Der Kreml freut sich still

Raketenabwehr Russische Experten glauben, dass die USA als Gegenleistung für den Verzicht auf Abwehrraketen in Polen von Moskau die Bereitschaft zu härteren Iran-Sanktionen erwarten

Die Ankündigung von Präsident Obama, er werde den Raketen-Schirm in Polen und Tschechien nicht bauen, löst im Kreml eine eher verhaltene Reaktion aus. Präsident Dmitri Medwedjew spricht allerdings von einem „positiven Schritt“, der den russisch-amerikanischen Beziehungen dienlich sein werde. Offenbar würden die Interessen seines Landes wieder ernster genommen im Weißen Haus.

Es riecht nach Frühling

Ansonsten scheint aber weniger die Stunde der Exekutive, sondern mehr der russischen Militär-Experten und Diplomaten zu schlagen, die den Schritt der USA ud damit verbundene Absichten analysieren. „Natürlich können wir jetzt einige Dinge aushandeln“, meinte der Direktor des Zentrums für Analyse, Strategie und Technologie, Ruslan Puchow, gegenüber dem Fernsehkanal NTW. „Wir können die Situation nutzen. Aber jetzt in Euphorie zu verfallen, nach dem Motto, die USA sind zurückgewichen, wäre verfrüht.“

Die ersten Reaktionen der Moskauer Medien klingen hingegen hoffnungsvoller. „Es riecht nach Frühling“, meinte der Kommentator des Fernsehkanals NTW. Wenn Obama keinen Raketenschirm in Polen und Tschechien aufbauen wolle, könne man von einem „aktiven Beginn des Neustarts“ in den Beziehungen zwischen den USA und Russland sprechen, meinte der Leiter des Auswärtigen Ausschusses des russischen Föderationsrates, Michail Margelow. Dem Abgeordneten war sichtlich nicht nach Auftrumpfen gegenüber Washington zumute, als er nüchtern erklärte. „Ein wichtiger Grund für die Absage besteht darin, dass es keinen dringenden Grund gibt, Geld für die Abwehrraketen in Polen und den Radar auszugeben.“ Eine entscheidende Bedingung für die Absage des Raketenschirms in Polen sei aber auch die kompromisslose Haltung Moskaus gewesen. Die Nuklear-Parität zwischen den USA und Russland sei ein „Fundament der Sicherheit“.

Luftkorridor für die USA

Dass sich zwischen dem Kreml und Washington ein konstruktiver Dialog über Sicherheitsfragen anbahnt, zeigte sich schon beim Moskau-Besuch des US-Präsidenten im Juli. Damals vereinbarten Medwedjew und Obama die Öffnung eines russischen Luftkorridors für US-Militärtransporte nach Afghanistan. Für den Transitraum, der vor zehn Tagen von Moskau offiziell freigegeben wurde und pro Jahr 4.500 militärische Transportflüge der US-Luftwaffe über russisches Territorium ermöglicht, erwartete die russische Regierung Gegenleistungen, wie in den vergangenen Wochen immer wieder angedeutet wurde. Und das bezog sich nicht nur auf die beabsichtigte Raketenstationierung in Polen und Tschechien. Es wird auch erwartet, dass die US-Administration vorläufig nichts weiter unternimmt, um Georgien und der Ukraine eine NATO-Aufnahme zu ermöglichen. „Kostenlosen Käse gibt es nur in der Mausefalle“, meinte Russlands NATO-Botschafter, Dmitri Rogosin, gewohnt klar und anschaulich, ohne sich in Details zu verlieren.

Doch auch das Weiße Haus könnte sich seine Absage an die Raketenpläne durch diplomatische Gegenleistungen von einigem politischen Gewicht honorieren lassen, wie der Moskauer Politologe, Alexej Arbatow erwartet. Vermutlich müsse man sich zu härteren Iran-Sanktionen bereit finden. Schon in einer Woche, bei der UN-Generalversammlung werden die Präsidenten Medwedjew und Obama die Gelegenheit haben, im Blick auf Iran und Afghanistan ihre Meinungen über eine gemeinsame Sicherheitspolitik im direkten Gespräch auszutauschen.

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