Der Lack ist ab

Sportplatz Kolumne

Fast nirgendwo im europäischen Fußballsport sind die Fans so wankelmütig wie in Griechenland. Für sie sind die Helden von gestern ganz schnell die Verräter von heute und umgekehrt. "First is first and second is nothing". Wer nicht mehr gewinnt, gilt nichts mehr. Schon zwei Jahre nach dem größten Triumph in der griechischen Fußballgeschichte, der Gewinn der Europameisterschaft in Portugal im Juni 2004, ist deshalb auch der Fußball in Hellas längst wieder das, was er vor der Europameisterschaft war: ein von Skandalen, Randale und Niederlagen der Nationalmannschaft geprägter Sport. Als "griechischen Patienten" hat die angesehene, griechische Tageszeitung "Kathimerini" den Fußball im Lande bezeichnet. Und derzeit deutet wieder einmal nichts auf eine Besserung dieser treffsicheren Zustandsbeschreibung hin.

Der deutsche Trainer der Nationalmannschaft der Hellenen, Otto Rehhagel, ist viel zu selten in Griechenland, um registrieren zu können, was dort so alles rund um den Ball vor sich geht. "König Otto", nennen die Griechen ihren Trainer noch immer ehrfurchtsvoll, in Anlehnung an seinen Namenskollegen Otto I, der vor 172 Jahren auf den griechischen Thron gehievt wurde und fast drei Jahrzehnte darauf verharrte. Rehhagel selbst bekleidet immerhin schon über fünf Jahre das Amt des Nationaltrainers. Das ist griechischer Rekord. Dem Jungen aus dem Ruhrgebiet gelang im Jahre 2004 mit einer eher durchschnittlichen Fußball-Mannschaft und einer sehr defensiven Taktik der Gewinn der Fußball-Europameisterschaft. Es war für ihn der größte Erfolg in seiner an Erfolgen nicht armen Trainerkarriere. Das Land verfiel dank des EM-Triumphes in einen kollektiven Glücksrausch, der noch bis zu den Olympischen Spielen in Athen im selben Jahr hinübergerettet werden konnte. Der Dauerspaß, gespeist aus dem überraschenden Fußballerfolg und den erfolgreich organisierten Olympischen Spielen, war jedoch schnell wieder vorbei.

In Griechenland ist alles Politik. Der neue Sportminister Giorgos Orfanos, den die seit 2004 regierende konservative Partei Nea Dimokratia (ND) bestimmt hat, steht in offener Feindschaft zu dem mächtigen Präsidenten des Griechischen Fußball-Verbandes (EPO) Vassilis Gagatsis. Der gilt als Anhänger der vormals regierenden sozialdemokratischen Partei, der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK). Der Minister mischte sich über diverse Sportgesetzentwürfe in die Politik des auf dem Papier autarken Fußballverbandes ein. Beide, also Regierung und Verband, erhielten für ihr wenig originelles Ränkespiel prompt die Quittung. Der Weltfußballverband (FIFA) drohte in diesem Jahr die griechische Mannschaft aus der EM-Qualifikationsrunde für die Europameisterschaft 2008 auszuschließen, "wegen anhaltender versuchter Einflussnahme der griechischen Regierung in die Angelegenheiten des griechischen Fußball-Verbandes", wie es hieß. Bisher wurden lediglich die Verbände Kambodschas und Kenias vom Weltfußballverband für Turniere ausgeschlossen - was einiges über das Fußballsystem Griechenland aussagt. "Barraka", mit diesem Kunstwort bezeichnet die griechische Öffentlichkeit die Machenschaften im griechischen Fußballsport. Spekuliert wird immer wieder über angeblich regelmäßige konspirative Zusammenkünfte ("Barraka") von hohen Politikern, Schiedsrichtern und Vereinsfunktionären, die Ergebnisse in der Liga "aushandeln". Es soll vor allem um Sportwetten und die Quoten gehen. Das ist nicht ganz unwichtig und in einem Land, dessen Bürger sich ohne falsche Scham offen als spielsüchtig bezeichnen.

Der Fußball in Griechenland verlor spätestens nach der verpassten Qualifikation der Griechen für die Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 viel von seinem früheren Glanz. Zwar wurden die griechischen Kicker nach dem EM-Titel mit fabulösen Gehältern ausgestattet, doch die Leistungen der in die Jahre gekommen EM-Helden ließen rapide nach. Die Aufmerksamkeit der griechischen Sportöffentlichkeit richtete sich nun wieder auf die eigentliche Kernsportart der Hellenen, den Basketball. Angesichts der Erfolgsaussichten völlig zu Recht: In diesem Jahr wurden die Griechen Basketball-Vizeweltmeister, nachdem sie sogar die USA im Halbfinale besiegen konnten. Basketball ist traditionell die beliebteste und gleichermaßen erfolgreichste Sportart der Hellenen.


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