „verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“. Wippermann zufolge haben etwa 14 Prozent aller Männer das Ich-Ideal eines „Lifestyle-Machos“. Dieser selbstbewusste Chauvinismus, der sich als attraktiv-modern stilisiert, ist sowohl in traditionellen wie auch in modernen Milieus anzutreffen.
Das Image des von Frau und Familie unabhängigen Mannes hat bereits eine längere Geschichte. Unter dem Begriff flight from commitment beschreibt die US-amerikanische Publizistin Barbara Ehrenreich, wie sich weiße Mittelschichtsmänner in der Playboy-Ära der 50er Jahre aus der Verantwortung als Brotverdiener verabschiedeten. Die hedonistischen und konsumorientierten Männer grenzten sich gegenüber Ansprüchen von Frauen ab, rebellierten gegen die Zwänge der Männerrolle und setzten auf persönliches Wachstum und lockere Beziehungen zu Frauen. Der Lifestyle-Maskulismus einiger Männer und Männergruppen wurde geboren.
In der Mitte der Gesellschaft
Auch die Friedrich-Ebert-Stiftung geht der Frage nach, wie Männerrechtler und Familienfundamentalisten sich gegen das Feindbild Feminismus radikalisieren: In seiner Studie Geschlechterkampf von rechts nimmt Thomas Gesterkamp unter anderem die deutschen Leitmedien ins Visier – etwa den Spiegel, der ein düsteres Bild autoritärer Genderpädagogik an die Wand malt, das Jungen „früh zu Kritikern des eigenen Geschlechts“ mache oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die gegen ein „angewandtes Kaderprinzip der feministischen Lobby“ wettert, welche eine „politische Geschlechtsumwandlung“ plane. In der Welt forderte der Soziologe Gerhard Amendt, einst Vorkämpfer für die Legalisierung der Abtreibung, die Abschaffung der Frauenhäuser, weil die dort Tätigen mit ihrer „antipatriarchalen Kampfrhetorik“ und einer „Ideologie des Radikalfeminismus“ zu „professionellen Interventionen“ nicht fähig seien.
Der Antifeminismus ist also keineswegs nur am rechten Rand, sondern durchaus auch in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt. Das zeigen nicht nur gewendete Linke wie Amendt und Hollstein. Auch die Partei der Piraten hat trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihrer vorgeblich genderneutralen Philosophie ein massives Maskulismus-Problem. In der „männerpolitischen Initiative“ dieser netzaffinen Partei mit erheblichem Männerüberhang agitierten radikale Maskulisten wie Arne Hoffmann. Seine Pamphlete und Blogeinträge statten frustrierte Männer mit Munition für zermürbende Rosenkriege mit Expartnerinnen aus. Mit seinen sadomasochistischen Romanen ist dieser Schriftsteller jedoch durchaus anschlussfähig zu den neuen Mittelschichten mit ihren schicken Lifestyle-Experimenten.
Ein Tipp zuletzt: Wer von den Internet-Hasspredigten der Maskulisten genug hat, erhole sich bei der Online-Version von Antifeministen, einem süffisanten Buch über Altgläubige und praktische Egoisten und auch über Weib gegen Weib. Nichts Neues? Richtig. Geschrieben von der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, anno 1902.
Gerhard Hafner arbeitet als Diplom-Psychologe mit gewalttätigen Männern in Berlin.
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Kommentare 10
Doch wer sind diese selbsternannten Männerrechtler?
Rechtler/innen verschiedenster Provenienz sind zwar nicht unbedingt selbsternannt, aber auch nicht gewählt. Auch in dieser Wortwahl dieses Artikels liegt m. E. eine starke Meinungstendenz - abgesehen davon unterscheidet er zwar zwischen Maskulismus von rechts und dem in der Mitte der Gesellschaft - aber das tun Antisemitismus-Studien auch. Insofern wirkt dieser studienbasierte Artikel auf mich nicht so sachlich, wie der Autor selbst ihn vielleicht sieht.
Grundsätzlich habe ich gegen "Frauenquoten" zwei Einwände.
Der eine ist schlichtes Eigeninteresse: ich bin keine Frau - mir stehen damit also weniger Gelegenheiten offen als ohne Frauenquote.
Mein zweiter Einwand ist der, dass manche derjenigen, die Quoten unterstützen, gleichzeitig Unterstützer des Wettbewerbskonzepts sind - außer bei der Quote. Da möchten sie ein paar Einschränkungen machen.
Und da geht's los: den einen ist eine Frauenquote wichtig, den anderen eine Migrantenquote, den dritten eine Ostfriesenquote, die nächsten wollen bevorzugt Eltern einstellen (lassen) statt Kinderlose... und wenn diese Art Lobbyismus mal so richtig im Gange ist, können auch diejenigen, die eigentlich den Wettlauf um die besten Plätze bejahen, sich im Prinzip zwar immer noch auf alles, aber im konkreten Fall auf nichts mehr einigen.
Ach, dazu gabs schon so viele Beiträge in der Community
https://www.freitag.de/autoren/magda/gender-mainstreaming-ein-gespenst
https://www.freitag.de/autoren/magda/geschlechterdebatte-im-wzb
Ulrike Baureithel hat dazu auch schon geschrieben
https://www.freitag.de/autoren/ulrike-baureithel/ausweitung-der-debattierzone
Immerhin nochmal eine Zusammenfassung, aber Neues erzählt sie nicht. Und auch nicht neu ist der Tenor der ersten Kommentare. Ach, man wird es Leid, irgendwann.
Zu Arne Hofmann:
Seine Pamphlete und Blogeinträge statten frustrierte Männer mit Munition für zermürbende Rosenkriege mit Expartnerinnen aus.
Viel schlimmer fand ich, dass die Nachdenkseiten mal irgendso ein Pamphlet von Arne Hoffmann, das er als Gastautor für den "Spiegelfechter" verfasst hat, empfohlen haben. Da ist mir auch klar geworden, dass entweder Ignoranz in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit oder Antifeminismus von links bis rechts gehen.
Allerdings gabs da auch reichlich Proteste.
Mir wird nie einleuchten, warum Menschen, die sich gegen Benachteiligungen von Jungs und Männern engagieren per se antifeministisch, reaktionär, rechts oder gar nationalistisch sein sollen. Es verblüfft mich immer wieder, wie unpräzise die Debatte darüber geführt wird, und wie gerade Menschen, die sonst genau hinschauen hier alle möglichen Strömungen in einen Topf werfen.
Was könnte bspw. verwerflich daran sein, auf eine Schulsystem hinzuarbeiten, das Stärken und Schwächen von Jungs und Mädchen gleichermaßen berücksichtigt?
Danke. Auf den Punkt.
Niemand ist "per se antifeministisch, reaktionär, rechts oder gar nationalistisch", sondern Leute, die antifeministisch, reaktionär, rechts oder gar nationalistisch werden als solche bezeichnet, wenn sie es sind. Und das trifft bei denen, die sich als "maskulisten" sehen der Fall. Es gibt auch genügend Beispiele für Leute, die sich um Jungen und Männer in der Gesellschaft kümmern, ohne obiges zu sein. Das sind dann für die die "Maskulisten" die "lila Pudel", eben weil sie nicht den rest ihrer Ideologie mittragen und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse anerkennen und respektieren, ebenso wie auch andere Menschen in der Gesellschaft.
"Was könnte bspw. verwerflich daran sein, auf eine Schulsystem hinzuarbeiten, das Stärken und Schwächen von Jungs und Mädchen gleichermaßen berücksichtigt?"
Nix, guter Kopfkompass. Zu diesem Zwecke gibt es das allseits verpönte und bekrittelte und belachte gender mainstreaming. Damit soll das von Dir erstrebte Ziel erreicht werden.
Nämlich diejenigen, denen das feministische Dauer-Selbstmitleid einfach nur noch zum Hals raushängt.
Ich kenne Dauermitleid eigentlich mehr von den Maskulisten. So kann man sich irren, ts, ts. Stöhnen unter dem Feminat, die Armen.
Ergänzend dazu sollte man allerdings auch noch auf die sehr substanztiellen Beiträge von Community-Mitglied Andreas Kemper hinweisen, der auch ein ausgezeichnet belegtes analytisches Buch über die "Maskulisten" geschreiben hat.
Ich erinnere mich, vor gefühlten 100 Jahren, als die Fantastischen 4 im Zenit ihres verdienten Ruhms standen, fragte sie eine Journalistin mal in einem Interview, ob sie denn im Zeitalter von Techno, Rave und Ecstasy auch Erfahrungen mit synthetischen Drogen gemacht hätten. Thomas D nickt sehr ernsthaft, schaut nach links, dann nach rechts, hm hm, er habe ja auch schon viel von diesen Dingen gehört. "Aber gesehen hab ich das noch nie - ich glaube, das gibt es alles gar nicht...".
Unpassender Kommentar zum Thema? Ganz ehrlich? Meine Meinung? So ein riesen Artikel und noch mehr feedback zu einem Thema, dass es gar nicht gibt. "Maskulismus"? Ich lach mich tot. Da brauche ich doch keine F.E.-Stiftung, um zu wissen, dass es Hanswürste gibt. Hat's immer gegeben, wird's immer geben.
Solange es aber leider immer noch Männer gibt, die Frauen kriegen (wie & warum auch immer) & dann wie Dreck be- oder gar im schlimmsten Falle physisch & psychisch misshandeln, braucht man wirklich nicht über ein paar Hanseln reden, die nie je bei irgendeiner Frau gelandet sind und deshalb natürlich gerne die Geschlechterrollen aufmischen würden. Ist Menschlichismus... ^^
Komisch, ich habe davon noch nie gehört, weder von "Makulisten" noch von der Diskussion. Konnte deshalb mit dem Artikel nichts anfangen. Es scheint Debatten zu geben, die nur in gewissen Kreisen stattfinden und wenn man sie nicht gezielt sucht auch nicht von ihnen berührt wird.